Nach Information der Magazine "Spiegel" und "Wirtschaftswoche" war die Deutsche Post beleidigt, weil Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem IT-Gipfel in Dresden am 7. Dezember ihren E-Postbrief nicht genügend würdigen wollte. "Während Kanzlerin Angela Merkel den De-Mail-Stand von Telekom und 1&1 besuchte, spielte das Post-System bei den Präsentationen keine Rolle", schreibt der "Spiegel" in seiner aktuellen Ausgabe. Dabei habe man doch bislang das einzig betriebsbereite System auf dem Markt.
Die Post handelte aus ihrer Sicht konsequent: Post-Chef Frank Appel zog dem Bericht zufolge seine Repräsentanten kurzerhand von der Veranstaltung ab. Begründung: Man fühle sich „unangemessen behandelt." Und die „Wirtschaftswoche" weiß zu berichten: „Versuche der Post, auf höchster Ebene den Besuch zu stoppen, waren gescheitert."
Neben dieser eher kindischen Verhaltensweise wird inzwischen nicht nur hinter den Kulissen gefochten, sondern auch vor Gericht gestritten. Wie die „Wirtschaftswoche" herausgefunden hat, verklagt United Internet die Deutsche Post, weil sich diese weigere, das Postident-Verfahren den De-Mail-Partnern zur Verfügung zu stellen. Eine Identitätsprüfung muss zwingend erfolgen, wenn ein De-Mail-Konto eröffnet wird.
Das Unternehmen United Internet, das unter anderem die E-Maildienste Web.de und GMX betreibt, habe vor dem Landgericht Köln Klage eingereicht, um die Post zu zwingen, ihre Dienstleistung auch De-Mail anzubieten. Die Verhandlung beginne am 23. Dezember.
Laut Deutscher Presse-Agentur hat die Deutsche Post der Deutschen Telekom einen Vertrag zur Nutzung von Postident zum 1. Januar 2011 gekündigt. Das sagte ein Sprecher der Deutschen Telekom. Im Fall einer Neuauflage wolle die Post demnach ausdrücklich ausschließen, dass Postident für De-Mail-Dienste genutzt werde. Die Telekom überlege nun, mit Banken oder den öffentlich-rechtlichen Sparkassen zusammenzuarbeiten oder das eigene Filialnetz zur Identifikation der De-Mail-Kunden zu nutzen. United Internet plant, die Authentifizierung „nach Terminabsprache an der Haustür oder dem Arbeitsplatz" vornehmen zu lassen.
Die Post kann an ihrer Verweigerungshandlung nichts Böses erkennen. Ein Post-Srecher sagte laut "Wirtschaftswoche": "Wir torpedieren nichts, aber wir stehen ja bald im Wettbewerb zueinander." Inzwischen gibt es aber auch Verschwörungstheorien: Auch hinter der Debatte um angebliche Sicherheitslücken der De-Mail soll demnach die Deutsche Post stecken. Dabei geht es darum, dass die E-Mails im Rechenzentrum auf Viren geprüft werden und dazu einige Sekunden geöffnet werden müssen. Die Post bestreitet den Vorwurf.
Schützenhilfe bekommt die Deutsche Post jetzt von unerwarteter Seite. Kurt Kammerer, CEO von Regify aus Hüfingen, das schon länger ähnliche digitale Postlösungen anbietet, wie sie jetzt für den Massenmarkt geplant sind, schreibt: „Die De-Mail-Verbündeten Deutsche Telekom und United Internet arbeiten mit aller Macht daran, ihre Vormachstellung im E-Mail-Bereich zur Etablierung eines Oligopols im digitalen Postbereich auszunutzen. De-Mail sucht aber nicht den in einer Marktwirtschaft üblichen Weg, das beste Angebot am Markt machen zu wollen, sondern man fordert vom Gesetzgeber ein eigenes Gesetz, um den Wettbewerb um die Gunst des Kunden gleich gar nicht erst aufkommen zu lassen."
Länder fordern zahlreiche Veränderungen des De-Mail-Gestezentwurfs
Kammerer hatte zusammen mit befreundeten Kollegen eine „Smart-Mail-Initiative" gestartet. Los ging es am 27. Oktober mit einem Treffen unter Dach der Theseus-Initiative der Bundesregierung im „Theseus-Innovationszentrum Internet der Dienste" in Berlin. Unter dem Dach der offenen Plattform „Smart Mail 2015" wollen nun verschiedene mittelständische Technologieanbieter, darunter Document Exchange Network, Empalis, Francotyp-Postalia, Spectos und Visenso, intelligente E-Mail-Dienste für das Internet der Dienste erforschen und neue Formen für den Brief der Zukunft entwickeln.
Der Start der rechtssicheren DE-Mail war ursprünglich für Januar 2011 geplant, noch ist aber nicht einmal das nötige Gesetz dazu verabschiedet. So kann es frühestens im März 2011 losgehen. Die Vertreter der De-Mail macht das nervös. Jan Oetjen, Geschäftsführer von Gmx und Web.DE, forderte im Umfeld des IT-Gipfels von der Politik „entschlossenes Handeln". Weitere Verzögerungen würden bei den Nutzern auf Unverständnis stoßen und der Wirtschaft schaden. „De-Mail nutzt den Bürgern, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung", sagte er.
Über 750.000 Internetnutzer hätten sich bei United Internet für eine De-Mail Adresse registrieren lassen. Zusammen mit der Deutschen Telekom habe man so rund eine Million Verbraucher hinter sich. „De-Mail ist technisch ausgereift und bietet die höchsten Sicherheitsstandards für eine rechtssichere Kommunikation."
Doch tatsächlich gab es von den Experten der Fachausschüsse des Bundesrats in zahlreichen Punkten Kritik am De-Mail-Gesetzentwurf. Sie forderten in einem 20-seitigen Empfehlungs-Papier am 16. November 2010 (Drucksache 645/1/10) eine Korrektur der Vorlage. Man habe noch „eine Vielzahl rechtlicher und technischer Fragen". So bedürfe das De-Mail-Verfahren zwingend einer Abstimmung mit dem Signaturgesetz, um ein stimmiges Gesamtkonzept zu schaffen. Denn der Bürger dürfe sein Rechtsmittel nicht über De-Mail einlegen, hierzu benötigt er die qualifizierte elektronische Signatur.
Auch müsse De-Mail mit dem in der Justiz eingesetzten Elektronischen Gerichts- und Verwaltungspostfach kompatibel sein. Offen sei auch, welche Folgen mit der automatisierten Weiterleitung an eine andere De-Mailadresse verbunden seien.
Ländervertreter fordern Ende-zu-Ende-Verschlüsselung
Weitere Kritikpunkte:
1. Ende-zu-Ende Verschlüsselung:
Zitat in den Empfehlungen der Ausschüsse: „…Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung findet nicht statt, die Nachrichten werden zur Überprüfung von Viren und zur Prüfung, ob es sich um eine SMTP-Mail handelt, kurzfristig entschlüsselt. Während dieses Vorgangs sind die Nachrichten einem erhöhten Risiko des Angriffes durch unbefugte Dritte ausgesetzt. Der Bundesrat hat daher datenschutzrechtliche Bedenken gegen die vorgesehene Verschlüsselung und fordert die Bundesregierung auf, eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung vorzusehen."
Ohne Ende-zu-Ende Verschlüsselung sei das Briefgeheimnis nicht gewahrt, denn die De-Mail-Provider öffnen bei dem vorgesehenen De-Mail-Verfahren jede einzelne vertrauliche Nachricht.
2. Fehlende Übertragbarkeit der De-Mail-Konten
Zitat in den Empfehlungen der Ausschüsse: „…Der Entwurf erhält keine Regelungen etwa zur Möglichkeit der Übertragung eines De-Mail-Kontos und deren Adressierung von einem Dienstanbieter auf den anderen oder zu Kündigungsmöglichkeiten."
Gemäß aktueller Konzeption soll der Name des jeweiligen Providers (z.B. Gmx, T-Online) in der De-Mail-Adresse enthalten sein. Beim Wechsel eines Providers sind E-Mail-Accounts nicht übertragbar. Der Nutzer steht damit im Fall eines gewünschten Wechsels vor einem Problem. Er ist ungewollt an den De-Mail-Provider gebunden.
Zitat aus dem Bundesratspapier: „Die Festlegung auf nur eine ‚Kennzeichnung’ erlaubt providerabhängige Domänenteile. Das erschwert den ‚Umzug’ eines Nutzers zu einem anderen Provider und behindert den Wettbewerb.“
3. Wettbewerbsbeschränkung durch De-Mail-Gesetz
Zitat in den Empfehlungen der Ausschüsse: „Sofern die Möglichkeit der elektronischen Zustellung gegen Zugangsbestätigung für sinnvoll und erforderlich gehalten wird, sollte sie demgegenüber nicht nur den Nutzern von De-Mail-Diensten ermöglicht werden, sondern allen Nutzern sicherer Kommunikationssysteme, bei denen die Authentizität der Nutzer sichergestellt ist."
De-Mail soll technikneutral sein
Es sei aus Wettbewerbsgründen nicht einzusehen und wäre nachteilig für den Nutzer, wenn andere Verfahren mit vergleichbaren Leistungsmerkmalen qua Gesetz gegenüber De-Mail benachteiligt würden.
4. De-Mail engt technisch zu sehr ein
Zitat in den Empfehlungen der Ausschüsse: „Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie gewährleistet werden kann, dass Regelungen über die Möglichkeit von elektronischen Zustellungen durch Behörden gegen Zugangsbestätigung technikneutral ausgestaltet werden können.“
Durch das De-Mail-Gesetz hätte ein eng spezifiziertes Produkt qua Gesetz eine Alleinstellung, alternative Produkte würden benachteiligt.