SPD stellt Minister vor

Karl Lauterbach wird neuer Bundesgesundheitsminister

06.12.2021
"Er wird es" - mit diesen Worten kündigte der künftige Kanzler Olaf Scholz Karl Lauterbach als nächsten Gesundheitsminister an. Kriegt Deutschland die Pandemie nun besser in den Griff?
Karl Lauterbach ist während er Pandemie durch alle Polit-Talk-Shows gezogen. Die Deutschen haben ihn als Mahner kennengelernt. Nun ist er Bundesgesundheitsminister.
Foto: Juergen Nowak - shutterstock.com

Bislang war Karl Lauterbach der eindringlichste Mahner in der Pandemie - für die einen profilierter Corona-Erklärer, für andere schlicht ein Schwarzseher oder einfach eine Nervensäge. Jetzt versucht er es mit Entschlossenheit und Optimismus.

"Ein wichtiges Ziel muss sein, die Fallzahlen so stark herunterzubringen, dass wir, ohne die Menschen zu gefährden, Reisen empfehlen können", sagt Lauterbach am Montag mit Blick auf Weihnachten. Wenige Minuten vorher hat der wohl künftige Kanzler Olaf Scholz den Rheinländer im Berliner Willy-Brandt-Haus als nächsten Gesundheitsminister angekündigt. Kriegt Deutschland mit Karl Lauterbach als Nachfolger des CDU-Ministers Jens Spahn die Pandemie nun besser in den Griff?

Kein Zweifel hat der 58-Jährige in den vergangenen Monaten daran gelassen, dass er genaue Vorstellungen hat, was getan werden müsste und was aus seiner Sicht nicht mehr geht in der Pandemie. Noch am Sonntagabend hatte Lauterbach in der ARD-Sendung "Anne Will" auf die Frage nach einem neuen Lockdown wenig Beruhigendes auf Lager: "Ich glaube nicht, dass wir einen brauchen, aber versprechen kann ich das derzeit nicht."

Jetzt muss er es besser machen

Ob zur raschen Ausbreitung der Omikron-Variante, der Seltenheit von Nebenwirkungen bei der Kinder-Impfung oder zur Bedeutung des Boosterns zum Verhindern von Todesfällen - auch in den Stunden vor seiner Benennung setzte Lauterbach sein übliches Twitter-Gewitter fort. Im Nachhinein lesen sich die Tweets schon wie eine kleine Regierungserklärung des neuen starken Mannes im Gesundheitsressort an Berlins Friedrichstraße.

Nun, auf der kleinen Bühne in der SPD-Zentrale, kündigt er an: "Wir werden den Kampf gegen die Pandemie gewinnen, und für weitere Pandemien werden wir besser gerüstet sein." Die selbstgelegte Latte für Lauterbach liegt also hoch. Er selbst sagt, Impfen werde die zentrale Rolle spielen - "aber nicht nur".

In Lauterbachs Karriere glückte in den vergangenen Jahren bei weitem nicht alles. Erfolglos trat er gemeinsam mit der Umweltpolitikerin Nina Scheer an, als die SPD im Sommer 2019 nach dem Rücktritt von Andrea Nahles als Parteichefin eine Nachfolge suchte. Und im Sommer hatte es gar so ausgesehen, als könnte die politische Karriere Lauterbachs zumindest vorläufig ganz enden.

Einen sicheren Platz auf der Landesliste hatte ihm seine NRW-SPD verwehrt, und ein gutes Abschneiden der SPD bei der Bundestagswahl war lange keineswegs ausgemacht. Doch dann folgte der SPD-Aufschwung, und Lauterbachs schnitt in seinem Wahlkreis Leverkusen - Köln IV sogar am besten von allen Direktkandidaten aus Nordrhein-Westfalen ab.

Polarisierende Kassandrarufe

Doch dass er seinen recht unverhohlen herbeigewünschten Traumjob als Gesundheitsminister bekommen würde, war noch in den vergangenen Tagen alles andere als sicher. Lauterbach polarisiert. Seine in leicht näselndem Tonfall hervorgebrachten Kassandrarufe rufen bei manchen Menschen Gegenwehr bis hin zu aggressiven Attacken hervor. Die Begleitung durch Personenschützer ist Lauterbach gewöhnt.

Vor allem aber gilt der promovierte Mediziner und Harvard-Absolvent als politischer Einzelgänger - und Scholz nicht als Lauterbach-Fan. Eine große Behörde wie ein Ministerium leitete er noch nie. Und legendär sind etwa Anekdoten, bei denen Lauterbach für peinliche Szenen in Restaurants gesorgt haben soll. Denn er isst kein zugesetztes Salz und soll regelmäßig entsprechende Sonderwünsche beim Personal hinterlassen. Als wenig sozialkompatibel wurde er da beschrieben. "Esseinschränkung für Gesundheit ist nicht asozial", dozierte Lauterbach daraufhin auf Twitter.

Der Epidemiologie und Gesundheitsökonom

Andererseits ist der Epidemiologie und Gesundheitsökonom seit Jahren an vorderster Linie dabei im Dickicht des Gesundheitswesen. Schon 2013 verhandelte er mit Spahn das Gesundheitskapitel im damaligen Koalitionsvertrag aus. Rund sieben Jahre lang war er dann stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD. Doch während die gesundheitspolitischen Geschicke in der Fraktion dann andere lenkten, wurden die Talkshows immer mehr zu Lauterbachs wichtigster Arena. Sogar als Comedian versuchte sich Lauterbach zwischendurch, nachdem er schon seit Jahren mit trockener Ironie bei der ZDF-"heute-show" immer mal wieder ein vergleichsweise souveränes Bild abgibt.

In der SPD wird erwartet, dass Lauterbach auch als Minister weiter twittert und in Talkshows sitzen wird - schließlich ist er auch als Aufklärer zu seinem neuen Job gekommen. Dass Lauterbach quasi im Alleingang die vierte Corona-Welle brechen kann, dürfte niemand ernstlich erwarten. Auch die Krankenhaus-Einweisungen von Covid-19-Patientinnen und -Patienten werden in den kommenden Wochen wohl erstmal weiter zunehmen - so schnell lässt sich das Ruder nicht herumreißen. Und ob die Scholz-Regierung mit Lauterbach als Minister ihre ehrgeizige Ziele von 30 Millionen Impfungen bis Weihnachten erreicht, ist noch offen.

Wenig ändern dürfte sich an Lauterbachs Arbeitsbelastung. Bereits seit Beginn der Corona-Krise schlafe er zu wenig, lese jede Nacht Studien zur Pandemie-Lage, ernähre sich nicht mehr vegan, trinke Kaffee statt grünem Tee sowie jeden Tag Wein, sagte er in einem Interview. Und nachdem der fünffache Vater der "Bunten" anvertraute, dass er nicht ewig Single bleiben wolle, fehlte ihm nach eigenem Bekunden die Zeit, all die eingegangenen Zuschriften von Frauen zu sichten - wofür er sich in einem weiteren Interview sehr entschuldigte. (dpa/rs)