In Anbetracht der Wirtschaftslage berichten uns viele Unternehmen, dass zurzeit die einzigen drastischen Veränderungen bei den IT-Services die Preissenkungen betreffen. Allerdings stehen IT-Services nach Jahren träger Entwicklung vor dramatischen Veränderungen. Die Gründe dafür und wie man sich darauf einstellen kann.
Veränderung der weltweiten Bevölkerungszahlen
Die geburtenstarken Jahrgänge bereiten sich erstaunlich schnell auf das Ausscheiden aus dem Berufsleben vor. Allein in den USA erreichen 76 Millionen von ihnen in den nächsten zehn Jahren das Rentenalter. 30 bis 40 Prozent der IT-Mitarbeiter US-amerikanischer Behörden werden dann in den Ruhestand gehen.
Bedauerlich jedoch für uns ist, dass nur 48 Millionen Menschen an ihrer Stelle in das Arbeitsleben eintreten. Die USA verlieren damit nahezu ein Drittel ihrer Arbeitskräfte. So gewinnt die Beschaffung von Arbeit in anderen Teilen der Welt immer weiter an Bedeutung.
Andere entwickelte Länder stehen vor der gleichen Herausforderung – das Durchschnittsalter in Wirtschaftsnationen wie Großbritannien, Deutschland und Japan liegt bei 40 bis 45 Jahren.
Dagegen sieht es in Ländern wie z. B. den Philippinen, ganz anders aus, denn da liegt das Durchschnittsalter gerade einmal bei 22,3 Jahren. Oder Indien mit 516,4 Millionen Arbeitskräften, wo die Hälfte der Bevölkerung jünger als 27 Jahre alt ist.
Beide Regionen sind zwar für die Zukunft von Services und Sourcing wichtig. Aber in nächster Zukunft geht es vor allem darum, erfahrene Experten in diesen Regionen zu finden. Dabei sind das nur zwei der Länder, die am häufigsten genannt werden, wenn es um Offshoring und Global Delivery geht.
Die veränderte Altersstruktur ist die Ursache für die anhaltende Nachfrage nach einer Globalisierung des Arbeitskräftepools, und zwar trotz gegenteiliger, kurzfristig orientierter politischer Äußerungen. Das führt zu Veränderungen hinsichtlich der Art und Weise, wie IT geliefert wird, sowie zu neuen Investitionen in Produktivitätstechnologien und -services.
Neue Delivery-Modelle
Die Grenzen zwischen Produkt und Dienstleistung verwischen – Software-as-a-Service (SaaS), Solution Accelerators (vorgefertigter Code, mit dem Systemintegratoren Klientenprojekte ankurbeln) und Cloud Services sind Beispiele hierfür.
Während diese Hybridlösungen oftmals als kurzfristig weniger kostspielig angepriesen werden, verlangen die Abnehmer auch aus längerfristig orientierten strategischen Gründen danach: Mehr Transparenz in der Kostenstruktur ihrer IT-Lieferung und weniger Abhängigkeit von zweckgebundenen Sachwerten sind dabei zwei zentrale Vorteile auf lange Sicht.
SaaS
Ein Utility-Unternehmen berichtete Forrester, dass zwar der Kostenaspekt allein schon die Einführung von SaaS rechtfertigt, aber die eigentliche Implementierung erst erfolgt, damit die Services schneller den Anwender erreichen, so dass IT zur Verbesserung des Verhältnisses zum Kunden beiträgt.
Solution Accelerators
Doch SaaS ist nur ein Beispiel. Mit Solution Accelerators gelingt es Systemintegratoren heute, ihre Arbeit schneller und effektiver an den Kunden zu liefern. Aber langfristig ändert sich dadurch auch die Aufgabe des Integrators. Da es sich bei einem Solution Accelerator um einen Code handelt, entwickeln sich zahlreiche Services-Firmen de facto zu Software-Lieferanten. Dadurch ändern sich für Kunden die Formulierung der Services-Verträge und die Art der Leistung, die sie von ihren Providern erwarten.
Cloud Services
Cloud Services bewirken noch mehr: nämlich eine Industrialisierung und Gliederung traditioneller IT-Services. Und sie beeinflussen den Einkauf der Kunden bei Outsourcern und anderen Services-Firmen. In Zukunft stellen sich Outsourcing-Verträge vielleicht mehr als eine Ansammlung vorverpackter Cloud Services dar – statt der maßgefertigten Lösungen, die sie heute sind.
Unterschiedliche Erwartungen von Endanwendern
Die demographischen Entwicklungen und neue Technologien führen zu einigen großen Veränderungen. Aber es gibt auch einen anderen kritischen Faktor in Zusammenhang mit dem Endanwender auf dem aktuellen IT-Services-Markt: Technikpopulismus. Technisch versierte Endanwender, die über ihre mobilen Geräte und PCs Zugriff auf zahlreiche Technologien haben, bringen ihre Erwartungen hinsichtlich verbraucherorientierter Technologie mit an den Arbeitsplatz.
Sie nehmen es nicht länger hin, dass IT irgendwelche technischen Normen diktiert; diese Anwender erwarten, dass sie die Möglichkeit haben, die Geräte und Anwendungen ihrer Wahl zu verwenden.
Eine große Hotelkette hat sich beispielsweise dazu entschlossen, das Programm "Bring Your Own PC" zu initiieren. Denn die Kosten für den Versand von PCs zu Remote-Mitarbeitern und die Aussichtslosigkeit, diese Geräte von ehemaligen Arbeitnehmern zurückzufordern, stehen den langfristigen Produktivitätszielen des Unternehmens entgegen.
Der Schritt, den Arbeitnehmern zu gestatten, ihren eigenen PC statt des unternehmenseigenen Standardgeräts zu verwenden, resultiert in einem Wandel der Verträge für Hardware-Unterstützung, Outsourcing-Abkommen und Sicherheitsdienstleistungen in einer Weise, die wir erst nach und nach begreifen.
Wie können Sie sich auf diese Veränderungen einstellen
Bei dem bevorstehenden Services & Sourcing Forum geht Forrester auf Services, Sourcing und Delivery-Strategien ein, mit denen Ihr Unternehmen die Rezession nicht nur übersteht, sondern daraus als führendes Unternehmen hervorgeht. Bis es so weit ist, folgen hier zunächst einige Tipps für CIOs und andere Sourcing-Experten hinsichtlich der Erwägung kurzfristiger Opfer in Bezug auf langfristige Ziele:
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Erkundung neuer Wege für Kauf und Einführung von Software. Kurzfristig hat jeder wegen der Kosten Bedenken - völlig zu Recht. Aber Sourcing-Experten können die Wirtschaftslage nutzen, um Möglichkeiten der Zusammenarbeit mit hungrigen neuen Lieferanten auszuloten. Warum sollte man beispielsweise nicht einen SaaS-Lieferanten mit dem benötigten Funktionsumfang suchen und den Endanwendern gestatten, sich anzumelden, um Software direkt online zu "kaufen"?
Das ist eine Möglichkeit herauszufinden, welchen Wert Endanwender einer Software beimessen, wenn sie sich selbst darum kümmern müssen und sie diese nicht mit der üblichen Konfiguration erhalten. Daraus könnten Sie neue Einblicke in den Kauf und die "Vermarktung" von Software für Ihre Endanwender auf lange Sicht gewinnen.
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Hinzuziehung bestehender Provider. Es ist so verführerisch, der Forderung des CFO oder CEO nach Kostenkürzung um jeden Preis nachzugeben. Wenn das aber auch bedeutet, dass Sie an einen Vertrag gebunden sind, dessen Laufzeit zu lang oder der zu wenig flexibel ist, verlieren Sie langfristig Geld. Fordern Sie stattdessen Ihre Provider auf, Sie bei Ihren Zielen zu unterstützen.
Wie können sie zur Wertschöpfung oder zur Senkung Ihrer Kosten beitragen und welche Gegenleistung erwarten sie? Ein Mitglied unserer Forrester Leadership Boards berichtete mir von einem ganztägigen Treffen mit den Lieferanten, bei dem diese aufgefordert wurden, innerhalb von drei Monaten innovative Vorschläge vorzulegen. Das Ergebnis dieses Treffens waren elf realisierbare Ideen. Als Gegenleistung erwarteten die Provider nur eine angemessene Vergütung und die Möglichkeit, in Zukunft mehr Aufträge zu bekommen.
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Zusammenarbeit mit einer neuen Gruppe "unternehmensorientierter" Lieferanten. Unser Verständnis von Lieferunternehmen ändert sich. Sehen Sie sich nur an, was die großen Lieferanten machen und wie sich das auf die Sourcing-Welt auswirken wird. Schon jetzt stehen IT-Abteilungen unter Druck, iPhones im Unternehmen zu unterstützen.
Mit Google Mail und Google Apps zwingt Google IT-Abteilungen, das Provisioning Model für Basisdienstprogramme wie E-Mail zu überdenken. Und die Liste geht weiter. Mit dem Aufkommen dieser neuen Produkte im Unternehmen sind neue Services- und Support-Herausforderungen verbunden.
Eine Forrester-Klientin berichtete mir, dass sie Apple Macs in eine Unternehmensausschreibung für neue PCs einbeziehen wollte, aber mit der Tatsache zu kämpfen hat, dass Apple nicht in der Lage ist, Enterprise Support zu bieten – ihr Vertriebsmitarbeiter teilte ihr mit, dass ihre 10.000 Arbeitnehmer bei Schwierigkeiten mit ihren Macs in den Apple-Laden gehen könnten!
IT kann neue Lieferanten nicht umgehen, deshalb müssen Sourcing-Abteilungen und CIOs darüber nachdenken, wie sie mit Lieferanten umgehen, die noch nicht ganz "enterprise ready" sind, sich aber in Zukunft zur Unternehmensnorm entwickeln werden.
Christine Ferrusi Ross ist Vice President und Research Director bei Forrester Research, wo sie verantwortlich zeichnet für den Bereich Sourcing & Vendor Management Professionals.
Sie spricht übrigens auch auf dem Forrester’s Services & Sourcing Forum am 22. und 23. Oktober 2009 in London.