Viele Firmen suchen händeringend nach IT-Fachkräften. Nicht selten werden auch die Angestellten gefragt, ob sie nicht jemanden kennen, der die freie Stelle ausfüllen könnte. Auf den ersten Blick ein einfacher Vorgang: Man schlägt einen Bekannten vor, und wenn die Vermittlung klappt, winkt oft sogar ein Bonus.
Mit durchschnittlich 2.000 bis 4.000 Euro belohnen Unternehmen in Deutschland Angestellte, die passende Kandidaten an die Personalabteilung vermitteln. Unternehmensberatungen oder Banken zahlen häufig mehr, beobachtet Christian von Ahlen vom Portal Jobleads.de, das auf die persönliche Vermittlung von Fach- und Führungskräften spezialisiert ist.
Für viele Firmen sei die Prämienzahlung an den eigenen Mitarbeiter eine günstige Alternative zum Personalberater, der in der Regel 30 Prozent vom Jahresgehalt des Vermittelten kassiere.
Katherine Spencer vom US-amerikanischen IT-Personaldienstleister Robert Half Technology rät indes zur Vorsicht. Auch wenn ein finanzieller Bonus winke, sei es nicht in jedem Fall ratsam, dem Chef Verwandte oder gute Freunde zu empfehlen. Denn die engen persönlichen Beziehungen zu diesen Menschen können leiden, wenn es mit der Zusammenarbeit nicht klappt.
"Dass der Mitbewohner aus alten Universitätstagen sich für Linux begeistert, mag man an und für sich toll finden", sagt Spencer. "Aber wenn der Freund zum Kollegen wird und Sie dann ständig dazu drängt, dem Management die Linux-Implementierung vorzuschlagen, werden Sie das sicher weniger angenehm finden." Wer Menschen aus seinem persönlichen Umfeld vorschlagen will, sollte sich zuvor überlegen, ob er sich die auch als gute Mitarbeiter vorstellen könnte.
Freunde ehrlich beurteilen
Wer beim Vorschlag zu sehr auf persönliche Beziehungen setzt, laufe zudem Gefahr, im Netzwerk all seiner Kontakte möglicherweise die zu übersehen, die für die fragliche Stelle viel geeigneter wären. Stattdessen wählten viele allerdings diejenigen aus, die gerade besonders dringend eine neue Stelle suchten oder die sie am liebsten mögen, wie Spencer beobachtet.
In die Falle tappen kann Katherine Spencer zufolge auch, wer meint, er kenne den zu Empfehlenden besonders gut. Wer einen Kandidaten vorschlagen wolle, sollte sich vorab noch einmal genau über dessen Hintergrund, berufliche Vorlieben und Fähigkeiten erkundigen. "Außerdem sollte man sich die Arbeitsbedingungen in der eigenen Firma vor Augen führen und ehrlich beurteilen, ob der Bekannte wirklich in dieses Umfeld passt", rät Spencer.
Den eigenen Ruf nicht riskieren
Von möglichen Kandidaten unter Druck setzen lassen sollte sich niemand. Nur weil man mit einem Freund über eine freie Stelle im Betrieb gesprochen habe, sei man noch lange nicht verpflichtet, ihn dem Chef vorzuschlagen, mahnt Katherine Spencer. "Denken Sie daran, dass dabei auch Ihr Ruf auf dem Spiel steht", sagt die Personalvermittlerin. Wer Leute mit unzureichender Qualifikation ins Spiel bringt, die schon im Vorstellungsgespräch einen schlechten Eindruck hinterlassen oder ihre Aufgabe später nicht zufriedenstellend erfüllen, der wirft auch auf sich kein gutes Licht.
Christian von Ahlen hingegen hat in dieser Hinsicht wenig Bedenken. Die Empfehlung von Bekannten für eine Stelle sei für die meisten ein "sensibles Thema". Deshalb brächten Mitarbeiter in der Regel auch nur Namen von Kontakten ins Spiel, die sie wirklich für geeignet halten. "Für eine Prämie von 2.000 Euro riskiert niemand seinen Ruf", ist er überzeugt.
Selbst wenn einmal eine schlechte Empfehlung bei der Personalabteilung ankomme, habe das selten schlimme Folgen. "Letztlich durchlaufen alle einen detaillierten Screening- und Bewerbungsprozess, so dass nur qualifizierte Kandidaten eingestellt werden."
Formalien einhalten
Ein gänzlich formloser Vorgang ist die persönliche Vermittlung von Freunden oder Verwandten denn auch nicht. Einfach den Lebenslauf an die Personalabteilung weiterzureichen, sei nicht genug, findet Spencer. "Besser ist es, Sie sprechen mit einem Personaler und erklären ihm, warum Ihr Bekannter ein ausgezeichneter Mitarbeiter wäre." In einem solchen Gespräch dürfe man dem Personal-Manager ruhig Insider-Wissen mitteilen, etwa dass sich der Freund bei der gemeinsamen Arbeit bei einem früheren Arbeitgeber besonders gut geschlagen habe.
Ein schwerer Fehler ist es, den eigenen Einfluss bei der Empfehlung von Bekannten überzubewerten. "Machen Sie demjenigen, den Sie vermitteln wollen, klar, dass Ihre Unterstützung keine Garantie dafür ist, dass er die Stelle auch bekommt", rät Spencer. Der zu Vermittelnde solle die Bewerbung angehen wie in jedem anderen Fall: Eine ordentliche Bewerbungsmappe samt Anschreiben an den richtigen Ansprechpartner gehört in jedem Fall dazu.
Standardisiertes Recruiting
Auch in diese Falle tappen indes nach Meinung von Christian von Ahlen nur wenige. "Die meisten haben einen recht nüchternen Blick darauf", sagt er. Mehr als einen Kontakt herstellen könne kaum jemand. "Auch bei Empfehlungen halten die Unternehmen standardisierte Prozesse ein", sagt von Ahlen.
In vielen Firmen gebe es sogar eigene Vorgehensweise für die Job-Vergabe auf Empfehlung, berichtet Katherine Spencer. In manchen Betrieben müsse der Vorschlagende die Unterlagen seines Bekannten persönlich einreichen, in anderen bewerbe sich der Kandidat selbst und verweise in seinem Anschreiben nur auf die Empfehlung. Das bei Empfehlungen übliche Vorgehen zu kennen sei nicht zuletzt deshalb wichtig, um einen möglichen Bonus für die erfolgreiche Vermittlung nicht zu verpassen, betont Spencer.
Gelungene Empfehlungen zu machen, sei mit einem Lernprozess verbunden, betont Personal-Expertin Spencer. Aber wenn es einem einmal gelungen sei, einen Bekannten erfolgreich im eigenen Unternehmen unterzubringen, werde das Management möglicherweise auch künftigen Vorschlägen aufgeschlossen gegenüber stehen.
Auch Christian von Ahlen ermuntert Firmen wie auch ihre Mitarbeiter, das Instrument der persönlichen Empfehlung stärker zu nutzen. Vielerorts werde das Thema noch stiefmütterlich behandelt. "Dabei schlummert hier ein wahnsinniges Potenzial", sagt der Mitgründer von Jobleads. Wer beispielsweise seit 20 Jahren als Ingenieur arbeite, habe ein großes Netzwerk, auf das er für Vorschläge zurückgreifen könne. Und für Firmen sei die Vorauswahl von Kandidaten aufgrund persönlicher Empfehlungen die "preisgünstigste Art des Recruitings - und zudem sehr eine sehr erfolgreiche".