Eigentlich muss man mit den Menschen nur reden - über die Vernetzung, "Industrie 4.0", neue Jobanforderungen und den möglichen Arbeitsplatzverlust. Das meinen zumindest Manager. Aber was bewegt die Menschen in den Fabriken? Immer wieder gibt es düstere Prognosen zur Zukunft der Arbeit: Roboter ersetzen den Menschen in der Fertigung, nehmen ihm einfache Tätigkeiten weg, künstliche Intelligenz und digitale Assistenten vereinfachen Dienstleistungen und Transporte werden von fahrerlosen Fahrzeugen erledigt.
Auf viele warte die Arbeitslosigkeit, ist sich der Philosoph Richard David Precht sicher: Die Digitalisierung werde Millionen Arbeitsplätze verschwinden lassen. Selbst IT-Jobs seien bedroht, sagt er Anfang des Jahres auf der Hannover Messe. Er gehe davon aus, dass Roboter sich künftig selbst programmierten. Dann würden Millionen IT-Jobs entfallen. Das gelte auch für den Beruf des Bürokaufmanns, in dem in Deutschland rund 7,2 Millionen Menschen arbeiteten. Er spricht von einfachen Tätigkeiten, die Roboter übernähmen. Da schließt er den Bürokaufmann ein: den Job zu lernen traue er sich in drei Monaten zu.
Schon vor Jahren hatte das Weltwirtschaftsforum in Davos düstere Zukunftsszenarien entworfen. Global würden bis 2020 rund fünf Millionen Jobs wegen der Digitalisierung wegfallen. Auch wenn die Ergebnisse sich im Detail unterscheiden: viele andere Studien stellen ganz ähnliche Szenarien in Aussicht.
Vernichtet die Digitalisierung wirklich Jobs?
Aber ist es so sicher, dass die Digitalisierung Jobs vernichtet? Siemens-Personalchefin Janina Kugel betont: "Weder Menschen noch Maschinen können die Zukunft voraussagen." IG-Metall-Vize Christiane Benner erklärt: "Es wird natürlich keine Massenentlassungen geben, aber ich glaube, es wird einen fundamentalen Wandel bei der Art der Beschäftigung geben." Vorausschauende Maßnahmen könne es nur geben, wenn "wir heute die Entwicklungen der nächsten Jahre abschätzen können". Was aber laut Janina Kugel - siehe oben - schwierig ist.
Wie sieht es bei einem Konzern wie Volkswagen aus? "Man muss Geld verdienen, um in die Zukunft zu investieren", sagt Betriebsratschef Bernd Osterloh. Und: Wegen der Elektromobilität und der weniger aufwendigen Fertigung werde ein Drittel weniger Mitarbeiter gebraucht: "Wir werden weniger Beschäftigte haben."
Osterloh erinnert an das "Zukunftspakt" genannte Sparpaket, mit dem weltweit 30.000 Stellen gestrichen werden und zugleich 9.000 neue Jobs dank Zukunftstechnologien entstehen sollen. Im Gegenzug handelte der Betriebsrat eine Beschäftigungssicherung für die Belegschaft und den Verzicht auf betriebsbedingte Kündigungen aus. Im Gespräch sind neue Einsparungen, Anfang des Jahres hatte VW bekanntgegeben, bis zu 7.000 Stellen könnten gestrichen werden - wegen der Digitalisierung. Laut Osterloh war der Vorstand nicht in der Lage, die Größenordnung zu erläutern.
Keine amerikanischen Verhältnisse
Der Betriebsratschef betont, nötig sei Arbeit, die so viel Geld bringe, um das Leben gestalten zu können: "Ich brauche kein Recht auf Arbeit, sondern auf ein anständiges Leben." Amerikanische Verhältnisse und die Notwendigkeit, drei Jobs zu haben, um leben zu können, wolle er nicht. Aber nicht nur die Digitalisierung bedrohe VW - wenn künftig ein Viertel von jährlich zehn Millionen Autos des Konzerns batterie-elektrisch angetrieben sein solle, dann würden die Preise für die Rohstoffe der Akkus nicht sinken, sondern steigen. Ganz zu schweigen von der Verfügbarkeit der Rohstoffe, die oft unter menschenunwürdigen Bedingungen geschürft werden: "Dann werden seltene Erden ganz selten." Precht sieht das Wasserstoffauto vorn.
IG-Metall-Vize Benner sagt: "Der entscheidende Schlüssel für eine erfolgreiche Digitalisierung der Industrie ist Mitbestimmung und die Beteiligung der Beschäftigten. Das Einbinden nimmt auch Ängste vor Veränderungen." Benner spricht denn auch von Qualifizierung, Volkswagen will die Beschäftigten zu Software-Experten weiterbilden und Precht gar das "Bildungssystem revolutionieren".
Warum das? Schulen bereiteten heute "genau auf die Jobs vor, die jetzt wegfallen", erklärt er. Zukunft haben aus seiner Sicht vor allem IT-Spitzenkräfte, Dienstleister und das Handwerk: "Es gibt viele Handwerksarbeiten, die wir nicht ersetzen können. Eine Heizung reparieren kann kein Roboter." Klar sei: es werde gleichzeitig einen enormen Arbeitskräftemangel und Millionen von Arbeitslosen geben.
Precht sieht auch die Sozialsysteme, etwa die Rente, wegen der demografischen Entwicklung und der künftig immer geringeren Zahl an Einzahlern, als bedroht an. "Maschinen zahlen nicht in die sozialen Systeme ein." Seine Lösung: das bedingungslose Grundeinkommen. Denn wer die Menschen an der geldwerten Arbeit messe, die sie leisten, produziere am Ende Verlierer. (dpa/ad)