"Ein CIO sollte die IT so ausrichten, dass eine Balance zwischen Kostendisziplin und Geschäftsanforderungen erreicht wird", schreibt Accenture. "Das ist die Quadratur des Kreises", sagt Adolf Treml, oberster IT-Stratege bei der EnBW Energie Baden-Württemberg. Treml hat sich an einer Umfrage von Accenture zu IT-Organisation und IT-Governance beteiligt. 30 CIOs aus Konzernen mit mindestens zehn Milliarden Euro Umsatz standen Rede und Antwort zur Wahrnehmung der IT, der organisatorischen Aufstellung sowie ihren Governance-Mechanismen. Die Ergebnisse aus der Befragung sind so überraschend nicht (siehe Kasten auf Seite 2 "Erfolgsfaktoren für die IT-Organisation").
Blickt man beim Energiekonzern auf die Geschäftsorientierung, stößt man auf ein buntes Miteinander unterschiedlicher Modelle mit entsprechender IT-Durchdringung. "Bei uns gibt es beide Extreme", erläutert Treml. Da sind auf der einen Seite Tochtergesellschaften für den Vertrieb und Handel von Energie, deren Geschäftsmodell eng an der Nutzung von IT hängt. Auf der anderen Seite finden sich Firmen, für die IT-Unterstützung aus Umsatz- und Ertragssicht eine weniger kritische Rolle spielt. Etwa in der Stromerzeugung und -verteilung. Ein Kraftwerk hängt vielleicht zu fünf Prozent an IT-Prozessen, die nicht Commodity sind, schätzt Treml. "Hier gilt IT in erster Linie als Kostenfaktor", so Treml.
Zweiteilung der zentralen IT
Ein erster Balanceakt für den CIO bedeutet daher, allen Seiten gerecht zu werden und IT gleichermaßen als geschäftskritische Größe wie als Grundversorgung zur Verfügung zu stellen. Seit 2005 hat EnBW die IT-Organisation und -Verantwortung daher zweigeteilt: In den Shared-Service-Bereich für standardisierte IT-Services wie Rechenzentrums- und Anwendungsbetrieb oder Support und in den Bereich IT-Strategie, den Treml verantwortet, der die Linie für das große Ganze zeichnet. Diese zentrale Hoheit über IT-Betrieb und -Strategie passt übrigens genau in das Bild der laut Accenture erfolgskritischen Strukturierung der IT-Organisation.
Die geforderte Annäherung an das Business war das jedoch noch nicht. Diese erfolgte durch die Übertragung der IT-Kompetenz in die einzelnen Geschäftsbereiche. "Die zentrale IT-Strategie moderiert und motiviert vor allem", erklärt Treml die Aufgabenteilung. Mit anderen Worten: Die Bereitstellung (Supply) erfolgt überwiegend zentral, die Nachfrage (Demand) dezentral. Verantwortung tragen und Projekte umsetzen wird zur Aufgabe der Tochtergesellschaften. "Damit positionieren wir die Verpflichtung für die IT dort, wo die Ergebnisverantwortung im Geschäft ist", sagt Treml.
Diese von EnBW als "lokale Verantwortung" bezeichnete Verschiebung zwingt die einzelnen Gesellschaften, selber festzulegen, an welcher Stelle IT strategisch ist oder nicht. Entsprechend formulieren sie ihre Anforderungen und ordern den Bedarf aus dem zentralen Shared-Service-Center oder setzen eigene Leute auf ein Projekt.
Die Aufgaben des CIOs sind letztlich, die unterschiedlichen Aktivitäten zu integrieren, Redundanzen bei gleichen Prozessen zu vermeiden und Innovationen voranzutreiben. Der Schlüssel dazu liegt für Treml in einer Segmentierung nach Wertschöpfungsstufen. Ein Segment kann der Kundenservice, der Energiehandel oder der Netzbetrieb sein - gleich welche Gesellschaft diese Tätigkeit ausübt. Innerhalb eines Segments gibt es eindeutige Geschäftsfähigkeiten, die mit IT unterstützt werden. Beim Kundenservice wären dies die Callcenter- oder CRM-Systeme. Gelten sie als geschäftskritisch, werden sie selbst entwickelt, handelt es sich um Commodity, kommt Standardsoftware zum Einsatz.
Doch wer bestimmt das? Da die Geschäftsfähigkeiten und deren IT-Systemunterstützung meistens in mehreren EnBW-Gesellschaften notwendig sind, hat der Interessenvertreter (primus inter pares) eines Segments die Aufgabe, für eine einheitliche IT-Strategie und -Architektur zu sorgen. Meist ist es die Gesellschaft mit der höchsten IT-Durchdringung beziehungsweise dem größten IT-Budget. Im Fall des Kundenservice etwa die EnBW Operations GmbH, Spezialanbieter für energiewirtschaftliche Prozesse und Dienste.
Treml streut so die IT-Verantwortung in die gesamte Breite des Unternehmens, sprich: es ist gelungen, die IT-Durchdringung in sämtlichen Geschäftsprozessen zu erhöhen. Damit bewegt sich die IT-Strategie von EnBW durchaus auf dem Weg dessen, was Accenture bei sogenannten High-Performern identifiziert hat. Diese in Umsatz und Gewinn herausragende Gruppe von Konzernen finanziert und steuert ihre IT-Projekte nah am Geschäft, betont die strategische Ausrichtung des Projektportfolios und investiert entsprechend mehr für businessorientierte IT-Vorhaben.
Eine weitere Facette im Balancieren zwischen den Interessen löst der EnBW-Stratege über die IT-Governance-Ziele etwa durch die Festlegung der Kommunikationsprozesse. Alle drei Monate beispielsweise organisiert Treml ein Treffen aller Top-Manager, um die wesentlichen Entscheidungen zu fällen. In zweiwöchigem Rhythmus kommen zudem die lokalen IT-Strategen und Vertreter der Anwender zusammen. "Damit ist sichergestellt, dass die Dinge, die auf die Straße kommen, auch anwendbar sind."
Accenture - Erfolgsfaktoren für die IT-Organisation
1. Erfolgskritisch sind zentrale Organisationen im IT-Betrieb sowie die Ausrichtung des Anforderungs- und Projektmanagements auf die Geschäftsstrukturen. 2. Der Anteil der strategischen IT-Investitionen steigt, während gleichzeitig durch eine verstärkte IT-Governance die Gestaltungsmöglichkeiten der IT gefestigt werden. 3. Das Service-Management muss durch Integration mit dem Anforderungs-Management geschäftsorientierter werden. 4. Lieferantenintegration und wertorientierte Lieferantensteuerung führen zu erhöhter Kundenzufriedenheit und Effizienz. |
Ein anderes Beispiel der IT-Governance-Ziele ist die immer bedeutender werdende Frage der Sicherheit: EnBW befindet sich inmitten einer "Digitalen Transformation". Mit der Übertragung von Verbrauchsinformationen oder lokalen Erzeugungskapazitäten über das Internet muss daher auch die IT-Security neu bewertet werden. Die Zielsetzung lautet: "IT-Risiko-, Security- und Compliance-Management sicherstellen". Konkret bedeutet dies auf zentraler Ebene die Moderation eines Expertenkreises für Security-Management und ein aktives Controlling und Durchgriffsrecht in die EnBW-Gesellschaften bei IT-Sicherheitsbelangen.
"In unserer CIO-Agenda 2011ff verfolgen wir eine Vollverschlüsselung und Umsetzung einer SOA-Security zur Nutzbarkeit der Internet-IT für eigene Geschäftsabwicklungen bis hin zur Kunden-IT", so Treml. Die Verantwortung für die Umsetzung liegt bei den einzelnen Tochtergesellschaften. "Sie müssen sich gegenüber ihren Organen rechtfertigen, wenn ein Ziel nicht erreicht wurde", erklärt er.
IT-Budget verdoppelt
Ob sich dadurch die gewünschte Balance herstellen lässt, wird derzeit erprobt. Eine für die Stromabwicklung zuständige Gesellschaft baut gerade ihre lokalen IT-Governance-Strukturen auf, die Zentrale kann die Umsetzungen per Berichtwesen auswerten. "Erweist sich das Konzept als erfolgreich für uns und den Geschäftsbereich, rollen wir es im gesamten Konzern aus", sagt Treml. "Und davon gehe ich aus."
Bliebe nur noch eine Einheit, in der es an der von den Beratern untersuchten Ausgewogenheit fehlt: die Kosten. Das IT-Budget von EnBW hat sich seit den Umstellungen auf mehr Geschäftsorientierung nahezu verdoppelt und bewegt sich nun bei rund 380 Millionen Euro. Für Treml liegt das in der Natur der Sache - mehr IT im Geschäft bedeutet mehr strategische IT-Investitionen ergo steigende IT-Ausgaben. Doch auch hier steht schon der nächste Schritt in Tremls CIO-Agenda fest. EnBW will rund 300 Millionen Euro Kosten einsparen. Und Treml weiß: "Für die IT geht es dabei sicher um einen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag."