Man mag es begrüßen oder nicht - aber das heute existierende Vertriebsmodell des Softwarekaufs wird für viele Anwendungen in einigen Jahren Geschichte sein - wetten?
Die Qualität von Software ist einfach zu gut. Zu gut jedenfalls, als dass mit jedem neuen Release wesentliche Produktverbesserungen einhergehen. Es mag für den leidgeprüften Anwender provokant klingen - aber viele Softwareprodukte sind seit Jahren ausgereift und erfüllen ihren Zweck.
Daher ist es auch nicht ungewöhnlich, dass so manche Software jahrelang, ja jahrzehntelang im Einsatz ist. Ein prominentes Beispiel ist Microsofts Windows XP, das, im Jahr 2001 eingeführt, nach fast 15 Jahren immer noch auf zahlreichen Rechnern läuft. Anders als ursprünglich geplant, hat Microsoft den Support für das Betriebssystem immer wieder verlängert, bis er im April 2014 endgültig eingestellt wurde.
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Noch länger können Laufzeiten bei Individualsoftware sein. So manche in Cobol geschriebene Customized-Lösung im Bankenbereich ist auch nach Jahrzehnten noch im Einsatz (zur Erinnerung: Die Sprache Cobol erblickte 1959 das Licht der Welt). Eine Reihe von Unternehmen ist inzwischen spezialisiert auf die Portierung solcher Software-Saurier von Mainframes auf eine moderne IT-Infrastruktur.
Auch wenn die Zahl der Produktzyklen auf dem Softwaremarkt nicht kleiner geworden ist, stellen sich immer mehr Anwender die Frage, ob die neue Version solche Verbesserungen mit sich bringt, die ein Upgrade rechtfertigen.
Mit dem Verkauf einer Lizenz ist die Arbeit des Softwareherstellers jedoch nicht unbedingt vorbei. Ob Patches gegen Bugs oder das Abdichten von Sicherheitslücken - ohne Updates kommt heute kaum eine Software mehr aus.
Ausverkauf des Kaufmodells
Der Europäische Gerichtshof hat im Jahr 2012 entschieden, dass "gebrauchte" Software weiterverkauft werden kann. Was auf den ersten Blick banal klingt, wird allerdings, so wetten wir, erhebliche Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle beim Softwarevertrieb haben.
Bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs war umstritten, unter welchen Bedingungen Gebrauchtsoftware verkauft werden konnte. Dementsprechend groß war die Unsicherheit, die mit dem Verkauf und Kauf gebrauchter Software einherging. Daher verwundert es nicht, dass 2008 in einer Forrester-Studie 80 Prozent der Befragten angaben, für die jeweils getroffenen Einkaufsentscheidungen sei der Stand der Rechtsprechung von übergeordneter Bedeutung.
Was war der Hintergrund der rechtlichen Unsicherheit? Im europäischen Urheberrecht gilt der sogenannte Erschöpfungsgrundsatz. Dieses Prinzip besagt, dass ein Vervielfältigungsstück mit Software, das in der EU vom Hersteller in Verkehr gebracht wurde, an Dritte weitergegeben werden kann - etwa im Wege eines Verkaufs. Vertragliche Regelungen, die einen solchen Verkauf einschränken, etwa in Herstellerlizenzbedingungen, sind unwirksam.
Zahlreiche Fragen waren bis zur Entscheidung durch den Europäischen Gerichtshof umstritten, viele sind es noch heute. Unklar war vor allem, ob der Begriff des "Vervielfältigungsstücks" auch Downloads umfasst oder ob er sich auf physische Datenträger beschränkt. Der Europäische Gerichtshof entschied, dass ein Vervielfältigungsstück auch ein Download sein kann - was die Rechtssicherheit für den großen Teil der online vertriebenen Software wesentlich erhöhte.
Alle Fragen geklärt?
Viele Fragen sind immer noch offen. Können Volumenlizenzen aufgespalten und in kleineren Tranchen verkauft werden? Eine unlängst veröffentlichte Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs bejaht dies. Was gilt bei Client-Access-Lizenzen, die den Zugriff auf nur eine Serverkomponente regeln - können diese einzeln verkauft werden? Dies ist umstritten. Unter welchen Voraussetzungen können Updates verkauft werden, die nach dem Erstkauf von der Hersteller-Website heruntergeladen wurden?
Voraussetzung ist nach der Rechtsprechung wohl ein Wartungsvertrag mit dem Hersteller. Es wird zu klären sein, ob auch kostenlos überlassene Updates nach Abwicklung des Erstkaufes verkauft werden dürfen. Eine weitere Voraussetzung, die die Rechtsprechung aufgestellt hat, ist die restlose Vernichtung sämtlicher Programmkopien beim Erstkäufer. Dieser muss, so die Gerichte, dem Softwareanbieter gegenüber die Vernichtung nachweisen. Doch wie wird so ein Nachweis erbracht?
Es wird sicherlich noch eine ganze Weile dauern, bis eine gefestigte Rechtsprechung existiert, die die wichtigsten Fragen zu den derzeit gängigen Geschäftsmodellen geklärt hat. Aber die grundsätzliche Richtung ist jetzt schon klar: Gebrauchte Software kann weiterverkauft werden, auch wenn die Lizenzbedingungen der Softwarehersteller entgegenstehende Verbote enthalten.
Des einen Freud …
Was die Nutzer der Software freut, schmerzt die Hersteller. Software altert nicht - auch nach Jahren ist eine "gebrauchte" Kopie wie neu. Anders als bei physischen Gütern muss der Käufer keine Abnutzung fürchten. Allerdings bleiben in Unternehmen viele Lizenzen häufig ungenutzt. Zudem steigt in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der Druck auf den CIO.
Dann kann der Verkauf von überzähligen Lizenzen sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer interessant werden. Der Markt für gebrauchte Software dürfte daher mittelfristig größer werden. Studien halten bei der Beschaffung von Gebrauchtsoftware Einsparungen von mehr als 50 Prozent der Lizenzkosten gegenüber neuer Software für realistisch. Einzelne Stimmen berichten schon jetzt über eine um bis zu 200 Prozent gesteigerte Nachfrage.
Miete statt Kauf
Viele Anbieter, deren Software "zu gut" war, kämpften in der Vergangenheit mit stagnierenden Absatzzahlen - und brachten daher neue Geschäftsmodelle auf den Markt. So führte Adobe 2013 die Creative Cloud ein, eine Lösung, die den Anwendern die Software nur noch als cloud-basierten Service auf Basis einer monatlichen oder jährlichen Vergütung zur Verfügung stellt.
Microsoft fokussierte mit Office 365 den Vertrieb seines neuesten Office-Paketes auf eine cloud-basierte Webanwendung - der Anwender bekommt nur noch einen Online-Zugriff auf die Software und keine auf seinen Systemen laufende Kopie mehr.
Ob Softwaremiete, SaaS oder ASP - viele dieser cloud-basierten Modelle wären noch vor wenigen Jahren an einer unzureichenden IT-Infrastruktur gescheitert, insbesondere im Hinblick auf Bandbreiten und Geschwindigkeiten von Datennetzen.
Aus Sicht der Anbieter sind Mietmodelle klar im Vorteil: Erstens gibt es dauerhafte Einnahmen. Zweitens liegt der Verhandlungsdruck im Fall der Verlängerung von Mietverhältnissen beim Nutzer - denn mit Ende des Mietvertrages kann der Anbieter den Stecker ziehen. Und drittens greift der Erschöpfungsgrundsatz nicht - die Software kann nicht weiterverkauft werden, auch ist ein Verbot der Untervermietung möglich.
Aber auch für die Unternehmen bieten SaaS-Modelle große Vorteile. Neben der hohen Flexibilität lassen sich ganze Geschäftsprozess-Segmente cloud-basiert abbilden, ohne dass das Unternehmen dabei eine eigene IT-Infrastruktur aufbauen und pflegen muss.
Oder gleich verschenken …
Ein weiteres Geschäftsmodell ist die Entkoppelung von Software und Wartung: Die Software selbst wird kostenlos zur Verfügung gestellt - häufig in Form von Open-Source-Software, Wartung und Pflege gibt es dann gegen Entgelt. Viele Projekte, die zunächst als reines Open-Source-Projekt gestartet sind, gingen in der jüngeren Vergangenheit diesen Weg.
Den Anbietern erleichtert der Vertrieb als kostenlose Open-Source-Software zunächst einmal die Markterschließung. Außerdem fördert er die Akzeptanz in der Nutzergemeinde und bietet dieser nicht selten die Möglichkeit, an der Entwicklung der Software aktiv mitzuwirken. In sicherheitsrelevanten Umgebungen ist Open-Source-Software nicht selten die beste Alternative für die Gewährleistung einer integren Softwareumgebung.
Inzwischen stellt diese Art von Softwarevertrieb eine ernst zu nehmende Alternative zur Miete dar.
Wie geht es weiter?
Je seltener Software-Upgrades gekauft werden und je leichter Software weiterverkauft werden kann, umso unattraktiver wird das Geschäftsmodell von Kaufsoftware für die Anbieter. Finanzieren lassen sich die Kosten für Entwicklung und Wartung nur über dauerhafte Einnahmen.
Wenn die Anbieter nicht nur riskieren, dass über die Einmalzahlung beim Kauf dauerhafte Einnahmen ausbleiben, sondern dass durch die Möglichkeit des Weiterverkaufs auch andere Kunden wegbrechen, wird zwangsläufig der Druck in Richtung alternative Geschäftsmodelle größer.
Die Anbieter, die auf Mietmodelle umschwenkten, sahen sich teilweise heftigen Protesten der Kunden ausgesetzt. Das lag in manchen Fällen sicherlich an der Preisstruktur, über die das letzte Wort noch nicht gesprochen sein dürfte.
Auch ist nicht auszuschließen, dass von der Einführung eines Mietmodells die Konkurrenz profitiert, die bei Kaufoptionen bleibt oder die die Software als Open-Source-Modell lizenziert. Hier bieten sich Chancen vor allem für die zweite Reihe, für die Konkurrenten der Marktführer.
Geschäftsmodell Softwaremiete
Egal wie man zum Geschäftsmodell der Softwaremiete steht - wir glauben, dass in zehn Jahren der klassische Softwarevertrieb in Form des Softwarekaufs ein Nischenmarkt sein wird und dass an Software hauptsächlich in Form von Miete und Wartung verdient werden wird.
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