Selbst wenn Unternehmen ITIL nach der alten Version 2 eingeführt haben, laufen bis zu 90 Prozent aller ITIL-Projekte nur im Bereich Operations ab. Das birgt die Gefahr, Aufgaben nur sehr lokal zu betrachten. Mit der neuen Version ITIL V3, wie sie die Krones AG einführen will, sollen sich diese Probleme durch das Life-Cycle-Modell deutlich verringern.
Dafür startete CIO Michael Kranz Anfang 2007 das Projekt MUSIK, Mitarbeiterentwicklung und Service-Orientierung für das Informations-Management von Krones. Das Ziel des bis 2010 angelegten Projekts: Die Produktivität der IT-Abläufe soll sich ebenso verbessern, wie die Produktivität des Unternehmens ständig steigen muss.
Das Unternehmen mit Sitz in Neutraubling nahe Regensburg entwickelt, fertigt und installiert Abfüll- und Verpackungsmaschinen. Zu den Kunden zählen Brauereien, Getränkehersteller und Nahrungsmittelunternehmen und darüber hinaus die chemische, pharmazeutische und kosmetische Industrie.
Wenn Krones auch weiterhin nur in Deutschland produzieren will, dann muss auch die IT effizient aufgestellt sein. So will Kranz Ende dieses Jahres daran gehen, die IT neu zu organisieren. Sie wird künftig aus drei Säulen bestehen:
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IT-Service-Management (ITSM),
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Operations & Support (O & S) und
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Projekte & Innovationen (P & I).
Dem Service-Management wird die Prozessverantwortung zugeschlagen; der Bereich O & S verantwortet Betrieb und Anwender-Support. Die Säule P & I schließlich soll Infrastruktur- und Anwendungs-Services weiterentwickeln.
Bewusst hat Kranz den Bereich Service Level Management aus dem Bereich "Projekte" herausgenommen und es in der Säule ITSM) untergebracht. Damit will er künftig direkte Abmachungen zwischen Fachbereichen und IT nach dem Hey-Joe-Prinzip vermeiden. "Mit dieser Struktur sind wir näher am Kunden und verringern Interessenkonflikte", begründet er.
Als Kranz mit ITIL anfing, lieferten noch die Bücher der alten Version die Grundlage. ITIL 3 gab es zu dem Zeitpunkt noch nicht, und kein Anwender diskutierte Ende 2006 darüber. Kranz machte einige Lücken und Schwachstellen in den alten Büchern aus und plante ,diese durch eigene Anpassungen auszubügeln. Die neue ITIL-Version bestätigte ihn: "Später habe ich gesehen, dass wir die Themen adressiert haben, die auch wichtige Punkte in der neuen ITIL-Version sind."
So fehlt in den alten Büchern das Thema Beschaffungsprozess, was die neue Version nun als eigenständigen Prozess unter dem Begriff Request Fulfillment im Buch „Service Operation“ abhandelt. Auch bei der neu aufgenommenen und sehr stark fokussierten Life-Cycle-Betrachtung fand er eine große Übereinstimmung mit seinen ITIL-Plänen.
KVP mit eingebaut
Außerdem trennen die neuen Bücher klarer sowohl die Verantwortung von Support und Delivery sowie Change und Projekt. Diese Zuständigkeiten wurden stärker in den Prozessen verankert, wodurch sich auch der Kontinuierliche Verbesserungsprozess (KVP) in der Organisation verbessern soll. Den KVP hatte Kranz schon selbst in die neue Organisation eingebaut, und er lässt ihn künftig von einer Stabsorganisation steuern. Sie soll später geeignete Messgrößen für den KVP erarbeiten. Auch nimmt die neue ITIL-Version eine höhere Abstraktionsebene ein, wenn sie Prozesse nicht mehr isoliert, sondern über die gesamte Organisation betrachtet. So findet beispielsweise ein Change-Prozess in einer Transitionsphase statt. Der Change-Manager wird dadurch in seiner Verantwortung unterstützt. "ITIL ist für mich ein wichtiges Instrument, um in der gesamten IT-Organisation ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, dass wir unsere Anwender, unsere internen Kunden, optimal bedienen können", resümiert Kranz.
Dagegen läuft in Unternehmen heute noch vieles nach dem Hey-Joe-Prinzip ab: Ein Mitarbeiter aus dem Fachbereich ruft beim IT-Verantwortlichen für Service-Applikationen an und ordert eine Callcenter-Anbindung für den nächsten Tag. Kurz vor Terminschluss bestellt der IT-Verantwortliche dafür noch neue Server in der Hardwareabteilung. Dass die Hardware acht Wochen Lieferzeit hat, kommt dann sehr ungelegen.
Mit ITIL 3 werden diese Zusammenhänge wesentlich transparenter dargestellt. Ein Projekt wird auch künftig bei Krones mit Projekt-Management-Methoden abgewickelt, die die neue Stabseinheit gestaltet. In der Säule P & I w erden die mit dem Service-Level-Management vereinbarten IT-Services entwickelt, was im Rahmen von Projekt- und Change-Management abläuft. Auch den neuen ITIL-Punkt Service Transition - Überführung in den Betrieb - hatte Kranz schon frühzeitig im Change-Management berücksichtigt.
Zudem trennt Krones in der neuen Organisation auch nicht mehr die Bereiche Hardware-Infrastruktur und Software-Entwicklung, um die Kommunikation zu vereinfachen. Die Kommunikationsplattform bilden künftig die darüberliegenden ITIL-Prozesse. Bewährte Strukturen bleiben aber bestehen. Jedem Vorstandsbereich ordnet die IT einen Ansprechpartner zu, der in Zukunft im Service-Level-Management abgebildet wird. Thematisch steht zum Beispiel die Software-Entwicklung in der Säule P & I, die sich nach den Kerngeschäftsprozessen des Unternehmens orientiert.
Tool hilft Mitarbeitern beim Wandel
Später sollen Prozesse auch Tool-gestützt auf Basis einer Configuration-Management-Datenbank ablaufen. Damit bekommen dann alle IT-Mitarbeiter das notwendige Werkzeug an die Hand, um ihre künftigen Rollen in den IT-Prozessen zu meistern. Kranz bezeichnet dieses Tool als "ERP-System der IT". Nach einem mehrstufigen Auswahlverfahren entschied sich Kranz für das ITSM-Tool von Anbieter Frontrange.
Kranz widerspricht allerdings der Ansicht, wonach mit ITIL-Prozessen ein neuer Verwaltungskopf entstehe. Es werden keine neuen Mitarbeiter eingestellt, sondern vorhandene Ressourcen in der Organisation neu verteilt. Er ist sich im Klaren darüber, dass es länger dauern wird, bis die neue Organisation eingeschwungen ist und die Potenziale gehoben werden können.
Um diesem Fernziel näher zu kommen, schickt Kranz seine Mitarbeiter in ITIL-Schulungen. Diese Trainings sollen ihnen das Grundverständnis für ITIL näher bringen. Kritik an zu vielen und zu teuren Fortbildungen lässt er nicht gelten. "Wenn man ITIL ernsthaft betreiben will, muss man den Mitarbeitern Gelegenheit und eine Plattform geben, das Thema zu verstehen." Mit Schulungen setze das Unternehmen auch ein Signal, dass es ihm mit dem Veränderungsprojekt "Musik" Ernst sei.
Seine Mitarbeiter haben ihn nicht im Stich gelassen: Niemand ist bei den Prüfungen für das ITIL-Foundation-Zertifikat durchgefallen. Üblicherweise scheitern daran rund zehn Prozent. Die Top-Führungsmannschaft bildet sich bis zum Service-Manager weiter - die höchste Zertifizierungsstufe. Die Projektmitarbeiter erhalten eine sogenannte Practitioner-Ausbildung, in der die ITIL-Kernprozesse vertieft werden. Kranz selbst hat sich entschlossen, an der Service-Manager-Ausbildung teilzunehmen. Zurzeit arbeiten drei Projektteams für die Prozesse Change, Incident und Configuration, wobei den jeweils fünf Mitarbeitern pro Team zwei Coaches des ITIL-Spezialisten Serview zur Seite stehen.
"Wenn sich dieser Ablauf eingeschwungen hat, erwarte ich, dass der Reifegrad der Organisation mittelfristig von Stufe zwei auf Stufe drei steigen wird", sagt Kranz. Das soll nicht nur Geld sparen, sondern auch die Produktivität steigen.