Glaubt man den Auguren der ITSM-Branche, sind die Zeiten schwerfälliger Lösungen, die monatelange Implementierungsprozesse erforderten und sich lange nicht rechneten, endgültig vorbei. Laut Jeffrey Hammond, Analyst der Marktforschungsinstituts Forrester Research, ist Open Source in den Unternehmen inzwischen fest etabliert. Sämtliche Erhebungen dieses Jahres zu unterschiedlichen Einsatzgebieten quelloffener Software hätten ergeben, dass fast 70 Prozent der Unternehmen Linux als Betriebssystem nutzen. 65 Prozent setzen Open-Source-Datenbanken ein, und rund 60 Prozent verwenden GPL-basierende Programmiersprachen.
Administratoren haben gutes Linux-Wissen
Carlo Velten, Beobachter der Open-Source-Szene bei der Experton Group, schätzt, dass gegenwärtig rund zwölf Prozent der deutschen Unternehmen Open-Source-basierende IT-System-Management-Lösungen verwenden. Laut Velten handelt es sich dabei vornehmlich um kleine und mittelständische Firmen, deren Administratoren sich schon viel Linux-Know-how angeeignet haben. Velten weiter: "Mehr als zwei Drittel dieser Unternehmen nutzen darüber hinaus auch freie Tools für das IT-Service-Management wie zum Beispiel hInventory, i-doit, Nagios oder Request Tracker und bauen entsprechende Lösungen, mit denen sie schrittweise in immer komplexere ITSM-Systeme hineinwachsen."
Deutschland hat Defizite im IT-Service-Management
Es gibt aber auch eine Kehrseite der Medaille: Laut einer jüngst aktualisierten Studie des IT-Service-Management-Forums (itSMF) haben hierzulande mehr als 30.000 Unternehmen mit über 100 PC-Arbeitsplätzen noch keine entsprechende Lösung für ITSM. "Abhilfe kann hier nur ein Ansatz leisten, der aufwendige und überfrachtete Frameworks umgeht und stattdessen eine Plattform bietet, auf der vorhandene Einzelprodukte zu einem sinnvollen Ganzen integrierbar sind", gibt Joachim Winkler, Chef der auf adaptive Netzlösungen spezialisierten Synetics GmbH aus Düsseldorf, die Richtung vor.
Bekannte ITSM-Tools: Nagios, Request Tracker und hInventory
So sind im Open Source-Lager viele gute Werkzeuge für IT-Service-Management verfügbar. Hierzu gehören etwa Nagios (Netz-Management), Request Tracker (Ticketing) oder h-Inventory (Inventarisierung). Diese kommen aber wegen ihrer Spezialisierung bisher nur in spezifischen ITSM-Teilbereichen zum Einsatz. Das soll sich jetzt ändern. Als Organisator und Trainer solcher flexibler Einheiten hat sich in den letzten Monaten die Firma Synetics positioniert, die selbst ein ITSM-Tool, das freie Werkzeug für IT-Dokumentation i-doit, zur Verfügung stellt
ITSM-Einstieg mit Configuration-Management-Datenbank i-doit
Mit rund 80 größeren Installationen und über 10.000 Downloads hat sich i-doit inzwischen als quelloffenes ITSM-Werkzeug etabliert. Derzeit wird i-doit, technisch gesehen eine dynamische Configuration-Management-Datenbank (CMDB) mit Schnittstellen für die Integration von Daten aus anderen ITSM-Tools, systematisch erweitert. So soll sich das Werkzeug immer mehr zur Plattform für ein offenes, modulares "Smart-ITSM"-Framework entwickeln. Anwender erhalten damit die Möglichkeit, schrittweise, nämlich budget- und projektbezogen, in immer komplexere ITSM-Lösungen einzusteigen.
Systemhäuser forcieren ihr Engagement in Sachen IT-Dokumentation
Unterstützung bei seiner Smart-ITSM-Initiative erhält Synetics von Systemhäusern wie der auf Open Source spezialisierten Netways GmbH aus Nürnberg. Netways-Geschäftsführer Julian Hein dazu: "Wenn wir auf Unternehmen stoßen, die noch keine Dokumentationslösung haben oder eine Fachabteilung ein entsprechendes Werkzeug für ein Teilprojekt braucht, ist i-doit unsere bevorzugte Lösung.
Aber auch als Ablösung von kommerziellen Anwendungen sehe ich bei dem Synetics-Tool viel Potenzial." Den von Synetics getriebenen Ansatz, über die CMDB von i-doit Daten aus anderen ITSM-Tools zu bündeln, unterstützt der Nürnberger Open-Source-Experte. Hein sieht die i-doit-Datenklammer vor allem im Backend-Bereich, wo sich für den Administrator eine Umgebung bauen lässt, die ihm Störungen sowie deren Ursachen und ihre Beseitigungsmöglichkeiten aufzeigt: "Mit i-doit wird es möglich, im System-Management vernünftiges Reporting zu machen."
Stadt Teterow setzt IT- und Inventar-Dokumentation ein
Einer der vielen kleineren Anwender von i-doit ist die Stadt Teterow in Mecklenburg-Vorpommern. Deren IT-Verantwortlicher Benjamin Brocks verwendet das Tool seit Mitte 2008 für die komplette IT- und Inventar-Dokumentation: "Das Werkzeug ist exakt für diese Anwendung zugeschnitten. Es bietet gute Import- und Reporting-Funktionen. Diese sind zwar am Anfang etwas spröde, bieten nach der Einarbeitung aber genau das, was wir brauchen: klein und preisgünstig einsteigen und bei Bedarf wachsen.
Damit können wir jetzt beispielsweise Versicherungslisten mit dem Bestand in i-doit abgleichen und wenn nötig aktualisieren oder Pflege- und Wartungsarbeiten an der IT planen und ausführen." Derzeit sind rund 2000 Hard- und Softwareobjekte im System und damit 70 Prozent des IT- und Stadverwaltungs-Inventars dokumentiert.
Sappi managt Server- und Netzgeräte mit ITMS-Tool
Ein großer Open-Source-Anwender, bei dem integrative IT den Dreh- und Angelpunkt aller Systeme darstellt, ist die Sappi International SA mit Hauptsitz in Brüssel. Sappi, weltweit größter Anbieter von Papier- und Zellstoffprodukten und mit 16.400 Mitarbeitern international an 100 Standorten tätig, arbeitet schon seit über zehn Jahren mit Open-Source-Tools.
Gerald Platzer zufolge, Infrastruktur Manager Europa bei der Sappi Papier Holding GmbH in Gratkorn, Österreich, ist i-doit bei Sappi seit acht Monaten produktiv. Mit dem Werkzeug dokumentiert die IT derzeit rund 2600 Objekte. Hierzu verwaltet die CMDB des Tools Server und Netzgeräte wie Switches oder Router, aber auch Klimaanlagen oder unterbrechungsfreie Stromversorgungen.
Bis Jahresende, so Platzer, "werden wir mit i-doit bis zu 5000 Objekte managen. Einsatzgebiete sind Kapazitätsplanung, vor allem Rackspace-Management oder die Skalierung der Klimaanlagen, sowie USV-Systeme."
Papierproduzent Sappi harmonisiert Open-Source-Tools mit i-doit
Weitere bei Sappi verwendete freie Tools für ITSM sind neben Nagios das Netzverwaltungswerkzeug NeDi, Cacti für Performance-Monitoring und Ntop für Netzauslastung. Um aus diesen einzelnen Systemen gelieferte Daten in eine Gesamtsicht zu transformieren, arbeitet Sappi mit dem i-doit Anbieter Synetics zusammen. Ziel ist jeweils ein aktueller, konsistenter Informationsstand.
Damit lassen sich je nach Anwendungsbedarf (und unabhängig von den Funktionen proprietärer Systeme) individuelle Auswertungen oder Management-Funktionen aufsetzen. Dazu Platzer: "Ein solcher Abgleich ist von uns angestrebt, und i-doit soll durchaus die zentrale Rolle dabei spielen.
Unser Design sieht beispielsweise vor, dass Konfigurationen, die durch NeDi entdeckt werden, mit der vorhandenen Dokumentation unter i-doit abgeglichen werden. Damit haben wir einen aktuellen Vergleich von Ist- und Soll-Situation und können bei nicht gewollten Abweichungen einschreiten."
Open-Source-Tool mit Usabiltiy-Schwächen
Michael Brandstaetter, Network Infrastructure Engineer im Platzer-Team, lobt das Werkzeug: "Wir erhalten Audit-Informationen auf Knopfdruck und können unser Kapazitäts-Management ohne Einzelinventur fahren", spart aber auch nicht mit Kritik: "Die Usability ist noch verbesserungswürdig. Wir brauchen zu viele Klicks, um zu den Daten zu kommen, das könnte effizienter und besser programmiert werden.
Abgesehen von der Rechteverwaltung wünschen wir uns noch eine Funktion für Massen-Updates, weil wir dies bis dato umständlich mit Stored Procedures, also direkt über die Datenbank, auslösen müssen." Auch bleibt Brandstaetter kein Fehler verborgen, der dem Synetics-Qualitätsprozess bei Updates unterlaufen ist. Aber auch das ist eben Open Source: "Wir reizen das Produkt fast zu 100 Prozent aus, gehen bei jeder Lösung gerne ans Limit - und erwarten von den Anbietern, dass sie mitziehen."