Um im mobilen Web erfolgreich zu sein, müssen die Grenzen traditionell voneinander unabhängig arbeitender Disziplinen in der IT überwunden werden. In der Vergangenheit waren die Kreativ-Abteilungen als Teil der Marketingabteilung für die Online-Aktivitäten verantwortlich. Die Unternehmens-IT verantwortete die Geschäftsprozesse und die Dateninfrastruktur. Schnittstellen mussten erst mit zunehmender Anbindung geschaffen werden.
Heute erscheint eine isolierte Betrachtung von "User Experience" und Backend-Prozessen aus der Unternehmensperspektive überholt. Gleichwohl ergeben sich durch die verschiedenen Ansätze Herausforderungen für die Projektsteuerung: Die visuelle Herangehensweise unterscheidet sich fundamental von der Technologie-orientierten und prozessualen Herangehensweise der Unternehmens-IT.
Multi-Channel-Konzepte als Herausforderung
Durch die mobilen Geräteklassen stellen sich neue Anforderungen an die Produktion und die Multi-Channel-Fähigkeit von Online-Inhalten. Damit diese Aufbereitung für verschiedene Plattformen möglichst wenig Aufwand erzeugt (in der Vergangenheit war erheblicher manueller Entwicklungsaufwand erforderlich), wurden die Funktionen von Entwicklungsumgebungen und Web-Content-Management-Systemen erweitert. Das Ziel: Der Inhalt wird einmal produziert, die Formatierung und Navigation für die verschiedenen Plattformen definiert und dann beim Zugriff dynamisch erzeugt.
Dabei deutet vieles darauf hin, dass HTML5 sich als einer der wesentlichen Standards für Digital-Media-Anwendungen im mobilen Web durchsetzen kann. Als Analogie lässt sich diese Entwicklung mit der Einführung von XML in den späten 1990er Jahren im stationären Web vergleichen.
Die Art und Weise, wie Menschen privat und beruflich mit IT-Technologien umgehen, verändert sich tiefgreifend. Die Bandbreite der so genannten Megatrends, die hier zusammenwirken, reicht von technologischen Trends, wie der Verbreitung von Smartphones oder Tablet-PCs, über gesellschaftliche Trends, wie die Aktivitäten in Social Networks, bis hin zu wirtschaftlichen Trends, wie Mobile Commerce oder Mobile Payment. Mit der Einführung des iPhones und des iPads hat Apple zudem eine neue Ära der User Experience eingeläutet und wichtige Impulse für die Nutzung des mobile Web gegeben.
Unternehmen haben Basis für mobile Dienste geschaffen
Unterteilt man die User Experience, also die Emotionen im Zusammenhang mit dem Besitz sowie der Bedienung von Geräten und Anwendungen in das Zusammenspiel von Technologien im Hintergrund und den Erlebnisfaktor, war die Business-IT bis etwa 2006, fast untertrieben gesagt, sehr technikorientiert. Dementsprechend haben die Unternehmen in die Business-Prozesse, Anwendungen sowie Datenintegration und Auswertung investiert. Die Basis für Apps oder mobile Services mit hoher Datenqualität sind also vorhanden. Die Daten müssen nun noch besser "mobilisiert" werden, um die Potentiale im mobilen Web zu aktivieren.
Smartphones mit Gestensteuerung und die verschiedenen "App-Stores" haben die IT endgültig zum Teil des persönlichen Lebensstils gemacht. Die Grenzen zwischen Lifestyle und beruflicher Nutzung von IT verschwimmen nicht nur bei den Nutzern, sondern auch bei den Geräteklassen.
Mitarbeiter haben neue Erwartungshaltung gegenüber IT
Infolge der Erfahrungen mit Apps im mobilen Web sowie der Interaktion mit Freunden und Bekannten in Social Networks einschließlich Themen wie Online-Gaming verändert sich zwangsläufig auch die Erwartungshaltung, mit der Kunden und Mitarbeiter sich der IT in all ihren Ausprägungen nähern.
Die Benutzbarkeit vieler Websites und vor allem von Unternehmensanwendungen hinkt jedoch den Fähigkeiten der neuen Geräteklassen und den Erwartungen der Anwender oft weit hinterher. Wenn die Unternehmen die neuen technischen Möglichkeiten ausnutzen wollen - und das auf kostensparende Weise - müssen Kreativabteilung, Vertrieb, Marketing und die für die Business-Prozesse verantwortliche IT-Abteilung eng zusammenarbeiten und eine Digital-Media-Strategie für das Unternehmen erarbeiten.
Interessant zu beobachten wird sein, welche Veränderungen sich bei den verschiedenen Anbietertypologien ergeben. Bauen die Interactive-Agenturen mit ihrer Kompetenz in Design- und Web-Themen ihr Portfolio stärker in Richtung Backend-Integration aus, um mehr Aufgaben durchgängiger Projekte übernehmen zu können? Oder erweitern die IT-Beratungsunternehmen ihr Know-how in Sachen Prozesse und Datenintegration um Themen wie User Experience, Design und Oberflächenentwicklung und machen damit den Interactive Agenturen Konkurrenz?
IT muss Kunden in den Mittelpunkt stellen
Klar ist: Den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, ist ein guter Ansatz. Und wer den Kunden versteht, kann viel gewinnen - auch im mobilen Web.
Autor: Hartmut Lüerßen, Partner Lünendonk GmbH