Gerald Götz, Konzernbevollmächtigter IT, Sana Kliniken

"IT ist ein Werkzeug wie ein Skalpell"

23.07.2007 von Andreas Schmitz
INTERVIEW DER WOCHE Gerald Götz (49) kämpft für einheitliche Prozesse und Standards: Als erster Konzernbevollmächtigter für IT bei den Sana Kliniken möchte er die derzeit 35 eigenen Kliniken im Konzernverbund zu einer Ein-Mandanten-Lösung mit SAP bringen. Dabei muss der Wirtschaftsingenieur auch den einen oder anderen unbeugsamen Professoren davon überzeugen, dass es sich lohnt, diese Technik einzusetzen.
Gerald Götz, Konzernbevollmächtigter der Sana Kliniken, trimmt die Kliniken auf eine Ein-Mandanten-Lösung mit SAP.
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Herr Götz, Sie sind als erster IT-Manager im Sana Kliniken Konzern in der Geschäftsführungskonferenz des Unternehmens vertreten. Hilft das der Akzeptanz der IT im Hause?

Es hilft vor allem, die Strategie des Konzerns zu verstehen und daraus die erforderlichen Maßnahmen für die IT abzuleiten und zu vermitteln, insbesondere gegenüber denjenigen Führungskräften, die man erst dazu bringen muss, sich mit IT auseinanderzusetzen. IT ist für ein Krankenhaus ein notwendiges Werkzeug wie ein Skalpell, geschickt eingesetzt, kann sie ungemein viel bewirken.

Welche wichtigen Projekte sehen Sie derzeit innerhalb ihrer Kliniken?

Erstens die bereits erwähnte Ein-Mandanten-Lösung für Finanzwesen, Controlling, Materialwirtschaft und die Patientenverwaltung auf Basis von SAP. Zweitens den vollständigen RollOut eines neuen Benchmarking Systems für Kliniken und drittens die Einführung konzernweit nutzbarer Medientools zur Vereinheitlichung und Vereinfachung unserer Marketingaktivitäten. Früher war die Sana dezentral aufgestellt. Heute ist es wichtig, einheitliche Systeme, Strukturen und Prozesse zu schaffen und wegzukommen von der Produkt- und Prozessvielfalt. Schon die Hälfte unserer Kliniken haben SAP im Einsatz. Bis Ende 2009 wollen wir alle auf SAP umgestellt haben – auf Basis einheitlicher Prozesse.

Damit decken Sie betriebswirtschaftliche Prozesse ab. Wie lässt sich für die klinische Seite ein Standard finden, in Anbetracht der Tatsache, dass Sie ständig neue Kliniken akquirieren?

Ein Klinikinformationssystem für alle durchzusetzen, macht in einer solchen Situation keinen Sinn. Dennoch versuchen wir, die Vielfalt auf wenige Produkte zu reduzieren. 13 Kliniken haben den anvisierten Standard MCC von der Meierhofer AG im Einsatz, einem Anbieter für den Mittelstand, der gerade nicht in irgendwelchen Übernahmeverhandlungen steckt. Klares Ziel ist dabei die Gleichartigkeit in den Abläufen.

Das ist auch für die Zusammenarbeit mit externen Ärzten und Institutionen nötig …

Richtig. Deshalb hat Sana zusammen mit anderen Klinikkonzernen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft die elektronische Fallakte vorangetrieben. Sie kann erstmals auf elektronischem Wege sicher Befunde, Diagnosen, Videos und Röntgenaufnahmen des Patienten auch Ärzten außerhalb der Klinik zur Verfügung stellen. In Stuttgart, Remscheid und Berlin-Lichtenberg geht die Fallakte als Pilot an den Start. Kassenärztliche Vereinigungen, niedergelassene Ärzte sowie Rehaeinrichtungen sind an diesen Projekten beteiligt.

Die Gesundheitskarte würde den Einsatz einer elektronischen Fallakte vereinfachen. Wann rechnen Sie mit der elektronischen Gesundheitskarte?

Der „Point of no return“ ist bereits überschritten. In 2008 wird – da bin ich überzeugt – ein wichtiger Schritt zur Einführung getan werden. Jedenfalls bereite ich Management und Mediziner unserer Kliniken bereits darauf vor. Die Gesundheitskarte würde den Einsatz der elektronischen Fallakte vereinfachen. Denn sie ist – zusammen mit dem Arztheilausweis – so etwas wie ein Schlüssel für die „Leistungserbringer“, auf Patientendaten zugreifen zu können. Bislang ist es nötig, sich beispielsweise von einem niedergelassenen Arzt einen Barcode mitgeben zu lassen, mit dem ein Arzt in einer Klinik dann per Internet Zugang zu den Einweisungsdaten des Patienten bekommt.

Wenn Sie die IT-Landschaft vor zehn Jahren mit der heutigen vergleichen: Was fällt auf?

Damals war Sana noch ein dezentraler Verbund von Kliniken. Wir hatten so ziemlich alles im Einsatz, was der Markt für Kliniksysteme hergab, es gab keinerlei vernetzte Strukturen. IT war notwendiges Übel zur Patientenabrechnung. Das hat sich komplett gewandelt. Ohne professionell betriebene IT - Systeme kann ein Dienstleistungsunternehmen auch im Gesundheitswesen nicht mehr überleben. Wir treiben die Produktstandardisierung weiter voran, gegen Ende 2009 werden wir die Ein-Mandanten-Lösungen im Einsatz haben. Das zwingt die Kliniken zu einer hohen Disziplin in den Prozessen. Die Leistungen in den Kliniken können wir bereits heute gut miteinander vergleichen um so Verbesserungspotentiale aufzuzeigen. Dazu haben wir ein Business-Intelligenz-Instrument im Einsatz, den SanaAnalyser. Er zeigt differenziert den medizinisch – pflegerischen Ressourceneinsatz in Bezug auf den inividuellen Schweregrad der Erkrankungen und unterstützt so unser Klinikmanagement dabei, die Einrichtungen durch ein hochkomplexes Vergütungssystem zu steuern.

Zu Lasten des Patienten?

Im Gegenteil, das System zeigt Einsparmöglichkeiten auf, die ohne Qualitätsverlust zugunsten von mehr Zuwendung und mehr Service gegenüber dem Patienten realisiert werden können und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit der Klinik verbessern.

Und wie steht es um die Zufriedenheit der Ärzte und Pflegekräfte mit der IT?

Das ist ein schwieriges Thema. Es besteht ein legitimer Anspruch der Ärzte und Pflegekräfte, sich um ihre Patienten kümmern und nicht um IT. Dies steht leider im völligen Widerspruch zur Realität der umfangreichen Dokumentations- und Kommunikationspflichten dieser Berufsgruppen. Für uns bedeutet das: Hin gehen zu den Ärzten und Schwestern, in deren Arbeitsbereiche und beobachten. Nur so können wir verstehen, was der Arzt wirklich denkt und braucht. Da müssen auch unsere IT-Mitarbeiter umdenken, und sich als Kunden-orientierte Organisation verstehen – hier haben wir noch eine ordentliche Wegstrecke vor uns.

Was ergeben diese Beobachtungen konkret?

Zweierlei, der Arzt möchte möglichst schnell Patientendaten auf den Schirm holen, die für die jeweilige medizinische Fragestellung zusammengestellt sind. Noch ist es derzeit dazu nötig, Daten aus verschiedenen Subsystemen herauszuholen. Aber wir haben den Weg ja schon eingeschlagen, die Vielfalt der Systeme zu reduzieren und gleichzeitig die Aufbereitung der Daten intelligenter zu lösen. Das Problem ist der wenig geübte Nutzer. IT ist ein Werkzeug wie ein Skalpell. Für den Patienten ist dieses scharfe Messer nur von Segen, wenn der Chirurg, in dessen Hände sich der Patient vertrauensvoll begibt, in der Handhabung des Instruments ausreichend erfahren ist und ständig damit trainiert. Das ist mit einer erfolgreichen Nutzung der sich ständig weiterentwickelnden Informationssysteme nicht anders. Zufriedene Nutzer sind in der Regel auch intensive Nutzer.