Die IT-Infrastructure Library (ITIL) wird immer beliebter. Mittlerweile arbeiten drei von vier Unternehmen mit dem Rahmenwerk. Im Vergleich zu 2005 ein deutlicher Anstieg. Damals hatte sich die Zahl der ITIL-Anwender und -Verweigerer noch die Waage gehalten. Das ist ein Ergebnis der diesjährigen Befragung von Führungskräften zum IT-Service-Management (ITSM) durch den Software-Hersteller Materna.
Das Unternehmen führt die "Executive-Befragung" zum ITSM seit 2003 jährlich durch. Für die aktuelle Studie wurden 1.468 Entscheider aus Deutschland und Österreich übers Internet befragt, vor allem Kunden des Software-Herstellers. 82 Prozent der Teilnehmer kamen aus Deutschland. Ein Fünftel der Führungskräfte ist in der IT-Branche tätig. Drei Viertel der Befragten arbeiten in Firmen mit mehr als 1.000 Angestellten.
Die seit einem Jahr verfügbare Version 3 der ITIL ist bisher noch nicht großflächig angekommen. Zwar haben sich fast zwei Drittel der Befragten schon damit befasst, der überwiegende Anteil von ihnen allerdings nach eigenen Angaben nur oberflächlich. Bloß jeder Fünfte gab an, aktiv mit Version 3 zu arbeiten.
Am häufigsten erwarten sich die Führungskräfte von dem neuen Rahmenwerk eine ganzheitliche Umsetzung von IT-Service Management. 63 Prozent gaben dies an. An zweiter Stelle steht mit 41 Prozent Nennungen die Hoffnung auf eine kontinuierliche Verbesserung der IT-Dienstleistungen.
Einer der Gründe für die zögerliche Annahme der neuen ITIL könnte die Sorge vor dem hohen Verwaltungsaufwand sein. Drei von vier der Firmenvertreter glauben, dass dieser beträchtlich wäre. Fast zwei Drittel fürchten, dass es beim Einsatz von ITIL v3 zu Schwierigkeiten bei der Definition von Schnittstellen geben könnte. Auch Schwierigkeiten bei der Automatisierung einzelner Vorgänge oder erwarteter Widerstand bei den Mitarbeitern wurden von mehr als der Hälfte als wesentliche Hindernisse genannt.
Selten strategische Ansätze
Strategische Herangehensweisen sind beim Service Management noch eher eine Seltenheit. Nur 14 bis 17 Prozent befassen sich intensiv mit der strategischen Ausrichtung der IT, allerdings richten sie sich dabei meist nicht nach der ITIL. Speziell fragte Materna unter anderem nach der Service-Strategie im Demand Management. Für 62 Prozent spielt sie in diesem Bereich keine Rolle, 23 Prozent achten zum Teil darauf, die übrigen gaben an, Maßnahmen zur Service-Strategie vollständig implementiert zu haben.
Materna fragte auch nach verschiedenen Aspekten im Service-Design. So haben zum Beispiel 72 Prozent der Firmen Maßnahmen zum Service Level Management implementiert. Nach den Empfehlungen der ITIL handeln dabei allerdings nur 28 Prozent der Befragten. Unter dem Oberbegriff "Service Transition" sollten die Umfrageteilnehmer unter anderem angeben, ob sie ein geregeltes Change Management betreiben. Beim überwiegenden Teil von 88 Prozent ist das der Fall. An der ITIL orientieren sich dabei 47 Prozent.
Wissensmanagement ohne ITIL
Äußerst selten berücksichtigt werden die ITIL-Vorgaben beim Wissensmanagement. Nur sechs Prozent der Befragten beachten sie. Spezielle Maßnahmen zum Wissensmanagement sind auch grundsätzlich nicht allzu weit verbreitet. In etwas mehr als der Hälfte der Firmen werden sie nicht angewandt.
Einen Service Desk gibt es in allen Betrieben, die an der Umfrage teilnahmen. Und ein geregeltes Incident Management betreibt nur ein verschwindend geringer Anteil von drei Prozent nicht. In beiden Punkten setzt die Mehrzahl von jeweils etwa 60 Prozent auch auf ITIL.
Anders sieht es beim Zugangsmanagement aus. Nur in jeder zweiten Firma gibt es solche Mechanismen. Die Empfehlungen der ITIL spielen für die Unternehmen beim Access Management Materna zufolge überhaupt keine Rolle.
Verbesserungsprozesse selten institutionalisiert
Ein Schattendasein führen der Studie zufolge bisher kontinuierliche Verbesserungsprozesse, die in der ITIL Version 3 ein zentrales Thema sind. Fast bei der Hälfte der Befragten gibt es überhaupt keine institutionalisierten Verbesserungsprozesse. 45 Prozent messen die Qualität von Dienstleistungen nicht strukturiert und haben auch kein entsprechendes Berichtswesen. Nur jeder zehnte richtet solche Maßnahmen an den ITIL-Vorgaben aus.
Die grundsätzliche Zurückhaltung gegenüber strategischen Ansätzen in allen Bereichen des ITSM wird sich offenbar so schnell nicht ändern. Die Mehrheit der Firmen will auch künftig keine weiteren Initiativen anstoßen, um strategische Themen zu forcieren.
IT nur selten als Business-Motor angesehen
Materna fragte auch nach dem Image der IT-Abteilungen. Ansehen als Treiber fürs Geschäft, wie es Experten immer wieder anmahnen, genießen IT-Abteilungen in den meisten Unternehmen noch nicht. Nur jeder fünfte gab an, die Informationstechnologie in seinem Betrieb als Motor fürs Business zu begreifen. 42 Prozent sahen in dieser Abteilung vor allem Technologie-Spezialisten, bei 27 Prozent herrscht der Eindruck einer Kostenstelle vor.
Die Eigenwahrnehmung der IT-ler sieht indes anders aus, was die Ausrichtung aufs Unternehmensgeschäft angeht. Nach dem Begriff "Business-IT-Alignment" gefragt, gaben 85 Prozent der Teilnehmer aus diesem Bereich an, sich zumindest teilweise daran zu orientieren - die meisten allerdings nur in ausgewählten Bereichen. Dass diese Ausrichtung für sie unbedeutend sei, gaben indes nur vier Prozent an.