Vor allem in der zweiten Hälfte der Neunziger Jahre mussten die Versicherer zweistellige Zuwachsraten ihrer IT-Budgets verkraften. So stiegen die IT-Ausgaben deutscher Versicherungsunternehmen zwischen 1996 und 2001 um zwölf Prozent jährlich. Seitdem haben die Firmen die Ausgabensteigerungen, auch durch die überstandene Jahr-2000-Problematik, in den Griff bekommen. Zwischen 2001 und 2004 haben die Budgets im Schnitt nur noch um zwei Prozent zugelegt. Allerdings haben die immer noch steigenden IT-Budgets nicht zwangsläufig eine verbesserte Produktivität zur Folge.
Seine Ursachen hat das Phänomen zum einen in der mangelnden Ausrichtung der IT-Projekte nach strategischen Geschäftszielen. In der Folge werden Prioritäten falsch gesetzt. Ein Unternehmen investierte beispielsweise eine erhebliche Summe in eine Anwendung für einen Geschäftsbereich, aus dem sich die Firma zurückziehen wird.
Oft wird auch kein Business Case für die Investition erstellt, genauso wenig wie ein Konzept, wie im laufenden Betrieb Kosten durch die Investition eingespart werden können. Nachholbedarf besteht außerdem bei der Governance – sowohl der Geschäftsprozesse als auch der IT. Außerdem fällt es den Versicherern nach wie vor schwer die genauen IT-Kosten zu ermitteln – sowohl auf Ebene des Gesamtunternehmens als auch für einzelne Geschäftsprozesse.
Dies müssen die IT-Entscheider allerdings ändern, wenn sie ihre Ressourcen effektiv managen und sich mit anderen Unternehmen benchmarken möchte. Für Versicherer empfehlen die BCG-Berater zwei Kenngrößen: Zum einen das IT-Kostenverhältnis. Dieser Wert gibt den Anteil des gesamten IT-Budgets in Prozent vom gesamten Prämieneinkommen an. Das IT-Kostenverhältnis dient als Grundlage für die Entscheidung, wie viel die Firmen insgesamt für ihre IT ausgeben wollen.
Ein Performance- und Effektivitätsindikator sind die IT-Stückkosten. Sie geben die IT-Kosten pro Police an. Um ein ganzheitliches Bild der Leistungsfähigkeit der IT zu ermitteln, können zusätzliche Größen wie Systemverfügbarkeit, Erfolg von IT-Projekten hinsichtlich Zeit- und Budgetplanung sowie die Nutzer- und Kundenzufriedenheit gemessen werden.
Bei einem Benchmarking müssen CIOs aber auch zusätzliche Faktoren berücksichtigen. So haben beispielsweise reine Lebensversicherer mit 1,7 Prozent ein niedrigeres IT-Kostenverhältnis als Versicherer mit einem sehr breiten Portfolio. Sie müssen im Schnitt 3,8 Prozent des Prämienvolumens für die IT aufwenden. Die höchsten IT-Ausgaben verzeichneten in der Studie Versicherer, die durch Zukäufe stark gewachsen waren und noch immer mit der Konsolidierung beschäftigt sind. Das geringste IT-Kostenverhältnis erzielte ein Direktversicherer mit einem sehr fokussierten Produktportfolio.
Die Studie ermittelte außerdem auch für die IT eindeutige Skaleneffekte: Je mehr Policen verwaltet werden, desto geringer die IT-Stückkosten. Allerdings konnten nicht alle großen Versicherer die Skaleneffekte ausschöpfen: Sie arbeiteten mit heterogenen IT-Landschaften und dezentralen IT-Organisationen. Dabei können multinational agierende Konzerne zwischen zehn und 20 Prozent der IT-Kosten einsparen, wenn sie Skaleneffekte konsequent ausnutzen.
Die Skaleneffekte spielen auch eine wichtige Rolle für das Outsourcing: Während kleine Unternehmen die IT-Stückkosten durch Outsourcing deutlich reduzieren können, müssen große Versicherer diesen Schritt genau durchrechnen. Zusätzliche Skaleneffekte sind in der Regel kleiner und können durch die Kosten für das Outsourcing überwogen werden.
Basierend auf den Ergebnissen der Studie geben die BCG-Berater den IT-Entscheidern klare Empfehlungen an die Hand:
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Abstimmung zwischen Unternehmens- und Geschäftsstrategie: Auf Basis der Geschäftsstrategie werden die entsprechenden Anforderungen an die IT priorisiert. Daraus entwickeln die CIOs eine langfristige IT-Strategie. Diese langfristige Planung mündet in einen mittelfristigen Plan: Hier werden die anvisierte IT-Architektur sowie der dafür nötige Transformationsprozess festgeschrieben. Schließlich erstellen die IT-Entscheider einen operativen Fahrplan, der konkrete Ziele und definierte Meilensteine enthält. Ergänzt wird diese Planung durch feste Zielvorgaben für die IT-Stückkosten. Der CIO sollte den Erfolg durch IT-Perfomance-Messung, die Verbesserung der Geschäftszahlen und der Produktivität messen.
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Komplexitätsreduzierung: Ausgangspunkt ist das laufende Geschäft samt Prozessen und Produkten. Sie sind die primären Kostentreiber der IT. Zusätzliches Einsparpotenzial beinhaltet die Standardisierung und Vereinfachung von IT-Landschaft und -Organisation. Es sollten so wenig verschiedene Technologien eingesetzt werden, wie es der Geschäftsbetrieb erlaubt.
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Portfolio-Ansatz beim Projektmanagement: Ein zentralisiertes, strikt nutzenorientiertes Projekt-Portfolio hat den Vorteil, dass verschiedene IT-Projekte hinsichtlich einer Kosten-Nutzen-Rechnung miteinander verglichen werden können. Synergien werden besser ausgeschöpft und das Risiko Projekte aufzusetzen, die nicht mit den Unternehmenszielen im Einklang stehen, sinkt. Jedes Projekt sollte hinsichtlich seines Fortschritts und des entstandenen Nutzen überwacht werden. Die Ergebnisse sind Grundlage für weitere Planungen.
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Möglichkeit des Outsourcing evaluieren: Outsourcing kann Kosten sparen. Allerdings sollten Firmen den Schritt genau abwägen. Kritische Aspekte sind beispielsweise Risiken für Unternehmensstrategie, Markenwert und operative Prozesse sowie die Rolle des Anbieters. Auch wenn der Evaluation der Outsourcing-Möglichkeiten kein konkreter Schritt folgt, so hat sie positive Folgen: interne Prozesse und Kostenstrukturen werden transparenter.
Die Benchmarking-Studie der BCG startete 1998 mit Versicherern aus Deutschland und der Schweiz. Bis 2004 weitete die Unternehmensberatung die Befragung auf Australien, Frankreich, die Niederlande, Skandinavien, Großbritannien, Süd-Europa und die USA aus. Insgesamt nahmen mehr als 80 Versicherungsunternehmen an der Benchmarking–Studie teil.