Die Wirtschaft würde rund 15.000 Informatik-Absolventen im Jahr einstellen – wenn sie denn da wären. Im vergangenen Jahr entschieden sich zwar rund 29.000 junge Menschen für dieses Studium, doch ein Blick auf die aktuellen Abbrecherquoten lässt vermuten, dass noch nicht einmal jeder Zweite seinen Abschluss machen wird. Gleichzeitig zieht sich die erste Generation der Informatiker langsam in den Ruhestand zurück.
Zum Vergleich: Im Jahr 2000 hatten sich noch 38.000 Abiturienten zum Informatik-Studium angemeldet. Stephan Pfisterer vom BITKOM fordert eine bessere Betreuung des Nachwuchses insbesondere während des Grundstudiums. Seine Erfahrung: "Nicht jeder bricht ab, weil er zu dumm für dieses Studium ist." Pfisterer geht davon aus, dass mehr junge Menschen weitermachen würden, wenn der Stoff praxisbezogener vermittelt würde.
Eine Einschätzung, die die Technische Universität München teilt: "Wir können insbesondere junge Mädchen für das Studium begeistern, wenn wir ihnen die Informatik an so genannten Girls' Days in konkreten Projekten nahe bringen", so ein Sprecher der TU. Ohnehin hätten Mädchen oft bessere Abitur-Durchschnittsnoten als Jungen. Weil Zensuren aber nicht alles sind, gehen die Münchner jetzt einen neuen Weg: Der NC für technische Fächer wurde abgeschafft. Die Dozenten haben beschlossen, ihr Lehrdeputat zu erhöhen – zunächst übrigens nur mit einer eher vagen Zusage des Freistaates Bayern, dieses Engagement finanziell zu honorieren.
Jetziger Fachkräftemangel übertrifft Höchststand von 2001
In der aktuellen BITKOM-Umfrage geben 43 Prozent der Unternehmen an, sie hätten Probleme, hochqualifizierte Fachkräfte zu finden. Diese Zahl bildet eine Momentaufnahme aus dem dritten Quartal 2006 ab und bedeutet einen drastischen Sprung gegenüber dem Gesamtjahr 2005: Damals hatten das nur 22 Prozent der Firmen gesagt. Und 2004 waren es nur 16 Prozent.
Damit übertrifft der jetzige Fachkräftemangel den bisherigen Höchststand von 2001, als 40 Prozent der Unternehmen Schwierigkeiten hatten, Leute zu finden.
Die Misere liegt allerdings nicht nur am fehlenden Nachwuchs. "Es handelt sich nicht nur um ein demografisches und konjunkturelles Problem, sondern auch um eine Qualitätsfrage", sagt Stephan Pfisterer. Besteht doch ein starker Bedarf an Software-Spezialisten mit Kenntnissen in der Prozessoptimierung und Informatikern mit betriebswirtschaftlichen Zusatzkenntnissen.
Neu ist das Problem nicht: Bereits Ende der Neunzigerjahre wurden IT-Spezialisten und Ingenieure händeringend gesucht. Konsequenz: im August 2000 wurde die Greencard-Regelung eingeführt, wodurch bis Ende 2004 fast 18.000 ausländische Experten nach Deutschland kamen. Die Greencard gab den Anstoß zum seit 2005 gültigen Zuwanderungsgesetz.
An der BITKOM-Umfrage haben sich mehr als 200 deutsche Unternehmen beteiligt.