Die Zeichen stehen auf Neuanfang: Ceva Logistics wird sich als eigenständiges Unternehmen auf dem Markt behaupten müssen. Zumindest der IT scheint dies keine Sorgen zu bereiten. IT-Director Michael Müller-Wünsch hatte sich schon vor Eintritt des Finanzriesen dem Portfolio-Management verschrieben und seine Abteilung Zentral- und Osteuropa einem umfangreichen Change-Management unterworfen. Müller-Wünsch formulierte den internen Kunden und dem Management zunächst eine einfache, aber schwer verdauliche Losung: Die IT kann nicht alles. "Die Anforderungen der internen Kunden an die Technik sind oft überzogen“, sagt Müller-Wünsch. "Auch wir haben beschränkte Kapazitäten.“
Seine Idee war es, den Kunden dazu zu erziehen, am Anfang eines Projektes genau zu überlegen, was wichtig ist und was nicht. Und ob das Budget dafür reicht. Bei "riesigen Projekten“ müsse man den Anforderungen aus den Abteilungen die Möglichkeiten der IT entgegensetzen. Ziel aller Operationen ist der Einsatz passender IT-Lösungen bei der Neugestaltung von Lieferketten. Dies verlangt eine reibungslose Zusammenarbeit zwischen den Experten aus der Datenverarbeitung sowie den Mitarbeitern aus dem Transport- und dem Warehouse-Management.
Das Ceva-Logistics-eigene Reifenlogistikzentrum im hessischen Otzberg schlägt täglich mit 114 Mitarbeitern mehr als 50 000 Reifen für Deutschland, Dänemark und die Benelux-Staaten um. In der Lagerhalle - acht Mal so groß wie ein Fußballfeld - herrscht Ordnung, denn es müssen Kundenwünsche schnell und pünktlich erfüllt werden, und Betriebswirtschaftler sollen ohne Sorgen auf die Quartalszahlen gucken können. Die Qualität des Geschäftsprozesses liegt in einer End-to-End-Lösung. Müller-Wünsch fragt sich, wie lange es dauern darf, dass Rechnungen ausgedruckt werden, wie gut das interne E-Mail-System ist oder wo es noch Lücken gibt.
Müller-Wünsch geht es um ein Portfolio-Management, das die Nachhaltigkeit des Logistikunternehmens stärkt. Wenn der IT-Director sich auf diesem Feld engagiert, übernimmt er letztlich eine Aufgabe, die ihm selbst zugute kommt: Gut informierte Kunden sind schließlich potenzielle Mitarbeiter.
Privatleben bleibt auf der Strecke
Nur zwei Jahre ist es her, da kam IT-Mann Michael Müller-Wünsch vom Spielzeugvertreiber Mytoys aus Berlin zu TNT Logistics nach Frankfurt. Die Erfahrungen aus dem kundenorientierten Modell wollte Müller- Wünsch in einen großen Konzern einbringen mit dem Ergebnis, dass zunächst seine persönliche Work-Life- Balance aus dem Ruder lief. Mit dem Lebensmittelpunkt in Berlin und dem "Arbeiten im virtuellen Netz“ sei es schwer, noch Zeit für das Privatleben zu finden.
Der bekennende Workaholic stellte sich der Aufgabe, drei IT-Organisationen in einen Servicebereich zu verwandeln. Was sich so leicht in einen Satz pressen lässt, verbirgt die Arbeit von anderthalb Jahren. Müller-Wünsch, verantwortlich für Zentral- und Osteuropa, musste neu strukturieren. Die Logistiksparte von TNT wurde seinerzeit vom holländischen Konzernchef Peter Bakker in Teile zerlegt. Daraufhin kommunizierten die Bereiche nicht mehr miteinander - die Übersicht ging verloren.
Die drei Organisationen - "Überbleibsel früherer Aktivitäten von TNT Logistics“ - sind mittlerweile in eine Zentraleinheit zusammengeführt. Müller-Wünsch möchte mit seinen Kunden "auf Augenhöhe“ diskutieren. Deshalb reist er als eine Art Prediger so viel und sucht den Kontakt auch in kleinen bayerischen oder norddeutschen Provinzabteilungen. Dort will er vermitteln: IT ist greifbar, und IT passt in das Geschäftsmodell. Dazu muss er die Projekte begreifen, um ein effizientes Ineinandergreifen von Warehousing, Lagerung, Logistik und Verkaufsstätten zu garantieren.
Top-down-Modell von der Stange
Der IT-Chef ging also auf die Suche nach einer Applikation, die eine Übersicht über alle Anwendungen, Portfolios und Planungen liefern könnte. Es sollte ein Topdown-Modell sein, schon "von der Stange“, damit es nicht zu teuer würde, deren Module aber jederzeit Einsicht in die Kosten bieten, die Leistungen des Personals und der Portfolios abrufbereit sind und übersichtlich dargestellt wird, welche Projekte laufen.
Müller-Wünsch kann heute in sein IT-System starre Rechengrößen eingeben, die für spezielle Projekte dann automatisiert werden. Der IT-Manager kann so bei einer internen Anfrage schnell die Kosten aufstellen, und der Anfrager kann überprüfen, ob er das Budget zur Verfügung hat. Dann wird entschieden, ob das Projekt hintangestellt oder sofort realisiert wird. Während der Projektlaufzeit sind autorisierte Personen berechtigt, die Tabellen einzusehen, ob das Projekt finanziell aus dem Ruder läuft, und vor allem wo.
Denn die Aufgaben der Logistikkonzerne sind komplex. Wie fast alle Logistikkonzerne bietet Ceva Komplettlösungen für Lieferketten an, also für Lagerung, Versand, Bestands-Management, Auftragsbearbeitung, finanzielle Abwicklung und E-Commerce. Das Unternehmen übernimmt die Supply Chain für die Verwaltung der Warenflüsse wie für Informationsströme. Müller-Wünsch muss so verschiedenste Kundenwünsche erfüllen. Sein Konzept scheint zu funktionieren: Drei weitere von insgesamt zehn Regionen haben sich schon seiner Service-Einheit angeschlossen.