Eine gute und eine schlechte Nachricht - welche zuerst? Dieses klassische Spielchen passt exakt zur Botschaft einer neuen Studie von Avanade, für die die Marktforscher von Wakefield Research weltweit über 1000 IT- und Business-Verantwortliche befragt haben, 100 davon aus Deutschland.
Aus Gründen der Psychohygiene wählt man zuerst in der Regel die schlechte Nachricht. Sie klingt schlicht und unangenehm: Die IT wird in naher Zukunft jede Menge an Macht einbüßen. Als Trostspender hinterher, auch wenn es widersprüchlich erscheint: Vermutlich wird sie dennoch einflussreicher denn je sein.
IT wird interner Service Broker
Beide Aussagen passen deshalb zusammen, weil Avanade die Antworten der Befragten als Nachweis für die von vielen prognostizierte Transformation der IT zum internen Service Brokerwertet. Die bisher gewohnte Kontrolle über technologische Entscheidungen geht dabei ebenso verloren wie die damit verbundeneBudgethoheit.
Die Studienautoren gehen davon aus, dass das von der IT verwaltete Budget zumindest anteilig deutlich schrumpfen wird. Dafür mutieren der CIO und seine Abteilung zu unersetzlichen Beratern in technologischen Fragen, ohne die die anderen Abteilungen schwerlich Erfolg haben können.
Erwartungen an den CIO ändern sich
Bereits jetzt werden laut Studie 37 Prozent desBudgets für IT von den Fachabteilungen ausgegeben. "Aber das bedeutet nicht, dass die Rolle des CIOs verschwindet", heißt es in der Studie. In der digitalen Welt werde der IT-Chef aber nicht mehr für eine begrenzte Zahl an operativen Aufgaben verantwortlich sein. Stattdessen werde von ihm erwartet, innerhalb und außerhalb des Unternehmens innovative Technologien aufzuspüren, die den Mitarbeitern effektiveres Arbeiten ermöglichen.
Wie ein Broker soll der CIO die passenden Services an die User vermitteln und von unabhängigen Providern verfügbare Skills identifizieren. Insbesondere C-Level-Manager gehen laut Avanade davon aus, dass diese neuen Rollen den Einfluss der IT im Unternehmen der Zukunft wachsen lassen.
Business: IT verhindert schnelle Entscheidungen
Hört sich wohltuend an. Bis es soweit ist, müssen aber einige Kröten geschluckt werden. Knapp 70 Prozent der befragten Führungskräfte außerhalb der IT gehen davon, dass sie ohne Beteiligung der IT bessere und schnellere Technologie-Entscheidungen treffen können. Innerhalb der Gruppe der Manager auf C-Level sind es sogar 80 Prozent.
In 90 Prozent der befragten Firmen entscheiden Fachabteilungen zumindest teilweise über die verwendete IT, manchmal sogar in Gänze. Zu 30 Prozent bestimmen die Business-User über Einsatz und Management von Infrastruktur-Lösungen; beinahe ebenso hoch ist der Anteil bei Wartung und Support sowie mobilen Lösungen.
IT soll mit Kunden interagieren
Mit 83 Prozent sagen überraschend viele der Befragten, dass ihre IT-Abteilung gerne mit wichtigen Kunden und Geschäftspartnern direkt in einer beratenden Rolle interagieren darf. Erwartet wird vom CIO und seinen Mitarbeitern, dass in Schlüsselfeldern neue Skills aufgebaut werden, die beim Sourcing und beim Lösen von geschäftlichen Problemen helfen. Mehr als zwei Fünftel der C-Level-Manager fordern etwa frisches Know-how über Cloud-Dienste und Systemintegration ein.
In mehr als einem Drittel der Firmen ist die IT laut Studie längst in erster Linie in die Service Broker-Rolle geschlüpft. 58 Prozent der Unternehmen, für die das gilt, wollen diese Ausrichtung in den kommenden zwölf Monaten intensivieren.
Legacy-Aufgaben lähmen die IT
Das Phänomen der zwei Geschwindigkeiten in der IT erschwert den beabsichtigten Wandel merklich. 36 Prozent ihrer Arbeitszeit wenden IT-Abteilungen laut Studie für die Wartung alter Systeme auf. Rund 14,5 Wochenstunden sind das - und es ist nicht absehbar, dass es weniger werden. "Diese Bindung an Legacy-Aufgaben hat Konsequenzen", schreiben die Studienautoren. "Nicht einmal ein Viertel der Befragten berichtet, dass aus der IT regelmäßig eigene Vorschläge für neue technologische Lösungen kommen."
Wenn zwei Drittel von langfristig wachsendem Einfluss der IT ausgehen, ist dies offenkundig mit der Erwartung verbunden, Security-, Entwicklungs- und Systemintegrationsleistungen mehr als bisher von Dritten zu beziehen. Immerhin schreiben schon jetzt 71 Prozent der Spitzenmanager ihrer IT-Abteilung eine "mitarbeiterzentrierte Kultur" zu, die ja angestrebt wird. Eine deutliche Mehrheit bescheinigt dem CIO und seinen Mitstreitern auch, mehr zum Erreichen der geschäftlichen Ziele beizutragen als vor drei Jahren.
Warum das Marketing mehr für IT ausgeben wird
Nach Einschätzung von Tom Kaneshige von CIO.com bestätigt die Avanade-Studie durchaus die Gartner-Prognose von Anfang 2012, laut der der CMO bis 2017 mehr für IT ausgeben wird als der CIO. Chris Miller, CIO von Avanade, widerspricht dem nicht. Man müsse dabei aber bedenken, dass im klassischen Marketing jede Menge an Geld für gedruckte Werbung ausgegeben wurde. Diese Mittel flössen nun eben in digitale Kampagnen. Das führe naturgemäß zu einem steigenden Anteil an marketinggetriebenen IT-Ausgaben, was aber zunächst einmal unabhängig von den anderen IT-Ausgaben zu bewerten sei.
Forrester sieht's anders
Forrester Research übrigens bewertet die aktuelle Transformation anders als Avanade. Zwar spielten die Fachabteilungen eine immer größere Rolle bei der Identifizierung der benötigten Lösungen und bei der Auswahl der Anbieter. "Aber die CIO-Abteilung wird an vielen technologischen Kaufentscheidungen beteiligt sein", schreibt Forrester-Analyst Andrew Bartels in einer ebenfalls aktuellen Studie. "Und der CIO und seine Organisation werden der bestimmende Manager der eingekauften Technologie sein und über das entsprechende Budget verfügen."
Im Übrigen reiße sich das Marketing überhaupt nicht darum, ständig alleine IT-Lösungen shoppen zu gehen; die IT-Ausgaben fürs Marketing seien immer noch ein recht kleiner Teil des IT-Budgets. Auch die Accounting-Systeme und Budgetkontrollen im Unternehmen lassen sich laut Forrester Research nicht einfach so umschiffen; die Ausgabenkontrolleure seien im Hinblick auf Sparsamkeit und Compliance daran interessiert, dass der CIOs den Überblick behält.