Google Wallet vs. Microsoft & Co.

Kampf ums digitale Portemonnaie

09.08.2012 von Hartmut  Wiehr
Eine Schar von Anbietern tummelt sich auf dem Feld für digitales Bezahlen. Punkten kann laut Forrester nur, wer Mehrwert bietet - etwa Lagerinfos in Echtzeit.

Laut Forrester Research kommt das NFC-gestützte Bezahlsystem (Near Field Communication) endlich etwas in die Gänge. In diesem Jahr soll sich die Zahl der mobilen Geräte, die NFC-fähig sind, mit mehr als 100 Millionen Stück sogar annähernd verdoppeln. Doch mit einem richtigen Durchbruch könne erst in drei bis fünf Jahren gerechnet werden.

Die Forrester-Analystin Denee Carrington sagt einen Krieg voraus: Beim digitalen Bezahlen treffen erbitterte Konkurrenten aufeinander. Noch ist völlig offen, wer der Sieger sein wird.
Foto: Forrester Research

Die Forrester-Analystin Denee Carrington verweist darauf, dass schon jetzt konkurrierende, hardware-unabhängige Lösungen zum digitalen Bezahlen den Markt betreten. Da sie mit weniger technischen Schwierigkeiten als NFC zu rechnen haben, würden sie sich auch schneller durchsetzen.

Eigener Markt für digitale Portemonnaies im Entstehen

Carrington schreibt in ihrem Blog: "Wir befinden uns im Anfangsstadium unvorhergesehener Innovationen und Tranformationen im Bereich der Bezahlprozesse für Konsumenten. Ein eigener Markt für digitale Portemonnaies ist der nächste Schritt." Dabei sei noch nicht einmal klar, wie man "Digital Wallet" definieren könne. Manchmal werde es schlicht mit "digitaler Bezahlung" gleichgesetzt.

Carrington schlägt dagegen folgende Begriffsbestimmung vor: "Ein Digital Wallet ist ein elektronischer Service – zugänglich über das Web oder über eine mobile Applikation –, mit dem verschiedene Bezahlprozesse unterschiedlicher Provider durchgeführt werden können. Außerdem lassen sich damit andere Retail-Aktionen wie Sonderangebote, Coupons, Loyalitätsprogramme, elektronische Rechnungen oder Produktinformationen verbinden."

In dem Maße, in dem neue Bezahldienste (Wallets) im Markt eingeführt werden, können Konsumenten und Händler sie ausprobieren oder einsetzen. Doch das Ergebnis dieser Versuche ist absolut offen – schon seit Jahren gibt es immer neue Ansätze. Bisher hat sich keiner richtig durchsetzen können. Die Platzhirsche beherrschen das Feld: Einige international anerkannte Kreditkarten, PayPal – sonst gibt es noch nicht so viel. Echtes, gutes Geld natürlich auch – Münzen, Scheine, wie gehabt eben. Selbst in den USA ist viel davon im Umlauf.

Verschiedene Definitionen von Digital Wallet

Wer eine Alternative lancieren will, muss deshalb einen Extra-Mehrwert bieten, der über die bisherigen Angebote hinausgeht. Carrington betont diesen Faktor ausdrücklich: "Damit Digital Wallets allgemein akzeptiert werden, müssen die Anbieter den Einkaufsprozess vor, während und nach dem Bezahlen anreichern." Mit anderen Worten: Einkaufen und Bezahlen als Event.

Dieses hehre Ziel Realität werden zu lassen, bemüht sich inzwischen eine ganze Armada aus Start-ups, Telefon-Gesellschaften, Finanzinvestoren und Retail-Giganten. Carrington prophezeit, dass wir bald die "early adopters" sehen werden, die mit neuen Lösungen vorpreschen werden. Schließlich gehe es darum, vielversprechende Marktplätze zu besetzen und sie dann vor den später einsteigenden Konkurrenten zu schützen.

Bereits zu Beginn 2012 gab es laut Forrester erste erfolgreiche Testinstallationen von Google Wallet, und die App für Mobile Payment von Starbucks sei in den USA von den Kunden positiv aufgenommen worden. Weitere Konkurrenten um einen vorderen Platz in dem neuen Markt sind PayPass von MasterCard, 02 Wallet von Telefónica und V.me von Visa. Bald kommen sollen Isis Mobile Wallet sowie Lösungen von Microsoft, PayPal und Sprint. Google Wallet soll demnächst in der Version 2.0 vorgestellt werden.

Alle wollen sie dabei sein, wenn es um das digitale Bezahlen geht. Die wirklich wichtigen Player hat Forrester in dem inneren Kreis angeordnet.
Foto: Forrester Research

Das Angebotsspektrum kann sich schon jetzt sehen lassen, wie eine Übersicht von Forrester zeigt:

Zu den möglichen Mehrwertdiensten, die dem digitalen Bezahlen zum Durchbruch verhelfen könnten, zählt Forrester:

Coupons und ähnliche Aktionen:

Coupons, Sonderangebote

Automatisches Einlösen an der Kasse

Kunden-Analytics, die personalisierte Aktionen bringen sollen

Verbesserte Produktinformationen:

Scanning mit NFC, Barcode oder QR-Code

Events in den Läden zur Produktinfo

Echtzeit-Lagerinfos

Mehrwertdienste rund um Digital Wallets

Offene Zahlungsweisen:

Zugang zu Digital Wallets von verschiedenen Channels aus

Flexible Zahlungsangebote

Digitale Rechnungen und angepasste Aktionen nach dem Einkauf

Kundentreue:

Integrierte Treueaktionen

Akkumulierte Einkaufs- und Treueangebote

Personaliertes Einlösen

Der Wettlauf um die Kundengunst wird besonders von drei Interessengruppen angetrieben. Da sind zum Einen die Kreditkarten-Institute, die sich an die Spitze der Bewegung rund um digitale Portemonnaies setzen wollen – schon allein aus dem Grund, ihre bisherige Dominanz nicht zu verlieren.

Ihnen folgen dichtauf die neuen Wallet-Provider wie Google oder Microsoft, die sehr stark auf NFC setzen. Und schließlich unterscheidet Forrester-Analystin Carrington als eigene Gruppe jene Retailer, die eventuell zusammen mit Wallet-Providern Mehrwertdienste zusammen mit dem Bezahlen promoten. Wie Carrington ausführt, ist hier mit kleineren Wallet-Angeboten von privater Seite sowie mit diversen Allianzen und Übernahmen auf diesem Sektor zu rechnen.

Der von ihr prophezeite Krieg um das digitale Portemonnaie dürfte sich allerdings noch etwas hinziehen. Bisher verweigern die meisten Konsumenten, sich für ihn einspannen zu lassen.