Knut Deimer grübelt in seiner Schönefelder Backstein-Baracke. Der IT-Bereichsleiter der Berliner Flughäfen hat voriges Jahr den Job des Technologiebeauftragten für den neuen "Capital-Airport" angenommen. Deimer berät die Kollegen aus der Bauabteilung aus IT-Sicht bei den sieben Teillosen für das Terminal, die gerade ausgeschrieben werden. Dafür muss der Technologiebeauftragte Grundsatzfragen beantworten: Was macht der Bündelfunk? Was wird mit Wimax? Braucht ein moderner Flughafen noch Kabel?
Die letzte Frage zuerst: Ja, die Betreibergesellschaft verkabelt den neuen "Airport Berlin Brandenburg International" (BBI) konventionell mit Glasfasern. Ganz ohne Drähte kann eben doch kein Unternehmen auskommen, das hohen Sicherheitsanforderungen genügen muss. Natürlich wird auch digitaler Bündelfunk genutzt, zumal Schönefeld diesen nach langem Zögern gerade erst einführt. Mit Wimax ist das hingegen so eine Sache: "Im Flugverkehr gilt: Safety first. Daher werde ich nur voll ausgetestete Technik weiterempfehlen", kommentiert Deimer alle allzu innovativen Vorstöße.
Das soll nicht heißen, dass die neue Drahtlostechnik nicht doch noch zum Einsatz kommen könnte, aber der Technologiebeauftragte macht es allen Technik-Verkäufern erst einmal schwer: "Mit mir zu reden bringt gar nichts", sagt er mit Hinweis auf das strenge EU-Vergaberecht. "Ich kann bei der Ausschreibungsvorbereitung nur darauf hinweisen, falls mir eine gute Idee über den Weg läuft." Solche sind allerdings selten - beziehungsweise Deimer ist schwer zu begeistern, was neue Vorschläge angeht. "Bei SOA (Service-orientierter Architektur) kann ich überhaupt nicht erkennen, was daran neu sein soll. Handy-Check-in wird kommen, klar. Aber das treiben die Airlines, das müssen wir nicht tun. WLAN werden wir überall haben. Aber ist das modern?", fragt Deimer.
Was die Trend-Scouts suchen
Der Technologiebeauftragte hat drei seiner knapp 100 IT-Mitarbeiter vom laufenden Betrieb der Flughäfen Tegel, Tempelhof und Schönefeld abgezogen und als Scouts in die Technikwelt hinaus geschickt. Folgende Einsatzgebiete sollen sie erforschen:
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Sicherheitstechnologien, also Zugangskontrollen, Alarmsysteme und Kameraüberwachung;
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Mobile Computing - Daten und Sprache für Partner und Passagiere sowie zur Steuerung des Gesamtflughafens;
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Kommunikationstechnologien - WLAN, Glasfaser und die Zukunft des Bündelfunks;
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IT-Dienste, also die Integration verschiedener Flughafenaufgaben und vor allem ein "TAM" (Total Airport Management);
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Verortung von Personen und Anlagen im Flughafengebäude sowie auf dem Rollfeld;
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CUSS, CUPPS und CUTE, also Common Use von Self Service, von Passenger Process Services und von Terminal Equipment.
Der letzte Punkt ist erklärungsbedürftig: Fluggesellschaften legen zurzeit noch großen Wert darauf, dass sie ihre Kunden an eigenen Schaltern bedienen - auch wenn diese genauso aussehen wie die Nachbarschalter von der Konkurrenz. Für die Betreiber eines Flughafens heißt das, viele Kapazitäten bereitzustellen, die in aller Regel nicht genutzt werden. Gemeinsam genutzte Schalter wie am Züricher Flughafen sind selten.
Die meisten Airports bieten eindeutig zuordenbare, aber unbenutzte Check-in-Services. "Common Use" würde dabei viel Platz sparen, nicht nur am Schalter. Auch Gepäckbänder und was Airlines sonst noch am Boden brauchen, ließen sich zentral vorhalten. "Darüber könnten wir die Prozesse viel besser steuern", sagt Deimer, der Schalter und dahinterliegende Technik gerne selbst betreiben würde.
Er muss allerdings zugeben, dass man bei all diesen Diensten rund um Terminal-Equipment nur begrenzte Erfahrung mitbringt. Tegel, Tempelhof und Schönefeld sehen nicht nur so aus wie größere Busbahnhöfe, sie funktionieren auch so. Wer in Tegel einen Koffer aufgibt, sieht ihn durch eine schwarze Klappe verschwinden, hinter der dann auch gleich das passende Flugzeug steht. In Tempelhof kann der Passagier beim Einladen noch zugucken. Und auch in Schönefeld ist die Logistik derzeit überschaubar: "Da guckt der Werksleiter aus dem Fenster und kann dem Kollegen zurufen: "Hey, fahr mal da rüber", erzählt Deimer. Nach dem Ausbau dürfte das bei fünf Kilometern Gesamtausdehnung des Flughafens schwierig werden.
Wenn im neuen "Capital Airport" alle 18 Millionen der derzeitigen jährlichen Berliner Flugpassagiere landen und starten, wäre eigentlich ein "TAM" angesagt. Frankfurt und München verfügen über ein solches Total Airport Management, weil die Lufthansa beide Airports als Hub nutzt und das entsprechende System zur Verfügung stellt. Berlin ist als bald drittgrößter Flughafen der Republik nicht so privilegiert. Ein Billigflieger wie Easy Jet schafft zwar mittlerweile jährlich vier Millionen Passagiere in die Hauptstadt, leistet sich aber kein TAM. Berlin beschreitet deshalb einen neuen Weg: BBI wird ein Hybridflughafen, den klassische und Low-Cost-Anbieter anfliegen. Neuere Flugzeuge wie der Boeing Dreamliner oder der Airbus A 350 erlauben den Fluglinien künftig, Langstrecken bereits mit 200 Passagieren gewinnbringend zu betreiben. Dezentrale Langstreckenflüge jenseits der großen Hubs sollen daher einen Aufschwung nehmen, hoffen die Berliner.
Tragisch für die Airport-Betreiber: Flughäfen wie London-Heathrow machen mittlerweile 60 Prozent ihres Umsatzes mit dem "Non-Aviation-Geschäft", also mit den Läden, Autovermietern, Reisebüros oder Spediteuren. Berlin-Brandenburg hätte auch gerne 40 Prozent, muss sich derzeit aber noch mit nur einem Drittel vom Umsatz begnügen. Beispiel Tegel: 62 Fluggesellschaften, 13 Einzelhandelsgeschäfte und zwölf Gastronomiebetriebe bedienen die Betreiber dort. 537 Beschäftigte der Betreibergesellschaft arbeiten in Tegel. 1.510 sind es über alle drei der derzeitigen Airports. Weitere 14.000 Mitarbeiter arbeiten in den anderen Unternehmen auf den Flughäfen.
Derzeit sieben Prozent Wachstum
Im neuen Capital-Airport könnten das schnell mehr werden. Mehr als sieben Prozent Wachstum hat Berlin von 2005 auf 2006 hingelegt. Macht also etwa eine Million mehr Passagiere, und bei einer Million zusätzlichen Passagieren rechnet die Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen mit einem Plus von 1.000 direkten und 2.000 indirekten Arbeitsplätzen. Allein bei den Zugangskarten entsteht dadurch ein Mehr an IT-Arbeit. 30.000 Identity-Cards geben Deimer und seine Kollegen jetzt schon für alle Flughäfen aus. Steigen Passagierzahlen, Non-Aviation-Umsatz und Sicherheitsauflagen weiter, bekommt der Technologiebeauftragte noch ordentlich zu tun.