Fachtagung MEMO

IT-Modernisierung - Zwang macht schneller

13.06.2012 von Johannes Klostermeier
Mit Vernetzung und Prozessen wollen sich Verwaltungen modernisieren. Die Fachtagung MEMO 2012 am 25. und 26. Juni will Lösungen zeigen, wie Professor Jörg Becker im Interview erläutert.

Jörg Becker, Professor für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Akademischer Direktor des European Research Center for Information Systems (ERCIS), leitet die Fachtagung MEMO (Methoden und Werkzeuge zur Verwaltungsmodernisierung) am 25. und 26. Juni in Münster. Was den Wissenschaftler derzeit umtreibt und welches die wichtigsten Themen der Tagung sind, berichtet er im CIO.de-Interview.

CIO.de: Was ist Ihr Spezialgebiet?

Jörg Becker, Professor für Wirtschaftsinformatik und Informationsmanagement an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Akademischer Direktor des ERCIS.
Foto: Uni Münster

Professor Jörg Becker: Im European Research Center for Information Systems, kurz ERCIS, arbeiten wir schon seit vielen Jahren zu dem Themengebiet E-Government. Wir betrachten es vor allem aus der Prozessperspektive und machen uns primär Gedanken darüber, wie die internen Abläufe in der öffentlichen Verwaltung verbessert werden können. Wir überlegen, welche Möglichkeiten der Standardisierung und der Effizienzgewinne es bei der Ablaufgestaltung geben kann.

CIO.de: Sie sind auch Leiter der Tagung MEMO. Wie kam es dazu?

Becker: Unsere Aktivitäten im Bereich E-Government haben dazu geführt, dass wir 2006 zum ersten Mal die Tagung MEMO, Methoden und Werkzeuge zur Verwaltungsmodernisierung, durchgeführt haben. Das ist eine Tagung für Fach- und Führungskräfte der öffentlichen Verwaltung vor allem auf Kommunal-, aber auch auf Landes- und Bundesebene, die seitdem jährlich stattfindet.

CIO.de: Eines Ihrer Lieblingsthemen ist die Verwaltungsmodernisierung auf Prozessebene. Worum geht es dabei genau?

Becker: Die Schere zwischen dem Geld, das den öffentlichen Verwaltungen zur Verfügung steht, und dem, was sie an Aufgaben zu erfüllen haben, geht immer weiter auseinander. Kurz gesagt: Das Geld wird immer knapper, die Aufgaben nehmen immer mehr zu. Die Verwaltungen sind deswegen von sich aus daran interessiert, ihre Prozessabläufe möglichst effizient zu gestalten, damit man mit dem vorhandenen Personal überhaupt noch alle Aufgaben erledigen kann.

CIO.de: Der Treiber ist hier das fehlende Geld?

Becker: Wenn der Zwang von außen besonders groß ist, entwickeln sich die Dinge tatsächlich schneller. Die Mittelknappheit ist ein Impuls dazu.

CIO.de: Sie möchten nun auch noch den Gedankenaustausch von Verwaltungsmitarbeitern über Prozesse vorantreiben. Wozu?

Eine Plattform für den Austausch des Wissens schaffen

Auf der MEMO können sich Verwaltungsmitarbeiter austauschen. Das geht bald auch online auf der Plattform "Picture Improve".
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Becker: "Der Fortschritt lebt vom Austausch des Wissens", sagte Albert Einstein. Im öffentlichen Bereich sind viele Dinge durch Gesetze, Vorschriften und Erlasse reglementiert. Das heißt, es ist besonders hilfreich, wenn sich die Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung über ihre Prozesse, über die Ausgestaltung der Ablauforganisationen und über Erfahrungen, die sie mit der Einführung neuer Informationssysteme gemacht haben, austauschen können. Auch können sie sich über Best-Practice-Modelle unterhalten.

Dazu ist es hilfreich, wenn man ihnen eine Plattform anbietet, die eine Art geschlossener Zirkel für die Verwaltung ist. Personen aus der öffentlichen Verwaltung tauschen sich gerne untereinander aus. Deshalb machen wir uns Gedanken darüber, wie solch eine Plattform aussehen muss.

CIO.de: Sie wollen den Austausch fördern, und Sie wollen auch Standards festlegen. Ist das überhaupt möglich bei dem föderalen Durcheinander in Deutschland?

Becker: Die Hoheit darüber, wie Abläufe durchzuführen sind, liegt bei den öffentlichen Verwaltungen. Insofern hilft eine Plattform, die den Wissensaustausch unterstützt, sehr dabei, über Best-Practice-Modelle zu kommunizieren. Es wird zu einer gewissen Angleichung von Prozessen führen, indem die Abläufe, die sich als besonders gut herausgestellt haben, ein breites Anwendungsfeld erfahren.

CIO.de: Warum gab es bisher so etwas wie Ihre Plattform noch nicht?

Becker: Tja, einer ist immer der erste, der sich eines solchen Themas annimmt. Zum Thema Prozessgestaltung und -verbesserung gibt es ja schon eine ganze Reihe von Ansätzen. Dass das jetzt verknüpft wird mit einer Plattform zum Austausch, ist nur die logische Konsequenz daraus.

CIO.de: Es gab 2011 eine Studie zum Reifegrad des Prozessmanagements, worum ging es da?

Becker: Die Studie Progress 2011 hat sehr deutlich gemacht, dass viele Verwaltungen auf dem Weg sind, sich um die interne Prozessgestaltung zu kümmern. Das Problem haben alle erkannt, aber es kümmern sich noch nicht alle intensiv darum. In 2012 haben wir die Studie noch nicht fortgeschrieben, wollen den Verwaltungen etwas Zeit geben.

Einige Kommunen kamen auf uns zu und baten um Details und Hinweise, die erst einmal umgesetzt werden müssen. Wir werden die Entwicklung in den kommenden Jahren aber weiter beobachten, dokumentieren und publizieren.

"Was digital hereinkommt, muss auch digital weiterverarbeitet werden"

Noch gibt es zu viele Medienbrüche, das führt zu einer Verlangsamung der Prozesse.
Foto:

Die Befassung mit Prozessen und die Integration der Schnittstelle nach außen etwa in Bürgerportalen mit den internen Abläufen ist noch nicht überall vorhanden. Ein Beispiel: Es kommt etwas über das Portal zur Verwaltung, dort wird es ausgedruckt und weiter verarbeitet. Da ist ein deutlicher Medienbruch, und das bedeutet eine Verlangsamung der Prozesse. Was digital hereinkommt, muss auch digital weiterverarbeitet werden. Das ist schneller und weniger fehlerbehaftet.

CIO.de: Braucht man dafür nicht auch spezielle Menschen in der Verwaltung?

Becker: Die Verwaltung insgesamt ist besser als ihr Ruf in der öffentlichen Wahrnehmung. Es gibt zwar immer Personen mit einem gewissen Beharrungsvermögen, die Neuerungen verhalten gegenüberstehen. Überwiegend gibt es aber eine große Aufgeschlossenheit. Und immer wenn sich Mitarbeiter mit Verbesserungsvorschlägen einbringen können, gibt es sehr gute Ergebnisse. Man muss die Mitarbeiter aber in den Veränderungsprozess mit einbeziehen.

CIO.de: Wie ist der Stand in Deutschland verglichen mit dem Rest der Welt?

Becker: Auch im internationalen Vergleich ist der Strukturierungsgrad und der Verlässlichkeitsgrad von Abläufen in der öffentlichen Verwaltung in Deutschland sehr hoch. Das ist auch weltweit anerkannt. Was die Effizienz der Prozesse angeht, können wir sehen, dass überall große Anstrengungen unternommen werden, um zu Verbesserungen zu kommen. Wir haben einen guten Stand, den müssen wir aber auch halten, weil sich die Verwaltungen in allen Ländern, in Europa, den USA und Asien, ähnliches vorgenommen haben.

CIO.de: Inwieweit wird die Verwaltung akademisiert? Gibt es da eine enge Zusammenarbeit mit den Unis?

Becker: Die Kooperation ist sehr gut und offen. Universitäten sind ja auch ein Teil des öffentlichen Lebens. Wohl deswegen ist die Zusammenarbeit mit uns oft einfacher und unkomplizierter als mit klassischen Beratungsgesellschaften. Auch hier öffnet sich die öffentliche Verwaltung. In unseren Projekten haben wir überhaupt keine Ressentiments feststellen können. Und diese Offenheit befördert die Durchsetzbarkeit der Ergebnisse.

CIO.de. Was sind die nächsten Ziele?

Becker: Ich bin ein sehr ungeduldiger Mensch und wünsche mir deswegen, dass vieles schneller geht. Es ist aber gut zu beobachten, dass es voran geht, und das motiviert mich sehr, auf diesem Weg weiterzumachen. Wenn der Austausch, zum Beispiel über unsere Plattform, die wir Picture Improve getauft haben, weiter eine große Verbreitung findet, so dass man mit den großen Aufgaben der öffentlichen Veraltung besser zurechtkommt, dann würde mich das sehr freuen.

Durchgängige, fehlerfreie, effiziente und schnelle Prozesse schaffen

CIO.de Was werden die Höhepunkte der MEMO-Tagung sein?

Der CIO der Stadt Köln, Andreas Engel, spricht auf der MEMO.
Foto: Engel

Becker: Wir haben es auch dieses Jahr wieder geschafft, eine Reihe interessanter Redner zu gewinnen. Die Themenschwerpunkte sind die Verwaltungskooperation, der Austausch verwaltungsübergreifender Prozesse und das Thema Dokumentenmanagement sowie Prozesse zur effektiven Verwaltungssteuerung.

Es referieren unter anderem Heike Raab, Staatssekretärin im Ministerium des Innern, für Sport und Infrastruktur in Rheinland-Pfalz, Franz-Reinhard Habbel, der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Hermann Hill von der Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften, der Kollege Andreas Engel vom KDN - Dachverband Kommunaler IT-Dienstleisterund ebenfalls Stadtverwaltungsdirektor der Stadt Köln sowie die Kollegin Maria Wimmer, Professorin für Verwaltungsinformatik der Universität Koblenz-Landau.

Es gibt auch noch andere Themen: So stellen die jeweiligen Projektleiter aus dem Bundesministerium des Innern den aktuellen Stand der Einführung und Verbreitung des neue Personalausweises vor, auch die nationale Prozessbibliothek, ein Projekt, welches die deutschlandweite Sammlung von Prozessen, die in der öffentlichen Verwaltung bereits modelliert wurden, vorantreibt, die dann allgemein zur Verfügung gestellt werden, wird Thema sein. Die Anmeldeliste zeigt, dass wir in diesem Jahr wieder einen neuen Rekord an Teilnehmern verzeichnen werden.

CIO.de: Wie ist Ihr Fazit?

Becker: Die Gestaltung von durchgängigen, fehlerfreien, effizienten und schnellen Prozessen ist ein Thema, das wir seit vielen Jahren von der Wissenschaft aus betrachten, das aber zunehmend auch Eingang findet in die öffentliche Verwaltung. Die MEMO trägt dazu bei, das Thema voranzutreiben und das Bild der Verwaltung in der Öffentlichkeit, wo sie oft als „antiquiert" gilt, zurechtzurücken. So kommt es zu einem guten Miteinander der Verwaltung und denjenigen, die die Dienste wahrnehmen.

"Es passiert derzeit ungemein viel in der Verwaltung"

Auch um aktuelle Trends wie Social Media geht es auf der MEMO 2012.
Foto: venimo - Fotolia.com

Es passiert derzeit ungemein viel in der Verwaltung und in der Diskussion mit den Hochschulen und der öffentlichen Verwaltungen untereinander. Dieses Thema hat wirklich an Fahrt aufgenommen, wir werden hier gute Ergebnisse erzielen.

CIO.de. Sprechen Sie dort auch über aktuelle Themen wie etwa Social Media und Open Data?

Becker: Auf mehreren MEMO-Tagungen der Vergangenheit war das bereits Thema, und auch in mehreren Vorträgen auf der MEMO 2012 wird das der Fall sein. Wir versuchen immer, aktuelle Themen mit kontroversen Vorträgen aufzugreifen.

Zum selben Thema gab es bei CIO.de bereits den Artikel "Das Vergaberecht behindert IT-Dienstleister", ein Interview mit Andreas Engel, Stadtverwaltungsdirektor der Stadt Köln.

Zum siebten Mal veranstaltet die Universität Münster am 25. und 26. Juni 2012 in Zusammenarbeit mit dem European Research Center for Information Systems, dem Deutschen Landkreistag und dem Deutschen Städte- und Gemeindebund die Fachtagung MEMO. Programminformationen und Online-Anmeldung unter: www.memo-tagung.de.

Themenschwerpunkte der MEMO 2012 sind:
Verwaltungskooperation – Effizienz durch verwaltungsübergreifende Prozesse
Dokumentenmanagement – Prozesse mit der elektronischen Akte
Informationsmanagement – Prozesse zur effizienten Verwaltungssteuerung

Dieser Artikel basiert auf einem Beitrag der CW-Schwesterpublikation CIO.