Ohne dass Kurt Walther es zunächst bemerkte, haben sich mobile Endgeräte ins Unternehmen geschlichen. "Der technischen Neugier einiger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich für Produkte wie den Palm Pilot interessiert haben, verdanken wir die ersten Mobilgeräte in unserem Haus", erklärt der Vice President IT beim Sportartikelproduzenten Puma. Er räumt ein, "dem zunächst wenig Bedeutung beigemessen" zu haben. "Aber dann haben wir erkannt, dass darin viel Potenzial steckt."
Die in Herzogenaurach gegründete Puma AG hat sich zu einem Konzern mit 2200 Mitarbeitern und Produktionsstätten in 33 Ländern entwickelt. Puma-Sportartikel sollen cool sein, junge Leute ansprechen. Die Vision: das virtuelle Unternehmen.
Dazu ist es notwendig, Zuständigkeiten festzulegen. Die Puma-Zentrale besteht aus verteilten Kompetenzzentren in Deutschland, den USA und Hongkong. Die Designer sitzen in München und New York, das Marketing wurde in die USA verlegt, um neue Trends schneller aufgreifen zu können; die Distribution als Teil der Warenlogistik wird von Deutschland aus gesteuert. Die Folge: Die Strukturen sind fließend, Kommunikation und Prozesse müssen beschleunigt werden.
Durch diese Entwicklung ist Mobilität zu einem Kennzeichen der Firmenkultur geworden. Reisen gehört ebenso zum Alltag wie die Anforderung, stets erreichbar zu sein und ortsunabhängig auf Veränderungen reagieren zu können. Walther: "Wir fördern den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten, die unsere virtuelle Unternehmensstruktur unterstützen."
Das Personal Information Management (PIM) für den sofortigen Zugriff aller Manager auf Kalender, Adressbuch, Aufgabenliste und andere gemeinsame Dateien mithilfe mobiler Geräte hat für Puma strategische Bedeutung. Lange gehörten daher neben Mobiltelefonen auch Laptops ins Reisegepäck der Entscheidungsträger. Nun ist es auch über den PDA möglich, E-Mails, Termine, Kalender oder Aufgaben mit der Groupware des Konzerns abzugleichen.
Für die Integration nutzt Puma externe Dienste: Der ASP (Application Service Provider) Amagu aus Feldkirchen speichert ein- und ausgehende Daten und synchronisiert PDAs und Unternehmensrechner. Eingaben auf mobilen Endgeräten fließen in die zentralen Stammdaten ein.
Lieblingsanwendung Terminplaner
Der ASP rechnet pauschal pro User und Monat ab. Puma musste nur die eigenen Systeme per Internet-Technik anbinden. Unterstützt werden alle gängigen Mobilbetriebssysteme (Windows CE/Pocket PC, Palm OS, EPOC 32/6). So kann Puma mehr als 90 Prozent aller gängigen Mobilrechner ans Unternehmensnetz hängen.
Die Lieblingsanwendung der Manager taugt indes kaum als Blaupause für UMTS-Investoren: Der Terminplaner hat es den Professionals besonders angetan. Kein Wunder: Vor allem Mitarbeiter aus den Bereichen Design, Marketing und Vertrieb müssen Kontakte mit Partnern in Europa, den USA und Asien koordinieren.
Puma ist keine Ausnahme: Notebooks und Mobiltelefone, so ermittelte die Meta Group, gehören heute bei 84 Prozent aller Unternehmen zur Basisausstattung. Nachdem zuerst Laptop-Nutzer Einlass in die Netze begehrten, wollen nun immer mehr Business-Reisende per PDA an der Unternehmenskommunikation teilhaben.
Die einfachste Variante mobiler Datenkommunikation über das Internet funktioniert via Handy. Per WAP-Browser oder SMS werden Basisdienste wie Telefonnummern und Adressen übertragen; für viele Unternehmen deckt das bereits die wichtigsten Anforderungen ab. Doch auch multimediafähige Netze wie das GRPS-Mobiltelefonnetz taugen für die Datenübertragung. Flughäfen und Cafés, ja sogar Biergärten locken Kunden mit Internet-Zugang über lokale Funknetze (Wireless Local Area Networks, kurz WLANs). Andere Nahbereichstechnologien wie etwa Bluetooth oder das Infrarotverfahren IrDA sorgen dafür, dass Daten auch auf Kurzstrecken zum Drucker oder bei der Synchronisation von Endgeräten Flügel wachsen.
Zugleich steigt die Zahl der Mobilgeräte rasant - vor allem bei den immer leistungsfähigeren Kleincomputern, die sich aus Organizern und Handys entwickeln. Die Gartner-Marktforscher zählten für dieses Jahr weltweit mehr als 430 Millionen mobile Endgeräte: vor allem Mobiltelefone, aber auch 4,7 Millionen Smartphones und 5,3 Millionen PDAs. Schon im kommenden Jahr soll es gut 10 Millionen Multimediatelefone geben und rund 11 Millionen drahtlos kommunizierende Taschengeräte.
Dieser Trend kann an den CIOs nicht vorbeigehen. Die Vielfalt mobiler Endgeräte und Übertragungswege verlangt den Aufbau durchgängiger Kommunikations- und Geschäftsprozesse - und dazu ist strategische IT-Planung erforderlich. Wer erfolgreich mobile Endgeräte für Unternehmensprozesse nutzen will, muss sich auf die Integration in die stationäre IT konzentrieren.
Wildwuchs eindämmen
Flexible Programme ermöglichen es, unterschiedliche Mobilgeräte einzubinden. Dabei empfehlen Experten, die Integrationslösung als Middleware anzulegen. Diese Software-Schicht arbeitet zwischen den Endgeräten und den zentralen Unternehmensrechnern, auf denen die Daten liegen. Wird das Firmennetzwerk um neue Systeme erweitert, muss nur die Mittelschicht aktualisiert werden.
Die stationäre IT legte auch bei Puma die Rahmenbedingungen für die Anbindung mobiler Endgeräte fest. Damit verknüpft war die Diskussion über einheitliche unternehmensweite Kommunikationslösungen, die mit dem weltweiten Rollout von Lotus Notes als Kommunikations- und Organisations-Tool vor zwei Jahren begonnen hatte. "Damit war es nicht mehr den Mitarbeitern überlassen, Handhelds zu kaufen", so Walther. Vielmehr beschafft nun Puma die Kleinstrechner und rechnet sie den Kostenstellen der jeweiligen Abteilungen zu. Das hilft bei der Kostenkontrolle und dämmt den technischen Wildwuchs ein.
Wenn CIOs das Wachstum bei den Mobilgeräten nicht steuern, kann es teuer werden. Beispiel Deutsche Bank: Auch hier wurden Mobilgeräte von Einzelanwendern zu einem Teil der Kommunikationsstruktur. "Begonnen hat es im Management und bei den Außendienstlern", sagt Ingrid Lauterbach, Leiterin Messaging Services Privatkundengeschäft des größten deutschen Geldinstituts. Nachdem sich Mitarbeiter jahrelang nach Gutdünken mit Palm-, Compaq-, oder Psion-Handgeräten für den Geschäftsalltag eingedeckt hatten, führten Bedienungs- und Installationsfehler immer häufiger dazu, dass der User-Helpdesk in Anspruch genommen werden musste.
Die IT-Verantwortlichen der Deutschen Bank haben deshalb ein Projekt initiiert, das den Wildwuchs eindämmen soll. Kern ist wie bei Puma eine weltweit anzusteuernde Software-Plattform auf zentralen Servern. Derzeit sind rund 1000 User angeschlossen, die so E-Mails, Adressen und Termine mit der Groupware abgleichen können.
Die technisch auch machbare Einwahl über eine Mobiltelefonverbindung unterbinden die Verantwortlichen jedoch: Zu riskant, vertrauliche Informationen - zum Beispiel Investitionskonzepte, Finanz- und Kundendaten - auf Mobilgeräte zu kopieren, die schusselige Mitarbeiter dann im Hotelzimmer liegen oder von Taschendieben entwenden lassen. Im Intranet durch Firewalls und Kryptographie-Software geschützt, lägen die Daten unverschlüsselt auf den mobilen Endgeräten. Die Banker engen deshalb den Spielraum ein: Die Synchronisations-Software individuell anzupassen, das schaffen auch sehr versierte Nutzer nicht.
Jenseits des Synchronisationsprojekts werden bei der Deutschen Bank in Sachen mobile Strategien allerdings kleinere Brötchen gebacken als noch in den ersten Planspielen. "Die Idee, dass Außendienstler unterwegs auf die Ressourcen der Zentrale zugreifen können, existiert ja seit 1999", sagt Lauterbach. "Aber zu dieser Zeit gab es keine standardisierten Verschlüsselungsverfahren dafür, jeder Zugriff war ein Risiko. Also schied so ein Projekt aus." Heute, wo VPNs (virtuelle Privatnetze mit Internet-Technik) die entsprechenden Voraussetzungen bieten, muss auch bei der Deutschen Bank gespart werden. Eine flächendeckende Anbindung von Außendienstlern oder gar Filialmitarbeitern steht derzeit nicht auf der Agenda. Lauterbach: "Von unseren 90000 Mitarbeitern wird in zwei Jahren keinesfalls die Mehrheit PDAs haben."
Für Gerätehersteller und Dienste-Anbieter bedeutet die neue Nüchternheit, dass sie hart arbeiten müssen, um ihre Kunden davon zu überzeugen, dass sich IT-Mobilität bezahlt macht. Johannes Ditterich, Business Consultant Manager des Mobillösungsanbieters Avantgo Deutschland: "Die Kosten zahlen sich im Top-Management natürlich am schnellsten aus, denn die Leute haben einen hohen Stundensatz. Wenn sie am Flughafen arbeiten können, statt untätig warten zu müssen, dann rechnet sich das."
Klein und überschaubar - das scheint die Devise zu sein, wenn in mobile Kommunikation investiert wird. Queisser Pharma, ein mittelständisches Unternehmen, das Gesundheitsartikel produziert und vermarktet, setzte sein Mobile-Computing-Projekt auf vier Monate an. "Der Rollout für alle 30 Anwender startete nur einen Monat nach der Pilotphase. Vier Wochen später lief das System bereits im Echtbetrieb", erzählt Projektleiter Wolfgang Rosenberg. Realisiert wurde das Ganze von der Gesellschaft für mobile Lösungen (GML), die 768 Euro pro Tag und Projektteilnehmer berechnet; hinzu kommen 115 Euro pro Lizenz für den zentralen Datenserver.
Die zentralisierte Verwaltung von Mobilgeräten ist die Grundvoraussetzung dafür, dass Unternehmen die neue Flexibilität überhaupt produktiv nutzen können. Erst wenn sich diese Struktur bewährt hat, ist es sinnvoll, nicht nur Daten zu synchronisieren, sondern mobile Anwendungen und Geräte in die Architektur einzubinden.
Kundenmanagement als Vorreiter
In der Praxis am weitesten fortgeschritten sind laut Avantgo-Manager Ditterich Anwendungen für mobiles Kundenmanagement. Mitarbeiter können damit schneller und detaillierter als ihre Konkurrenten vor Ort über Lieferzeiten oder die Verfügbarkeit von Waren informieren.
Der Baustoffhandel gehört zu den Branchen, in denen bereits mobile CRM-Projekte laufen, so etwa bei Röfix. Der Baustoffhersteller aus Röthis in Österreich setzt eine Web-fähige CRM-Software ein, über die rund 50 Außendienstler seit einigen Jahren per Laptop und nun auch per PDA Kundenkontakte erfassen. Die aktualisierten Daten übertragen sie via Internet an die Zentrale.
Noch mehr Flexibilität ließe sich mit dem standort-unabhängigen Zugriff auf das gesamte Intranet erreichen. Solche Enterprise-Lösungen werden im Gegensatz zu horizontalen Portalen für Endkunden als vertikale Portale bezeichnet; sie fassen alle Unternehmensdaten und Anwendungen zusammen.
Obwohl die Mobilbranche einige Hoffnungen in diese Konzepte setzt, sind praktische Anwendungen noch rar. Zum einen sehen es nicht alle Verantwortlichen gern, wenn ihre Mitarbeiter ständig und überall auf sämtliche Daten zugreifen können. Ein zweiter Grund liegt in den IT-Strukturen: Die Formate der Unternehmensdaten sind fast immer sehr unterschiedlich und können nicht über eine Standardschnittstelle übertragen werden.
Mobilportale für Daten und Anwendungen
Mobilportale versprechen eine Lösung für dieses Problem. Ein Anbieter solcher Systeme ist Mobileview aus Rellingen bei Hamburg. Die auf Java und XML beruhende Software-Plattform Merlix erlaubt es, mobile Anwendungen unabhängig von den Endgeräten zu entwickeln, verspricht Bernd Foth aus dem Vertrieb von Mobileview. Merlix enthält eine Reihe vorkonfigurierter Schnittstellen, die das Anbinden an SAP- oder Intershop-Lösungen erleichtern.
Zu den Anwendern zählt die BLG Logistic Group, Bremen. Durch das Merlix-Modul Mobile Office Management sind die Mitarbeiter in der Lage, von jedem Standort aus auf Termine, aber auch auf Angebote, Verträge und Tabellen zuzugreifen. Sicher praktisch, doch das Hauptargument ist die versprochene Rentabilität. Foth: "Die Investition amortisiert sich innerhalb von 12 bis 18 Monaten."
Wann sich solcher Optimismus in klaren Produktivitätszuwächsen niederschlägt, ist noch offen. Pumas IT-Vice-President Walther hat immerhin in Sachen mobile Terminplanung gute Erfahrungen gemacht: "Die Abstimmungen laufen reibungsloser und produktiver als früher."