Was bedeutet es, wenn Informatiker erwarten, dass sich der Arbeitgeber bewirbt?
Cawa Younosi: In der Tat sind die Zeiten von "Post and Pray" schon lange passé. Wir begegnen dem mit vielfältigen Recruiting-Maßnahmen, die je nach Zielgruppe eingesetzt werden. So suchen wir zum Beispiel auf Messen den Kontakt zu potenziellen Bewerbern, noch bevor es eine konkrete Stelle zu besetzen gibt. Wir laden sie zu Veranstaltungen ein, auf denen wir mit Kunden zeigen, welche Projekte wir umsetzen. Das ist eine gute Networking-Gelegenheit.
Interessierte landen bei uns nicht einfach in einer Datenbank, sondern wir bleiben mit ihnen im Austausch, etwa über Webinare. Gibt es eine passende Stelle im Unternehmen,laden wir sie zum Vorstellungsgespräch ein. Das bringt uns auch intern viele Vorteile, wenn wir einem Manager schon Kandidaten präsentieren können, sobald er die Stelle ausschreibt.
Inwieweit könnte Künstliche Intelligenz Ihnen bei der Personalsuche helfen?
Cawa Younosi: Künstliche Intelligenz kann im Vorfeld unterstützen, etwa Initiativbewerbungen mit den passenden offenen Stellen matchen. Aber eine Software kann die persönliche Ansprache nicht übernehmen. Letztlich entscheidet das Zwischenmenschliche, ob Kandidat und Manager zusammenfinden. Im Recruiting weiblicher Führungskräfte haben wir zum Beispiel festgestellt, dass frühe Telefoninterviews zwischen potenzieller Bewerberin und Business Head ein großes Plus sind.
Weibliche Führungskräfte sind mindestens so begehrt wie IT-Spezialisten. Wie gelingt es Ihnen, den Anteil weiblicher Führungskräfte zu erhöhen?
Spezialisiertes Recruiting
Cawa Younosi: Spezialisierte Recruiter sprechen potenzielle Kandidatinnen über Xing und LinkedIn oder auf Frauenmessen an. Sehr geholfen hat uns die Initiative, dass wir alle Führungspositionen nur noch als 75 Prozent-Stellen ausschreiben. Selbstverständlich kann man sie auch in Vollzeit wahrnehmen, aber eben nicht nur. Dadurch haben wir ein Hemmnis ausgeräumt, das Frauen vielleicht von einer Bewerbung abgehalten hätte.
Young Professionals erwarten von Ihrem künftigen Arbeitgeber nicht nur ein gutes Gehalt, sondern verstärkt die Möglichkeit, flexibel, agil und in einem innovativen Umfeld tätig sein zu können. Wie begegnen Sie diesen Erwartungen?
Cawa Younosi: Da bei uns verschiedene Generationen arbeiten, wissen wir um die verschiedenen Erwartungen und bedienen sie mit entsprechenden Programmen. Sei es mit einer Expertenlaufbahn für diejenigen, die sich in einer Führungslaufbahn nicht wiederfinden, sei es mit unserem neuesten Angebot, dass jeder seine Arbeitszeit mit einer Ankündigungsfrist von drei Monaten reduzieren und wieder in Vollzeit zurückkehren kann.
Wir beschränken das Angebot bewusst nicht auf bestimmte Sachgründe wie Erziehung der Kinder oder Pflege von Angehörigen. Diese Praxis haben wir schon länger bei SAP gelebt, aber seit es eine offizielle Policy dazu gibt, signalisiert sie den Bewerbern: Bei SAP können wir flexibel arbeiten, wir haben Vetrauensarbeitszeit und Vertrauensarbeitsort, so dass das Bedürfnis nach flexiblem, ortsunabhängigen Arbeiten erfüllt werden kann.
"Wir wollen die Mitarbeiter happy machen"
Ist Mitarbeiterbindung für Sie genau so anspruchsvoll wie die Mitarbeitersuche?
Cawa Younosi: Aktuell haben wir bei SAP Deutschland eine Fluktuationsrate von 3,2 Prozent. Da wir hierzulande wachsen und vor allem für Bereiche wie Maschine Learning und Internet of Things Spezialisten suchen, ist eine so niedrige Fluktuation kein Problem. Unsere Mitarbeiterbefragung hat zudem einen Rekordwert an Zufriedenheit ergeben.
Wir wollen die Mitarbeiter aber "happy" machen. Das geht auch wieder nur über einen Strauß von Angeboten: Für die einen ist es die Mobilarbeit, für die anderen der Dienstwagen oder die Möglichkeit, zehn Prozent des monatlichen Grundgehalts zum Rabatt von 40 Prozent in SAP-Aktien investieren zu können. Auch das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) und sinnstiftende Arbeit wird für viele Mitarbeiter und Bewerber immer wichtiger.
Über Cawa Younosi
Der Jurist, seit acht Jahren bei SAP, verantwortet als Personalleiter von SAP Deutschland auch das Thema Diversity und setzt sich für eine familienfreundliche Personalpolitik ein. Younosi, der als 14-Jähriger aus Afghanistan nach Deutschland flüchtete, liegt das Thema am Herzen: "Meine Mission und Vision ist, dass wir eines Tages die Abteilung Diversity & Inclusion nicht mehr benötigen, da der berufliche Alltag von Chancengleichheit für alle bestimmt ist."