Viele Projekte scheitern weil weder Kunden noch Lieferanten bekannte optimale Verfahren einsetzen. "Das kann der generellen Abwesenheit von kollektiver Professionalität in der IT-Industrie zugeschrieben werden," urteilt die Studie der Royal Academy of Engineering und der British Computer Society mit Blick auf die Situation in Großbritannien.
Deren Bestandsaufnahme fällt katastrophal aus. 2003 kam eine Studie der Universität Oxford zu dem Schluss, dass nur 16 Prozent der untersuchten IT-Projekte als erfolgreich einzustufen seien. Eine ähnlich gelagerte Untersuchung attestierte nur drei von 500 Projekten, die Erfolgskriterien zu erfüllen. Im Gegensatz dazu stehen Zahlen der amerikanischen Standish Group. Sie schätzt die Erfolgsrate bei Projekten in den USA auf 34 Prozent. 1995 lag die Rate noch bei ebenfalls 16 Prozent. Die Kosten der Fehlschläge werden für die USA mit 150 Milliarden Dollar pro Jahr beziffert. In der EU bewegt sich der Schaden mit 140 Milliarden jährlich in der gleichen Größenordnung.
Misserfolge im öffentlichen und privaten Bereich, davon gehen die Autoren aus, halten sich die Waage. Projekte der öffentlichen Hand, wie hierzulande Toll Collect oder das Portal der Bundesagentur für Arbeit, geraten nur eher in den Fokus der Medien.
Als Gründe für das häufige Scheitern benennt die Studie überzogene Erwartungen an die Möglichkeiten der IT. Da dem leitenden Management vielfach Erfahrungen in IT-Projekten fehlen, werden häufig unrealistische Ansprüche formuliert. Zudem wird Software für hochflexibel gehalten, ohne abschätzen zu können, welche Konsequenzen häufige Forderungen nach Änderungen mit sich bringen. Technische Neuerungen werden die Komplexität der Lösungen weiter erhöhen und zusätzliche Probleme bereiten.
Zu den Empfehlungen, die Misere zu beheben, gehört daher die Forderung, Management-Schulen sollten verstärkt IT-Kenntnisse vermitteln. Zudem müssten die Angebote sich vermehrt um die Anforderungen des Projektmanagements bemühen. Ein deutliche Vernachlässigung konstatiert die Studie auch im Bereich des Risiko-Managements. Im Vorhinein Gefährdungen für den Fortschritt eines Projekts zu erwägen und mögliche Lösungen aufzuzeigen, soll Teil der Corporate Governance werden. Schließlich muss sich die IT-Industrie am Vorgehen der traditionellen Ingenieurswissenschaften orientieren, um die Professionalisierung der Branche zu erreichen.
Das Beispiel des Software Engineering Institute an der Carnegie Mellon Universität in den USA empfiehlt die Studie als Beispiel für eine ähnliche Institution in Großbritannien. Ihm fiele die Aufgabe zu, den Technologietransfer zwischen Forschung und Anwendung zu verbessern und optimale Verfahren zu propagieren. Gestützt auf das Institut soll sich ein Forschungsprogramm mit den wachsenden Herausforderungen komplexer IT-Systeme befassen.
Für die Studie wurden 70 Unternehmenschefs, Manager, Projektleiter und Entwickler aus dem privaten und öffentlichen Sektor, sowie Akademiker befragt.
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