"Um die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit in der digitalen Welt zu bewahren, legen wir klare und transparente Regeln zu Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten vor", erklärte Maas, der sich noch Anfang des Jahres gegen eine Wiedereinführung der anlasslosen Speicherung ausgesprochen hatte. Die Leitlinien (PDF-Link) kombinierten "zeitlich und inhaltlich eng begrenzte Speicherfristen mit sehr strengen Abrufregelungen", brächten die Ziele der Verbrechensbekämpfung mit hohen Datenschutzstandards in Einklang und hielten die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofs ein.
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung hatte bereits Ende März vor einem "Umkippen" von Maas gewarnt. "Im Vorfeld der Europawahl haben wir auf Anfrage beim SPD-Parteivorstand klar ablehnende Positionen zur Vorratsdatenspeicherung erhalten", erklärte seinerzeit Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis. "In ihrer Antwort betont die Parteiführung die Unvereinbarkeit einer flächendeckenden anlasslosen Speicherung mit europäischen Grundrechten und fordert die Aufhebung aller VDS-Gesetze in den EU-Mitgliedstaaten. Das Verabschieden eines neuen Gesetzes stünde im direkten Widerspruch zu diesen Aussagen und würde somit eine Wählertäuschung darstellen."
Die Leitlinien sähen vor, heißt es vom Justizministerium weiter, dass Inhalte von Kommunikation in keiner Weise gespeichert werden dürften. Das Recht auf unbeobachtete Kommunikation werde geschützt und erhalten. Insbesondere dürften auch keine Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellt werden; außerdem sei der gesamte E-Mail-Bereich komplett von der Speicherung ausgenommen.
Die Leitlinien sehen eine maximale Speicherdauer von zehn Wochen vor. Daten müssen unmittelbar nach Ablauf dieser Frist gelöscht werden, andernfalls wird eine Geldbuße fällig. Standortdaten ("ein besonders intensiver Eingriff") dürfen sogar höchstens vier Wochen lang vorgehalten werden.
Provider müssen demnach die Daten im Inland speichern und gegen unbefugte Kenntnisnahme und Verwendung schützen. Ein Abruf der Daten darf nur bei einzeln aufgelisteten schweren Straftaten und nur nach vorheriger Genehmigung durch einen Richter erfolgen. Überdies müssen die Betroffenen grundsätzlich darüber informiert werden.
Last, but not least wird der Handel mit gestohlenen Daten wird unter Strafe gestellt. Dazu werde auch der neue Straftatbestand der "Datenhehlerei" geschaffen und damit eine Strafbarkeitslücke geschlossen, so das Ministerium.
"Unser Kompromiss wird möglicherweise einigen nicht weit genug gehen. Das ist nicht die alte Vorratsdatenspeicherung, wie die Sicherheitspolitiker sie sich wünschen", sagt Minister Maas. "Anderen - wie etwa den Netzpolitikern - wird er eventuell zu weit gehen." Die Speicherung von Verbindungsdaten stelle "keinen unerheblichen Eingriff in die Grundrechte" dar. Deswegen lege man ein besonderes Augenmerk darauf, Freiheitsrechte und Datenschutz soweit wie möglich zu sichern und zu bewahren.
"Die Vorratsdatenspeicherung ist und bleibt grundrechtswidrig", warnt Volker Tripp, politischer Referent des Vereins Digitale Gesellschaft. "Auch wenn Justizminister Maas bemüht ist, das Vorhaben nun mit einer dicken Schicht rechtsstaatlicher Kosmetik zu versehen, bleibt es eine anlasslose Bevorratung besonders sensibler personenbezogener Daten."
Auch der eco - Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V. lehnt den Vorschlag aus mehreren Gründen ab. "Die Leitlinien sind ein fauler Kompromiss. Trotz reduzierten Daten, Speicherfristen und Richtervorbehalt bleibt die Vorratsdatenspeicherung eine anlasslose Überwachung der Kommunikation der Bürger in der digitalen Welt", sagt Oliver Süme, Vorstand Politik & Recht. "Sowohl technische als auch rechtliche Fragen bleiben unbeantwortet und die Unsicherheit der Unternehmen geht in die nächste Runde."
Der Bundesverband IT-Mittelstand e.V. (BITMi) hat ebenfalls "sehr enttäuscht" ("Maas knickt ein") auf die Einigung von Maas und Innenminister Thomas de Maizière (CDU) auf die Leitlinien reagiert. "Wir haben gehofft, dass Justizminister Maas stark bleibt und eine anlasslose Datenspeicherung verhindert", kommentiert BITMi-Präsident Oliver Grün.
Die unterschiedlichen Speicherfristen für Verkehrs- und Standortdaten belasteten insbesondere kleine und mittelständische IT-Unternehmen, die nun dazu verpflichtet werden, diese Daten quasi vorab auszuwerten und zu sortieren. "Das bedeutet mehr Bürokratie für den Wirtschaftsstandort Deutschland und das ist schlecht", so Grün. Unklar bleibe in der Regelung leider auch, welche Unternehmen oder Organisationen tatsächlich speichern sollten.
"Mit dieser Einigung der beiden Minister auf die Leitlinien zur Höchstspeicherfrist wird der Vorratsdatenspeicherung nur ein neuer Name gegeben", so Grün weiter. An den Sachverhalten eines unsinnigen nationalen Alleingangs, eines Verbotes der Vorratsdatenspeicherung durch BGH und EuGH sowie an der nie nachgewiesenen Wirksamkeit ändere sich nichts.