Der Spagat zwischen neuen, innovativen und digitalen Lösungen sowie einem zuverlässigen und effizienten IT-Betrieb ist indes nicht die einzige Herausforderung, der sich CIO im kommenden Jahr stellen müssen. Das Ganze muss vor dem Hintergrund steigender Komplexität auf der Anwendungs- wie auch auf der Infrastrukturseite umgesetzt werden: mehr Applikationen, mehr Server, mehr PCs und Laptops sowie immer mehr unterschiedliche Smartphones und Devices jeder Art - und natürlich ihre Kombination miteinander. Dazu kommt die immer größer werdende Knappheit von IT-Mitarbeitern auf dem Arbeitsmarkt mit den "richtigen" Fähigkeiten, also insbesondere im Demand-Management und Solution Design für vertriebs- und kundenspezifische Lösungen. Dieses sind die Ergebnisse einer aktuellen Studie "IT 2020 - Preparing for the future", im Rahmen derer global mehr als 150 CIOs durch die Unternehmensberatung A.T. Kearney befragt wurden.
Was bedeuten diese langfristigen Entwicklungen für die CIO Agenda 2014? Die Devise muss lauten: "Packen wir es an!" Den CIOs bleibt im Grunde genommen keine Wahl als weiter an den Kernthemen in ihrem Unternehmen zu arbeiten beziehungsweise diese aufsetzen: Digitalisierung des Geschäfts, Vereinfachung der Geschäfts- und IT-Architektur und den Aufbau einer agilen und gleichermaßen kosteneffizienten IT.
Digitalisierung des Unternehmens: mit IT das Geschäftsmodell verändern
Die digitale Revolution ist nicht nur in Sicht, sondern im realen Tagesgeschäft angekommen. Sie ist der neue makroökonomische Treiber und betrifft alle Aspekte des modernen Lebens: Gesellschaft, Ökonomie und - natürlich auch - das Geschäft. Die Indizien für den digitalen Wandel sind allgegenwärtig: Es gibt Verlage, deren Print-Umsätze durch digitale Produkte und Online-Plattformen um mehr als zehn Prozent pro Jahr fallen. Es gibt aber auch traditionelle Energieunternehmen, die Rechnungen weiter nach 90 Tagen stellen, die aber im Vergleich zu ihren bereits digitalisierten Wettbewerbern, die das in nur drei Tagen können, glatt durchfallen. Beispiele, wie die Digitalisierung bestehende Geschäftsmodelle radikal verändert, finden sich zuhauf.
Allerdings sind viele Organisationen nicht vorbereitet, die Potenziale der Digitalisierung zu nutzen: Geschwindigkeit und Vielfalt digitaler Technologien bereiten vielen Unternehmen Schwierigkeiten bei der Identifikation und der Erschließung neuer Potenziale, sowohl auf der Umsatz- wie auch auf der Kostenseite. Ganz abgesehen davon, dass die "typischen" IT-Mitarbeiter nur selten über die Fähigkeit verfügen, digitale Plattformen entwerfen und umsetzen zu können. Dafür sind dann oft "Digital Natives" erforderlich. Sie sind mit digitaler Technologie aufgewachsen und haben Erfahrungen aus erster Hand. Doch die Generation Internet arbeitet aber deutlich lieber für die Googles und Amazons dieser Welt als für das typische deutsche Unternehmen. Hier gilt es für den CIO, neue Wege zu finden um diese Talente für das eigene Unternehmen zu gewinnen oder aber bestehende Mitarbeiter weiterzuentwickeln.
Essentiell dafür, digitale Potenziale erfolgreich zu erschließen, ist in jedem Fall die Kombination aus Geschäfts- und Technologieverständnis: Basierend auf der Kenntnis digitaler Technologien gilt es zu evaluieren, wie diese für das Geschäft nutzbar gemacht werden können. Der CIO ist dabei in der Rolle des Treibers und für die digitale Transformation verantwortlich. Im Einzelnen gilt es für ihn,
• digitale Trends und Technologien mit ihren Vorteilen für das Unternehmen zu identifizieren: Was ist die strategische Ausrichtung des Unternehmens? Was sind die Treiber der Digitalisierung? Was ist der Impact der Treiber auf die Wertschöpfungskette, Fähigkeiten und das Geschäftsmodell?
• eine digitale Vision für das Unternehmen zu entwickeln: Wie soll die digitale Zukunft aussehen? Welches sind die wesentlichen Lücken zur Gegenwart? Was ist das Ambitionsniveau für Fähigkeiten, den Umsetzungszeitraum, Investitionen oder Kostenreduktionen?
• die digitale Wertschöpfungskette und das digitale Geschäftsmodell zu detaillieren: Wie sieht die Service-Blaupause aus? Was sind die erforderlichen Fähigkeiten? Wie müssen Strukturen, Governance, Prozesse und Mitarbeiter gestaltet oder geändert werden?
• digitale Initiativen zu priorisieren und in einer Roadmap umsetzungsreif zusammenzufassen: Wie soll priorisiert werden? Welches sind "die" wertreibenden Initiativen? Wie sieht der übergreifende, digitale Transformationsplan aus? Welche Umsetzungsrisiken existieren?
Digitalisierung bedeutet wertorientierte Transformationen durch Informationstechnologie. Das ist 2014 neben dem IT-Brot- und Buttergeschäft eine wichtige Herausforderung für CIOs aller Industrien, die es zu meistern gilt.
Vereinfachung des Geschäfts- und der IT-Architektur
Daher gilt es für CIOs, diese Komplexität zu reduzieren. Wie alle Themen rund um das Anwendungsportfolio sollte dieses Vorhaben ebenfalls gemeinsam mit den Fachbereichen angegangen werden. Allerdings kann der CIO in Vorleistung gehen, Probleme offen legen, Lösungen skizzieren und diese dann in den Diskussionen mit den Fachbereichen validieren, verabschieden und umsetzen. In der Praxis hat sich ein pragmatischer, dreistufiger Ansatz bewährt:
• Transparenz schaffen: Welches Themen (zum Beispiel Enterprise Resource Planning) beziehungsweise funktionalen Komponenten (etwa Finanzbuchhaltung, Controlling, Materialwirtschaft, Vertrieb) sind durch IT zu unterstützen? Welche Anwendungen werden heute für die Themen beziehungsweise funktionalen Komponenten eingesetzt?
• Den Ist-Zustand im Anwendungsportfolio analysieren und das Soll-Anwendungsportfolio definieren: Welche Anwendungen sind redundant? Welche Anwendungen liefern nur noch minimalen Wert, weil sie zum Beispiel am Ende ihres Lebenszyklus angelangt sind? Wie sieht der Weg nach vorne aus - abschalten, konsolidieren, neue Lösungen einführen?
• Roadmap verabschieden: Tragen die Fachbereiche den "Weg nach vorne" mit? Wo müssen alternative Lösungen gefunden werden, wie sieht ein Konsens zwischen IT und Fachbereichen aus? In Form welcher Projekte kann die Umsetzung angegangen werden?
Eine komplexe Aufgabe: Die Komplexität reduzieren
Komplexitätsreduzierung wird zur aktuellen Mammutaufgabe für CIOs. Wie groß diese Aufgabe tatsächlich ist, zeigen Beispiele aus der Banken- und TK-Welt: Weil Unternehmen der Komplexität aktueller IT-Landschaften nicht mehr Herr werden, wird die "Control-Alt-Delete"-Lösung gewählt: Auf der grünen Wiese werden auf Basis verschlankter Geschäftsprozesse vereinfachte Anwendungslandschaften entworfen und eingeführt. Statt Symptomen zu bekämpfen, wird die Wurzel des Unheils angegangen. Die damit verbundenen, massiven Investitionen werden bewusst in Kauf genommen, weil sie marktseitig schnell durch gesicherte oder erweiterte Marktanteile und damit verbundene Umsätze überkompensiert werden können.
Aufbau einer agilen, kosteneffizienten IT
Bis zum Jahre 2020 wird sich der Fokus der IT-Budgets weiter verschieben, und zwar von Lösungen etwa für das Supply Chain Management (SCM), für administrative Bereiche etwa im Finanz- und Rechnungswesen hin zu kunden-und vertriebsnahen Anwendungen. Laut A.T.Kearney-Studie wandern über alle Industriezweige hinweg künftig 62 Prozent der IT-Budgets in letztgenannte Segmente. Diese Entwicklung rückt Zielewie "Time-to-Market", also die Fähigkeit, schnell neue Lösungen implementieren zu können in ein neues Licht. Über 90 Prozent der Teilnehmer an der Studie sehen diese Zielsetzung als mindestens gleichberechtigt neben der üblichen IT-Kosteneffizienz an. Damit gilt es für CIOs, die Quadratur des Kreises zu bewerkstelligen: auf der einen Seite schnell und beweglich, eben "agil" zu sein, auf der anderen Seite das IT-Betriebsmodell produktiv und kostengünstig aufzustellen.
Agilität ist sehr häufig in der Anwendungsentwicklung von großer Bedeutung. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere Großprojekte, die längerfristig planbar sind und eine gewisse Kritikalität für das Geschäft besitzen, für die agile Entwicklung geeignet sind. Sukzessive Erweiterungen können über sogenannte "Sprints" sehr wirkungsvoll und zeitnah vorgenommen und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden. Aber nicht überall ist es sinnvoll, agile Methoden wie SCRUM einzusetzen. Mittelgroße Projekte und kleinere Erweiterungen lassen sich effektiver zum Beispiel nach dem traditionellen Wasserfallmodell umsetzen. Der CIO ist daher verpflichtet, aus den immer mächtiger und vielfältiger werdenden Methoden und Ansätzen gezielt für den jeweiligen Fall das passende Werkzeug einzusetzen.
In Anwendungswartung und -betrieb und insbesondere auch bei Arbeitsplatzsystemen und Rechenzentren stehen typischerweise Fragen rund um Kosteneffizienz und Sicherstellung eines bestimmten Qualitätsniveaus im Vordergrund. Hier gilt es für den CIO, das Betriebsmodell ständig zu adjustieren. Make-or-Buy ist hier die erste Frage. Aber nicht nur das klassische In- und Outsourcing sowie Offshoring versus Onsite-Betrieb oder -Entwicklung, sondern auch ein gesunder Mix aus eigenen Mitarbeitern (günstiger, aber keine flexible Anpassung möglich) und externen Mitarbeitern ("Freelancern", teurer, aber flexibel handhabbar) gilt es in die Betrachtung aufzunehmen. Neue Betriebsformen wie "Cloud Computing" spielen darüber hinaus eine zunehmend wichtigere Rolle in den Überlegungen von CIOs. Mehr als 80 Prozent der Unternehmen werden 2020 Cloud-Lösungen einsetzen. Darüber hinaus freunden sich Unternehmen zunehmend mit Software as a Service (SaaS) zumindest für weniger unternehmenskritische Bereiche wie Email- oder Office-Lösungen an. Diese Entwicklung hilft CIOs die Kosten für den IT-Betrieb im Rahmen zu halten.
Eine agile und effiziente IT ist ein sich wiederkehrender Prozess
Aufbau und Weiterentwicklung einer agilen, kosteneffizienten IT ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein ständiger Prozess. Daher sind die nachfolgend aufgeführten Schritte zyklisch im Sinne einer kontinuierlichen Verbesserung zu wiederholen:
• IT-Leistungen prüfen und zukünftige IT-Service-Strategie entwerfen: Welche Leistungen werden zurzeit durch die IT erbracht? Welche Leistungen werden zukünftig im Fokus stehen und was sind ihre Primärziele - Qualität, Kosten, Time-to-Market etc.?
• IT-Betriebsmodell prüfen und Handlungsnotwendigkeiten identifizieren: Trägt das aktuelle Modell zur Leistungserbringung den Erfordernissen Rechnung? Kann man die "richtigen" IT-Leistungen schnell erbringen? Ist die IT bei anderen IT-Leistungen so aufgestellt, dass Kosteneffizienz sichergestellt ist? Welche Leistungen können an Dienstleister übergeben werden, um sich auf die wichtigen Themen zu konzentrieren?
• Transformation zur agilen, kosteneffizienten IT planen und umsetzen: Wie können die Handlungsnotwendigkeiten in einen übergreifenden Transformationsplan gegossen werden? Wie gestalten sich die Umsetzungsprioritäten, ist entsprechendes Budget verfügbar?
2014 wird kein ruhiges Jahr
Die kontinuierliche Überprüfung und Weiterentwicklung des IT-Betriebsmodells ist Kernaufgabe des CIOs, der zu Recht häufig auch als Service-Integrator bezeichnet wird. Neue Konzepte wie das Cloud Computing und agile Entwicklungsmethoden wie SCRUM bieten neue Optionen zur Weiterentwicklung und zum Finden einer Balance zwischen Agilität und Kosteneffizienz
Ruhig wird das Jahr 2014 für die CIOs demnach nicht. Die Vielfalt der Themen erfordert ein Höchstmaß an Augenmaß zur Priorisierung sowie Leidenschaft und Ausdauer für die Umsetzung. Der Lohn wird aber nicht auf sich warten lassen: nie zuvor waren die Möglichkeiten für CIOs so groß, über die Digitalisierung des Geschäfts Einfluss auf den Markterfolg des eigenen Unternehmens zu nehmen. Nie zuvor war die Vielfalt der Hebel zur Gestaltung des IT Betriebsmodells größer. Wahrlich keine schlechten Voraussetzungen für die Zukunft.