Der Marktforscher Gartner schätzt den deutschen Outsourcing-Markt in diesem Jahr auf 12,1 Milliarden Euro und hält bis 2010 ein Wachstum auf 18,3 Milliarden Euro für realistisch. Die Kollegen von Ovum hatten für 2005 knapp acht Milliarden Euro angegeben. Frank Wilden, Generalbevollmächtigter European Business Development bei CSC, hält allerdings nichts von solchen Zahlenspielereien. "Die Statistiken suggerieren ein Volumen, das es in dieser Größe gar nicht gibt", sagt er. Schließlich finde ein Gutteil der Outsourcing-Deals zwischen großen Unternehmen und ihren IT-Töchtern statt.
Wie immer man die Zahlen interpretieren mag - als unumstritten gilt der Trend zu immer kürzeren und immer kleineren Verträgen.
2006 waren denn auch nicht viele große Deals zu vermelden. Einer der spektakulärsten ereignete sich noch in den letzten Tagen des Jahres 2005: Der Volkswagen-Konzern verkaufte seine IT-Tochter Gedas an T-Systems - noch einige Wochen zuvor hatte Klaus-Hardy Mühleck dem Magazin CIO gegenüber beteuert, Gedas sei ein wichtiger Bestandteil der VW-Strategie. Auf die Frage nach dem Kaufpreis traten beide Seiten auf die Bremse, Brancheninsider gehen von 400 bis 450 Millionen Euro aus.
Eisiger Winter: SBS gibt an Fujitsu Siemens Computers ab
Das Jahr begann unruhig für SBS: Der Bereich SBS Product Related Services (PRS), zweitgrößter Anbieter in Deutschland für Plattform-unabhängige Dienstleistungen wie Hochverfügbarkeitslösungen, Konsolidierungen oder Migrationen, ging an Fujitsu Siemens Computers.
Für Fujitsu Siemens Computers ist es ein weiterer Schritt zum Komplettanbieter von Beratung über Design bis Implementierung und Service für die wachstumsstärksten Kerngeschäfte Infrastruktur- und Mobility-Lösungen. Für SBS war es der Auftakt zu einem turbulenten Jahr.
Laues Frühjahr: Die HypoVereinsbank wirft ITS einen Brosamen zu
Im März lagerte die Hypovereinsbank Teile der Wertpapierabwicklung des Privatkundengeschäfts an die Transaktionsbank ITS, ein Gemeinschaftsunternehmen von T-Systems und der Düsseldorfer Bank HSBC Trinkaus & Burkhardt, aus. Nach den Worten eines HypoVereinsbank-Sprechers nur der erste Schritt: Auch die Migration des Wertpapiergeschäftes für institutionelle Kunden und des eigenen Investment-Bankings auf eine von der ITS bereitgestellte Plattform sind Teil des Projektes, von dem sich die Hypovereinsbank jährliche Kostensenkungen im zweitstelligen Millionenbereich verspricht.
Das Beispiel taugt als Modell für die Stimmung auf dem Markt: Ursprünglich hatte die Hypovereinsbank vorgehabt, das komplette Rechenzentrum auszulagern. Nach den Worten von Karsten Leclerque, PAC-Senior-Analyst, scheiterte das an "zu hohen Erwartungen und mangelndem Commitment gegenüber einem potenziellen Provider".
Heißer Herbst: SBS kämpft
Ab September wurde das Branchengeflüster um den Kampf von Siemens-Tochter SBS (Siemens Business Services) immer lauter, hatte doch SBS-Chef Christoph Kollatz auf einer Betriebsversammlung gesagt, als eigenständiges Unternehmen wäre man "bankrott" gewesen. Nach langem Hin und Her entschied sich Siemens gegen einen Verkauf und gab im Oktober bekannt, den IT-Dienstleister mit vier bisher eigenständigen Tochterunternehmen zusammenzufassen. Ab Januar 2007 sollen die weltweiten IT-Lösungen, IT-Services und Software-Kompetenzen in München als "Siemens IT Solutions and Services" (SIS) starten.
Unter dem Kürzel SIS werden SBS, Program und System Engineering (PSE), Siemens Information Systems Ltd. (SISL), Development Innovation und Projects (DIP) und Business Innovation Center (BIC) gebündelt. Der Konzern erwartet rund fünf Milliarden Euro Umsatz in seiner neuen Sparte.
Katharina Grimme, Leiterin der deutschen Niederlassung des Marktforschers Ovum, bezweifelt, dass diese Umstrukturierung ausreicht, um SBS beziehungsweise SIS in die schwarzen Zahlen zu bringen. Aus ihrer Sicht hat Siemens einen Kurs fortgesetzt, bei dem zuvor in einem ersten Schritt die Produkt Related Services (PRS) an Fujitsu Siemens verkauft worden waren.
Immerhin konnte SBS beziehungsweise SIS Mitte Dezember vermelden, dass die Barclays Bank den bestehenden Business-Process-Outsourcing-Vertrag bis 2008 verlängert hat. Es geht dabei um ein Volumen von mehreren Millionen Euro und ist bereits die zweite Verlängerung seit Beginn der Zusammenarbeit vor sechs Jahren.
TUI reist nach Indien
Mit dem Einstieg von Sonata bei der TUI Infotec übernahm im Oktober erstmals ein indischer IT-Dienstleister die Mehrheit an einer deutschen IT-GmbH. Für 50,1 Prozent an der Reisekonzerntochter legten die Inder 18 Millionen Euro hin.
Heinz Kreuzer, Infotec-Geschäftsführer und Group CIO bei der TUI AG, betonte: "Die Inder halten zwar die Mehrheit, die operativen Entscheidungsstrukturen ändern sich jedoch nicht." Der Aufsichtsrat werde zu gleichen Teilen von Sonata und der TUI besetzt - Bedingungen, die vermutlich kein etablierter Anbieter in deutschen Markt akzeptiert hätte.
Kreuzer will durch diesen Deal 30 Prozent an Kosten einsparen. Der Großteil der Entwicklung soll nun auf dem Subkontinent stattfinden, so dass rund 20 von bisher 150 Mitarbeitern auf diesem Gebiet gehen mussten.
Continental fährt auf HP ab
Ebenfalls im Oktober lagerte der Automobilzulieferer Continental seine Infrastruktur inklusive Applikationsbetrieb an HP aus. Der Vertrag läuft über fünf Jahre und beziffert ein Volumen im zweistelligen Millionenbereich.
HP verantwortet damit vor allem Services im SAP-Umfeld, Archivierung und elektronischen Datenaustausch sowie IT-Dienstleistungen für das Supply Chain Management und Business Intelligence.
Nach den Worten eines HP-Sprechers laufen 90 Prozent der Services per Utility-Pricing-Modell, bei dem die nutzungs-basierte Abrechnung über Gigabyte beim Speichervolumen, die SAP-Kennzahl für das Nutzen von SAP-Systemen oder über MIPS bei der benötigten Rechenleistung erfolgt.
Bombardier gleitet auf der T-Systems-Schiene
Im November hat der Bahnkonzern Bombardier Transportation die Weichen für die bestehende Zusammenarbeit mit T-Systems neu gestellt und den IT-Betrieb in 21 Ländern an den Dienstleister ausgelagert. Zunächst lief ein Full-Service-Outsourcing-Vertrag über fünf Jahre für Services in Polen, Portugal, der Tschechischen Republik und China. Das Abkommen liegt nach Unternehmensangaben im zweistelligen Millionenbereich.
T-Systems betreibt dort Clients, Server und Anwendungen sowie einen Servicedesk auf Basis einer ITIL-basierten Prozessumgebung. Die Mitarbeiter gehen nur teilweise in die Betriebe über.
T-Systems heiratet Atos Origin (oder umgekehrt)
Bis zum Schluss wurde eisern geschwiegen, nichtsdestoweniger machte Ende November das Gerücht von einem geplanten Gemeinschaftsunternehmen von T-Systems und Atos Origin die Runde.
Was die Synergieeffekte betrifft, sehen Analysten die beiden Partner im siebten Himmel. Allerdings rechnen sie mit erheblichen Rollenkonflikten: Atos Origin-Vorstandschef Bernard Bourigeaud gilt nicht eben als einer, der das Heft aus der Hand gibt und war in der Firmenhistorie in solchen Fragen lange selbst die treibende Kraft. Nachdem aber der Aktienkurs von Atos Origin nachgegeben hat, gilt nun T-Systems als derjenige auf Freiersfüßen.
Ausblick: Es ist noch Kuchen da, aber der hat weniger Rosinen
Für PAC-Analyst Karsten Leclerque steht fest: Spektakuläre Big Deals sind rar geworden und werden auch in Zukunft die Ausnahme bleiben, wobei der deutsche Outsourcing-Markt nach wie vor wächst.
Nach Darstellung einer Studie von Ovum vertrauen deutsche Firmen einfach nicht gern ihre IT einem einzelnen Dienstleister an. HP hat sich dazu auf seinem so genannten Software Universe im Dezember einen Gag einfallen lassen: Eine Amerikanerin schwärmt davon, was in Sachen IT alles möglich sein soll, während ihr Kollege ständig den Bedenkenträger spielt. Auf ihren Einwand, er sei so negativ, antwortet er: "I'm not negative, I'm german."