Weil ITIL zahlreiche Ziele erreichbar macht ist die Popularität des Ansatzes ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. In der Regel steht bei ITIL die Effizienzsteigerung des IT-Betriebs im Mittelpunkt. Zudem steigert die Vermeidung von Störungen und Verbesserungen der Prozesse im Help Desk auch die Zufriedenheit im Unternehmen mit der eigenen IT. Zusätzlich lässt sich durch ITIL nicht selten der Wertbeitrag der IT im Unternehmen nachweisen. So können Outsourcing-Entscheidungen abgewendet werden.
Service- statt Technologie-Orientierung
ITIL ist historisch gewachsen und geht auf Bestrebungen der öffentlichen Verwaltung in Großbritannien zurück, den Service der eigenen Rechenzentren spürbar zu verbessern. Anstatt ein normatives Regelwerk vorzugeben, wurden dazu Anforderungen für die Gestaltung von IT Service Management-Prozessen formuliert. Sie bieten großen Spielraum für Anpassungen an eigene Bedürfnisse. Bei der Umsetzung der Vorgaben werden daher "Best Practices" im jeweiligen betrieblichen Zusammenhang interpretiert und im Regelfall an die eigenen Rahmenbedingungen angepasst.
ITIL bricht grundsätzlich mit der tradierten (und auch heute noch weit verbreiteten) Ausrichtung der IT entlang von Technologien und etabliert das Konzept der Service-Orientierung in der IT-Leistungserbringung. Heute gliedert sich der Ansatz in elf Prozesse, die die eigentliche IT-Serviceerbringung und dafür notwendige unterstützende Prozesse beschreiben.
ITIL als Mittel zur Kostenkontrolle
Mit ITIL kann nicht nur die Prozess- und Leistungsqualität verbessert werden. Der Ansatz kann auch erhebliche Kosten sparen. So sind in vielen IT-Dienstleistungsunternehmen die Service-Level der IT-Produktion nicht verbindlich vereinbart. Dadurch ist die Serviceerbringung nicht auf die Einhaltung eines gleichmäßigen Leistungsniveaus ausgelegt. Die Folge sind Schwankungen in der Qualität und Kontinuität der Leistungserbringung, die zu Vertragsstrafen führen können. Zudem entstehen Kosten für Fehleranalyse und -behebung. Sie lassen sich bei konsequenter Optimierung der Prozesse vermeiden.
Insgesamt lassen sich durch ITIL/ITSM die Kosten für die IT nachhaltig reduzieren. Erste nachweisbare Effekte können bereits durch die Nutzung von ITSM in Teilbereichen wie dem IT-Betrieb oder der Neuentwicklung realisiert werden. Der volle Kosteneffekt wird jedoch erst bei einem umfassenden Einsatz von ITSM über alle Bereiche der IT erzielt und durch kontinuierliche Prozess-Verbesserungen abgesichert. ITSM und ITIL ist somit kein einmaliges Projekt, sondern vielmehr eine kontinuierliche Veränderung im gesamten IT-Bereich.
Da häufig keine geeignete zentrale Erfassung und Bearbeitung von Betriebsstörungen existiert, kann auch das Störungs-Management Ansatzpunkt für Verbesserungen sein. Der Grund: Nicht erkannte Ursachen machen eine wiederholte Störungsbehebung notwendig und treiben dadurch die Kosten in die Höhe.
Service-Management erlaubt außerdem, Planung, Entwicklung und Betrieb der IT-Infrastruktur konsequent an Kundenbedürfnissen auszurichten und vermeidet damit ungeeignete Services zu unnötig hohen Kosten. Die Kosten der IT-Organisation werden durch die entstehende Prozesstransparenz klarer. Das vereinfacht die Einleitung von Kostensenkungsmaßnahmen.
ITIL Refresh
Die heutige ITIL-Definition stößt besonders bei der Planung und Entwicklung von IT-Services an Grenzen. Da sie aber zurzeit immer bedeutender werden, versuchen aktuelle ITIL-Implementierungen oft, Lücken in ITIL mit Hilfe anderer Prozess-Methodiken wie COBIT (Control Objectives for Information and Related Technology) zu schließen, doch selten gelingt das gut. Die gerade gestartete "ITIL Refresh"-Initiative soll den Ansatz bis Ende des Jahres grundsätzlich überarbeiten.
Um eine vollständigere Abdeckung von IT-Service-Management zu erreichen, wird ITIL künftig zum IT-Services-Betrieb auch Prozesse zur Planung und Entwicklung beschreiben. Dabei werden die ITIL-Dokumentation sowie die enthaltenen "Best Practices" entlang des Lebenszyklus eines IT-Services neu geordnet.
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Service Strategy umfasst sowohl Best Practices zur Organisation und Governance des IT-Service-Managements als auch Planung und Definition von IT-Services.
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Service Design bringt Best Practices für die Entwicklung von IT-Services, wobei auch Aspekte des geeigneten Sourcing von IT-Services (In-/ Out-/ Co-Sourcing) sowie Kostenabschätzungen für Serviceentwicklung behandelt werden.
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Service Transition beschreibt Best Practices für die Einführung von IT-Services in die Produktivumgebung des Unternehmens und erweitert die heutigen Release-, Change- und Configuration-Management-Prozesse, um "weichere" organisatorische Best Practices wie Risiko- und Wissens-Management zu fassen.
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Service Operations greift die bekannten Kontrollpunkte aus den heutigen Service-Support und Service-Delivery-Prozessen auf und berücksichtigt unterschiedliche Ausprägungen des Frameworks entsprechend der Größe der Unternehmung.
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Continual Service Improvement stellt Best Practices dar, die eine ständige Verbesserung aller IT Service Management Prozesse unterstützen. Hierbei werden auch Prozesse beschrieben, mit denen IT-Services in geeigneter Form stillgelegt werden können.
Jeder der fünf Themenblöcke bildet ein eigenes Buch in der ITIL-Sammlung und damit den neuen Kern der ITIL-Beschreibung. Er wird anschließend durch spezifische Abhandlungen zu Einzelthemen im Service-Management, etwa zum Einsatz von ITIL in kleineren und mittleren Unternehmen, ergänzt.
Um die Einführung und Umsetzung von ITIL zu erleichtern, werden für alle Phasen mögliche organisatorische Strukturen und Modelle für das Service-Management beschrieben, die auch Aspekte des organisatorischen Change Managements umfassen. Das ist besonders wichtig, da ITIL-Implementierungen meistens in ähnlich langen Zeiträumen diskutiert werden wie ERP-Implementierungen.
Ebenso übergreifend wird das Thema Multi-Sourcing von IT-Services aufgenommen. Multi-Sourcing stellt heute die betriebliche Realität dar. Dabei werden zahlreiche IT-Dienstleistungen von externen Partnern im Rahmen von Outsourcing- oder Co-Sourcing-Verträgen erbracht. Die Interaktion mit externen Dienstleistern wird im heutigen ITIL kaum berücksichtigt, ist aber kritisch für den Erfolg der gesamten IT-Dienstleistung. Aus diesem Grund stellt die Neufassung von ITIL insbesondere auch "Best Practices" und Entscheidungsmodelle für Multi-Sourcing auf. Dabei werden organisatorische Aspekte wie der Übergang eines internen Services zum externen Dienstleister Rücksicht genommen.
ITIL-Standardisierung
Der bisherige Erfolg von ITIL spricht dafür, die Erweiterung in Betracht zu ziehen und die überarbeiteten Best Practices zu nutzen. Damit kann die Implementierung des eigenen Service-Managements vertieft werden. Ein weiterer Anreiz für einen Blick auf ITIL wurde im Dezember 2005 geschaffen, als der Britische Standard BS 15.000 in den internationalen Standard ISO/IEC 20.000 überführt und dadurch ein auf ITIL-basierter Standard für IT-Service-Management geschaffen wurde. Das erlaubt IT-Organisationen und -Dienstleistern, das eigene IT-Service-Management zu zertifizieren und die Qualität der Serviceleistung nachzuweisen.
Die Zertifizierung kann in Zukunft eine wichtige Voraussetzung für den Geschäftserfolg von IT-Dienstleistern werden: Bereits jetzt ist abzusehen, dass Service-Management zu einem kritischen Erfolgsfaktor für IT-Dienstleister wird. Der Grund: US-amerikanische und kanadische Behörden achten bereits heute in Ausschreibungen für IT-Dienstleistungen auf die Umsetzung von IT-Service-Management.
Die bevorstehende Aktualisierung von ITIL durch "ITIL Refresh" schafft einen optimalen Zeitpunkt zur genaueren Betrachtung des eigenen IT-Service-Managements. Eigene Prozesse können mit den aktualisierten und neu geschaffenen Best Practices, wie beispielsweise zum Thema Outsourcing und Umgang mit externen Dienstleistern, abgeglichen werden. Eine solche Überprüfung schafft durch die konsequente Analyse des Ist-Zustandes der ITIL-Prozesse Klarheit über Schwachstellen und Handlungsbedarf. Eine nachfolgende Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen leistet damit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Kostenreduktion und Qualitätsverbesserung der eigenen IT-Leistungserbringung.
Dr. Raphael Volz ist Associate und Matthias Sander ist Senior Consultant bei dem Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton.