IT-Nachwuchs

Karriere im Startup machen

14.08.2015 von Lea Steinweg
Viele IT-Nachwuchskräfte interessieren sich für junge Unternehmen aus dem digitalen Business, die aus den Kinderschuhen heraus sind und sich in schnellem Wachstum befinden. Doch für den Job in einem Startup sollten Bewerber bestimmte Eigenschaften mitbringen. Unternehmer und Fachkräfte aus Karlsruhe erzählen von ihren Erfahrungen.
  • Berufseinsteiger sollten bei jungen Unternehmen Erfahrungen sammeln
  • Chrono24-Mitarbeiter sollen Eigeninitiative leben

Neben dem Studium ein attraktives Taschengeld verdienen und den Lebenslauf mit prominenten Firmennamen schmücken: Wie viele andere Informatiker hat Tobias Knecht schon während des Studiums bei einem Konzern gearbeitet - bei IBM in Stuttgart und später bei 1&1 in Karlsruhe.

Heute, acht Jahre später, ist Knecht mit seinem eigenen Startup abusix in Karlsruhe und im Silicon Valley im Bereich Netzwerksicherheit aktiv und kann Berufseinsteigern nur empfehlen, sich für die ersten wichtigen Erfahrungen bei einem jungen Unternehmen zu bewerben: "In einem Konzern bist Du ein Rädchen und in einem Startup derjenige, der bei einem Thema den Hut aufhat. Du kannst Dich ausleben, austoben und auch herausfinden: Ist das wirklich die fachliche Richtung, in die ich gehen will?"

"Ist dieser Beruf wirklich etwas für mich?" - Dieser und ähnlichen Fragen kann man bei einem Praktikum in einem Startup auf den Grund gehen.
Foto: abusix GmbH

"Über den Tellerrand schauen"

Auch Felix Wick schätzt die Freiheit, selbst viel im Unternehmen gestalten zu können. Der 32-jährige promovierte Physiker ist Data Scientist, spezialisiert auf Big Data - und gehört damit zu einer heiß begehrten Fachkräftespezies. Wick hat im Fermilab in Chicago gearbeitet, einem Vorgänger-Experiment zum berühmten Teilchenbeschleuniger des CERN. Anschließend kam er über alte Bekanntschaften zur jungen Firma Blue Yonder, dem mittlerweile führenden europäischen SaaS-Anbieter für Predictive Applications.

Die Firma beschäftigt insgesamt 150 Mitarbeiter an drei Standorten europaweit, beim Hauptsitz Karlsruhe arbeiten rund 100 Fachkräfte. "Ich finde es gut, nicht nur auf ein bestimmtes Gebiet fokussiert zu sein, wie das bei einem Konzern eher der Fall wäre - sondern dass ich die Möglichkeit habe, über den Tellerrand zu schauen", so Wick und ergänzt: "Mir ist es auch wichtig, dass ich mit meiner Arbeit direkt etwas bewirken kann."

Karriere im Startup
Diese Mitarbeiter suchen Startups
Volker Neumann, Chrono24: "Wir wollen Mitarbeiter, die nachfragen und hinterfragen. Die den Begriff Eigeninitiative auch leben."
Mit flachen Hierarchien ...
... einer offenen Kommunikationskultur und viel Gestaltungsspielraum punkten Startups gerade auch bei Berufseinsteigern. Das spiegelt sich häufig in der Büroarchitektur wieder, wie hier bei Chrono24.
Kein normaler Bürojob
Tobias Knecht, Abusix: "In einem Konzern bist Du ein Rädchen und in einem Startup derjenige, der bei einem Thema den Hut aufhat."
Startup als Orientierungshilfe
"Du kannst Dich ausleben, austoben und auch herausfinden: Ist das wirklich die fachliche Richtung, in die ich gehen will?", sagt Knecht.
Die Chemie ist wichtig
"Die Startup-Szene ist sehr schnelllebig: Wenn Leuten gekündigt wird, dann steht nicht unbedingt mangelnde Leistung im Vordergrund, sondern eher, dass er oder sie nicht ins Team gepasst und sich nicht genug darauf eingeschworen haben", so Knecht weiter.
Selbstverantwortung
Knecht: "Wenn die Firma funktioniert, so bekommst du ein Hundertfaches dessen, was Du als Gehalt bekommen hättest. Und wenn die Firma nicht funktioniert, dann hast Du Pech gehabt, aber dann bist Du auch selbst mit schuld."

Was aber im Gegenzug auch heißt: Erfolge und Fehler sind unmittelbar sichtbar - denn der Verantwortliche ist schnell gefunden.

"Man kann sich nicht verstecken", so Tobias Knecht und erklärt "wenn Du zum Beispiel der erste Marketing-Verantwortliche in einem Startup bist und Dein Marketing zieht nicht, dann ist es nicht nur zu einem Zehntel Deine Schuld, weil da zehn Leute sitzen - sondern Du bist derjenige, der das regeln muss."

Wer als Mitarbeiter hingegen geregelte Bürozeiten und klare Arbeitsanweisungen vorzieht, ist laut Knecht in einem Startup nicht gut aufgehoben: "Die Startup-Szene ist sehr schnelllebig", so Knecht, "wenn Leuten gekündigt wird, dann steht nicht unbedingt mangelnde Leistung im Vordergrund, sondern eher, dass er oder sie nicht ins Team gepasst und sich nicht genug darauf eingeschworen haben."

Ein hohes Maß an Teamgeist, Eigeninitiative und der Wille, Verantwortung zu übernehmen, sind also das A und O für Mitarbeiter eines jungen Unternehmens - dieser Meinung ist auch Volker Neumann, Chief Operations Officer bei Chrono24. Das 2003 gegründete Unternehmen hat sich in den letzten Jahren zum weltweit führenden Online-Marktplatz für Luxusuhren entwickelt und will nun durch die bereits gesicherte Unterstützung von Investorengeldern noch weiter wachsen. "Wir wollen Mitarbeiter, die nachfragen und hinterfragen. Die den Begriff Eigeninitiative auch leben", sagt Neumann und fügt hinzu: "Im Gegenzug dazu bieten wir ein schönes Arbeitsklima, in dem man Spaß haben und dennoch professionell arbeiten und vorankommen kann."

Designer-Büros, Getränke-Flat und Tischkicker

Die Karlsruher Büros von Chrono24 und abusix befinden sich in den oberen Stockwerken eines ehemaligen Brauereigebäudes in der Karlsruher Oststadt. Außen der Charme von altem Backstein aus dem 19. Jahrhundert, innen hip eingerichtete Arbeitsplätze inklusive Getränke- und Snackbars, Tischkicker, Smart TV, Entspannungsecken und einer Dachterrasse.

"Mehr noch als die Büros hat mir aber von Anfang an imponiert, dass die Leute hier so authentisch auftreten", so der 28-jährige Frieder Dappen, Head of Content Services bei Chrono24 und ergänzt: "Und ich habe nicht mal annähernd das Gefühl, dass ich meine Gedanken vor meinem Chef nicht ausdrücken darf. Natürlich in einem angebrachten Maß. Aber ich werde vollkommen ernst genommen."

Zusätzlich zur offenen Kommunikationskultur, flachen Hierarchien und viel Gestaltungsspielraum gibt es aber noch andere Anreize, die junge Unternehmen ihren Mitarbeitern bieten können - und die in Deutschland aufgrund der steuerlichen und bürokratischen Rahmenbedingungen noch nicht ausreichend genutzt werden: Mitarbeiterbeteiligungsprogramme, zum Beispiel in Form von Stock-Options als Kapitalbeteiligung.

"So etwas ist in den USA im Startup-Umfeld gang und gäbe", erzählt abusix-CEO Tobias Knecht, dessen Firmen-Headquarter sich in Palo Alto im Silicon Valley befindet, "denn wenn die Firma funktioniert, so bekommst du ein Hundertfaches dessen, was Du als Gehalt bekommen hättest. Und wenn die Firma nicht funktioniert, dann hast Du Pech gehabt, aber dann bist Du auch selbst mit schuld. Das ist noch etwas, was wir hierzulande lernen müssen: den Mitarbeitern mehr Verantwortung am Gesamtwerk zu geben. Gerade auch als Young Professional kann man dabei unheimlich viel lernen."

Junge wachstumsorientierte Unternehmen können also in vielerlei Hinsicht interessante Entwicklungsmöglichkeiten für Nachwuchsfachkräfte bieten - und nicht zuletzt kann es für den ein oder anderen auch persönlich reizvoll sein, ein Startup auf dem Weg hin zum Global Player zu begleiten.