Um 4:14 Uhr des 15. Juni hob die Rakete vom Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan tatsächlich ab und brachte den Satelliten TerraSAR-X ins All. Schon Ende Oktober 2006 hätte der Satellit im All sein sollen, wie wir in der Oktober-Ausgabe von CIO berichtet hatten ("Verfügbar zu 99,99999 Prozent"). Technische Probleme an der russischen Trägerrakete vom Typ Dnjepr (die frühere Langstreckenrakete der sowjetischen Armee vom Typ SS-18) hatten den Start mehrfach zu Verschiebungen des Starttermins geführt.
Die heiße Phase begann für CIO Hans-Joachim Popp vom Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) erst 15 Minuten nach dem Start. Das war der erste mögliche Zeitpunkt, an dem das Kontrollzentrum des DLR in Oberpfaffenhofen über das Kontrollzentrum in Malindi (Kenia) Kontakt mit TerraSAR-X aufnehmen konnte. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Satellit von der Trägerrakete gelöst, sich aus seiner Schale befreit und erste Signale gesendet.
Die nächste Chance eines Verbindungsaufbaus hätte erst nach weiteren 60 Minuten über Kiruna (Schweden) bestanden. "Wir waren sehr froh, denn je länger der "Blindflug" dauert, umso größer wird die Gefahr der Instabilität", erläutert Popp. Geht in dieser kritischen Phase etwas schief, dann wären die Arbeit von Hunderten Spezialisten und dreistellige Millionenbeträge in Gefahr gewesen. Deshalb brauchte die IT in der Startphase eine Verfügbarkeit mit am besten fünf Neunen hinter dem Komma.
Die nervliche Anspannung erlebte Popp aber nicht in Baikonur oder in Oberpfaffenhofen: "Ich saß zu Hause in meinem Arbeitszimmer vor dem Bildschirm meines Rechners", sagt Popp. Das DLR zeigte den Start nachts live im Web. "Ich konnte ja auch nichts mehr tun", begründet er. Nur bei Problemen hätte er sich eingeschaltet. Die wesentlichen Vorarbeiten waren schon weit vorher abgeschlossen, um die Verfügbarkeit der Systeme sicherzustellen. Schon im Herbst 2006 schottete das DLR die Steuerungssysteme ab und nur noch wenige Personen durften die Räume im Kontrollzentrum betreten.
Auch war der Start-Tag frühzeitig zum "wichtigsten Tag des Jahres" erklärt worden, um bei jedem Mitarbeiter des Service-Teams bei T-Systems die notwendige Aufmerksamkeit zu erreichen. Denn vier Uhr morgens ist ein gängiger Zeitpunkt, um Patches und Updates auszubringen. Das sei alles früher schon mal vorgekommen, sagt Popp. Da sei man ein gebranntes Kind.
Im ersten Schritt nach dem Start nahm die Bodenstation Kontakt mit dem Onboard- Stabilisierungssystem auf, damit sich TerraSAR bei einem Verbindungsabriss selbst auf der Laufbahn halten kann. Sonst könnte er bei einem Verbindungsausfall in Gefahr geraten. Anschließend wurden die Antenne und der sehr breitbandige Data-Link in Betrieb genommen. Nach zwei Tagen liefen alle Systeme fehlerfrei.
Während der Satellit justiert wurde, durfte der Dienstleister T-Systems weder die Systeme patchen noch umkonfigurieren. Erst nach einer 10-tägigen Freeze-Phase dürfen IT-Mitarbeiter wieder an den betroffenen Netzwerkkomponenten arbeiten. Kritischer Erfolgsfaktor war für Popp außerdem die Verbindung zu den vielen rund um die Welt verteilten Stationen, von denen aus Kontakt mit dem Satelliten aufgenommen werden kann.
TerraSAR-X ist der erste deutsche Satellit, der im Rahmen einer Public Private Partnership realisiert wurde. Während das DLR die wissenschaftlichen Daten nutzt, vermarktet die Infoterra GmbH sie kommerziell.