Effiziente Checkout-Abwicklung – auch bei erweiterten Funktionen

IT-Studie „Kassensysteme 2006“

05.07.2006
Flexibilität und Ausbaufähigkeit sind für den Handel wichtige Kriterien für die Investitionsentscheidung in neue Kassensysteme. Während viele Handelsunternehmen ihre Checkout-Systeme nur für das Kassieren nutzen, forcieren andere eine Ausweitung der Funktionen um zusätzliche Anwendungen.

Die letzte „Kassenstudie“ des EHI Retail Institute (Köln) liegt neun Jahre zurück. 1997 bewegten den Handel noch andere Fragen im Vergleich zu heute, wie ein Rückblick auf die Ergebnisse jener Studie zu Tage fördert. Die Frage „Datenkasse oder konventionelle Kasse“ zum Beispiel – damals durchaus noch lebhaft diskutiert – stellt sich für die große Mehrheit der Handelsunternehmen heute nicht mehr. Unverändert geblieben ist dagegen der Stellenwert und die strategische Bedeutung der Kassensysteme für den Handel. Sie müssen den hohen Ansprüchen und Erwartungen des Handels Rechnung tragen und gleichzeitig so flexibel sein, dass sie auch den zukünftigen Anforderungen der Anwender genügen.

Die EHI-Studie „Kassensysteme 2006“ ist eine Momentaufnahme der Kassenlandschaft im deutschsprachigen Raum und zeigt zukünftige Trends und Themen auf. Der Untersuchung liegen die Befragungsergebnisse aus 52 Handelsunternehmen aus dem deutschsprachigen Raum (Deutschland - Österreich - Schweiz) zugrunde, die mit 27.700 Filialen einen Umsatz von 118 Mrd. EUR erzielen. Die Erfahrungen mit über 92500 im Einsatz befindlichen Kassensystemen sind dabei in die Befragung eingeflossen.

Anbieterlandschaft

Wincor Nixdorf und IBM sind die Hauptlieferanten für die Kassen-Hardware. Gemeinsam halten die beiden Hersteller einen Anteil von gut 80 Prozent der bei den Teilnehmern der Studie eingesetzten Kassensysteme. Nicht selten sind auch zu Kassen umfunktionierte Standard-PC-Systeme bei den Händlern im Einsatz. Bei der Kassen-Software ist die Anbieterstruktur weitaus heterogener. Mit 17 Prozent der Nennungen sind selbst entwickelte Kassensysteme nach wie vor relativ stark vertreten. Sehr häufig werden vom Handel Standardlösungen eingekauft, die im Laufe der Zeit individuell an die Erfordernisse angepasst werden.

Tastatur oder Touchscreen? Die meisten Kassen im Einzelhandel werden nach wie vor über Tastaturen bedient. Die Antworten auf die Frage, welches Eingabemedium in Zukunft verstärkt zum Einsatz kommen soll, bestätigen jedoch, dass Bildschirmkassen immer beliebter werden. Während heute bei den befragten Unternehmen noch zu 80 Prozent Tastaturen eingesetzt werden, wollen „nur“ 48 Prozent dieses Eingabemedium auch in Zukunft nutzen. Tastaturen haben ihre Domäne nach wie vor im Lebensmitteleinzelhandel, während der Textilhandel heute und auch künftig verstärkt auf Touchscreens als Eingabemedium setzt. Unabhängig von der Branche gilt, dass Touchscreens häufig mit Tastatur als Back-up-Eingabesystem im Einsatz sind.

Hohe Anforderungen

Der Handel stellt hohe Anforderungen an seine Kassensysteme. Die Bedeutung des Kassenplatzes ist für den Händler enorm – nicht nur unter betriebswirtschaftlichem Aspekt, sondern auch unter dem Gesichtspunkt der Kundenzufriedenheit. Kleinste Störungen im Ablauf oder Wartezeiten an der Kasse werden vom Kunden sehr genau wahrgenommen. Daher versuchen die Handelsunternehmen, den Checkout-Prozess für den Kunden so schnell und so einfach wie möglich zu gestalten. Der Aspekt der Kundenzufriedenheit spiegelt sich auch in den Befragungsergebnissen der EHI-Studie wieder. 71 Prozent der Befragten gaben an, dass der Hauptzeck eines Kassenprojektes die Beschleunigung des Kassendurchlaufs ist. Andere, gewichtige Beweggründe sind die Erneuerung von technisch veralteten Komponenten und die Bereitstellung von mehr Funktionalität.

Kassensysteme registrieren nicht nur die Einkaufsbons der Kunden, sondern sie sind für die Händler auch eine wichtige Informationsquelle. Für die Optimierung der Supply Chain liefern Kassensysteme artikelgenaue Abverkaufsdaten, dem Handelsmarketing eröffnen sie Einblicke in das Einkaufsverhalten der Kunden. Bei manchen filialisierten Handelsunternehmen können diese Informationen heute schon in Echtzeit von der Zentrale eingesehen werden. Für andere Unternehmen ist die real- bzw. neartime-Anbindung der Kassen an die zentralen Systeme ein Projekt mit hoher Priorität. Die Infrastruktur ist in den meisten Fällen bereits in Form von DSL-Leitungen vorhanden, was sich günstig auf die Übertragungskosten auswirkt. Denn die Anbindung via DSL verursacht mittlerweile nur noch einen Bruchteil der Kosten, die durch vergleichbare ISDN-Verbindungen entstehen.

Für filialisierte Handelsunternehmen hat die zentrale Datenhaltung der Warenbestände unbestrittene Vorteile. Zum Beispiel ist ein Tagesabschluss bei einer permanenten Anbindung der Filialkasse an die Zentrale nicht mehr erforderlich. Gerade bei längeren Öffnungszeiten ist die Unabhängigkeit von einem Tagesabschluss vorteilhaft, da die Zeitfenster für die Datenübertragung in der Nacht immer kürzer werden.

Flexibel auch mit Standards

Vor dem Hintergrund einer nach wie vor angespannten gesamtwirtschaftlichen Situation treffen die IT-Verantwortlichen des Handels ihre Investitionsentscheidungen vor allem unter Kostengesichtspunkten. Standardschnittstellen, offene Software und plattformunabhängige Programmiersprachen sollen die getätigten Investitionen des Handels über Jahre hinweg absichern. So ist auch der scheinbar unaufhaltsame Siegeszug von Linux-Betriebsystemen zu erklären. Heute setzen bereits knapp 40 Prozent der befragten Unternehmen Linux ganz oder teilweise auf ihren Kassen ein. Die Microsoft-Produkte Windows NT, XP und WePOS kommen zusammen auf einen Anteil von 42 Prozent.

Gefragt, welches Betriebssystem zukünftig auf den Kassen laufen soll, äußerten 52 Prozent der befragten Händler ihre Präferenz für Linux, während 37 Prozent der Händler Betriebssysteme von Microsoft bevorzugen würden. Vor allem Unternehmen mit großen Checkout-Linien machen sich die Kostenvorteile von Linux-Systemen zu Nutzen. Dabei sind sich die Anwender bewusst, dass für den Betrieb von Linux-Kassensystemen ein beträchtliches Know-how erforderlich ist. So besteht die Gefahr, dass der kostspielige Einkauf oder der interne Aufbau des Wissens die Vorteile bei den Investitionskosten wieder kompensieren kann.

Die große Mehrheit der befragten Handelsunternehmen setzt bei der Hardware auf die modulare Bauweise. Veraltete oder defekte Komponenten können so gezielt ersetzt werden, ohne gleich das komplette System austauschen zu müssen. Kassensysteme mit modularer Bauweise arbeiten mit Komponenten eines Herstellers oder mit individuell zusammengestellten Bauteilen. Für den Einsatz einheitlicher Komponenten sprechen der Service aus einer Hand und die geringeren Testressourcen, die für einen reibungslosen Betrieb benötigt werden. Argumente für individuelle Komponenten können die Unabhängigkeit von einem Hersteller oder die höhere Flexibilität bei der Auswahl der Bestandteile sein.

Erweiterte Funktionalitäten

Handelsunternehmen fordern von ihren Kassensystemen Flexibilität und Ausbaufähigkeit, um auch für zukünftige Anforderungen gerüstet zu sein. Beispiele: Cashhandling-Systeme und Kundeninformationsbildschirme sind heute bereits im Einsatz und werden nach Angaben der Studienteilnehmer in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. E-Loading, das Aufladen von Prepaid-Telefonkarten mit Guthaben, und das Kassieren über mobile Endgeräte wie PDA oder MDE sind ebenfalls Anwendungsfelder mit Entwicklungspotenzial.

Die Entscheidung für den Leistungsumfang, den ein Kassensystem abdecken soll, wird durch die strategischen Ausrichtung des Unternehmens bestimmt. Handelsunternehmen mit ausgeprägten Checkout-Linien tendieren dazu, die Kassensysteme auf das „reine Kassieren“ auszurichten und von allen übrigen Funktionen zu befreien. Die Effizienz der Checkout-Abwicklung steht bei dieser Strategie eindeutig im Vordergrund mit dem Ziel, die Durchlaufzeiten an der Kasse zu optimieren. Auf der anderen Seite sind insbesondere kleinere Händler bestrebt, möglichst viele Funktionalitäten auf der Kasse zu halten, um die Kosten für ein Backofficesystem einzusparen. Zusätzliche, über das Kassieren hinausgehende Funktionalitäten wie beispielsweise E-Loading können diesen Unternehmen zusätzliche Wettbewerbsvorteile bringen.

Die Ergebnisse der EHI-Studie bestätigen diese Interessenpolarisierung. Während knapp die Hälfte der Befragten der These zustimmen, dass auf dem Kassensystem der Zukunft viel mehr Applikationen und Funktionen laufen als heute, sind rund 60 Prozent der Ansicht, dass Kassensysteme von Funktionen, die über das Kassieren hinausgehen, befreit werden sollten.

Zukunftserwartungen

Einigkeit herrscht bei knapp zwei Dritteln der Befragten darüber, dass in Zukunft filialübergreifende Funktionen, die auf zentrale Systeme zurückgreifen, online zur Verfügung stehen werden. Immerhin 17 Prozent der Befragten gaben an, bereits an diesem Thema zu arbeiten. Etwa der gleiche Anteil der Studienteilnehmer bestätigte Projekte mit der Zielrichtung, künftig alle Kassen permanent online mit dem Warenwirtschaftssystem zu verbinden.

Und noch eine wichtige Erkenntnis aus der Studie darf nicht unerwähnt bleiben: Self-Checkouts sind zu einem ernstzunehmenden Thema im Handel geworden. Gut ein Drittel der Befragten wollen in Zukunft Self-Checkout-Systeme in den Märkten installieren. Die nächste Revolution in der Kassenzone steht offenbar unmittelbar bevor.

Andreas Voss, MBmedien GmbH