CIO.de sprach über den E-Postbrief mit Harald Lemke, Sonderbeauftragter für E-Government und E-Justice, und Oliver Zeiler, Mitglied des Bereichsvorstands Brief, Product Development E-Postbrief, beide bei der Deutschen Post. Um Entwickler anzulocken, will die Post eine neue bis zu 150 Mitarbeiter große Entwicklungsabteilung in Berlin schaffen.
CIO: Wie zufrieden sind Sie mit dem E-Postbrief, Herr Zeiler?
Oliver Zeiler: Ich komme ja frisch aus einem anderen Bereich, dem Internetbereich. 2011 wurde die Plattform sehr gut stabilisiert. Wir haben mehr Struktur hineingebracht, und auch die Entwicklungsprozesse haben mittlerweile eine hohe Qualität.
Ich komme aus der IT-Welt und werde versuchen, hier noch zusätzliche Impulse hineinzubringen. Aus IT-Sicht läuft es gut. Aus der Produktsicht bin ich der Meinung, dass wir in den vergangenen anderthalb Jahren sehr viel Markterfahrung gesammelt haben. Wir wissen sehr genau, was die Kunden wollen, und sind auf einem sehr guten Weg, diese Anforderungen umzusetzen.
CIO.de: Können Sie Zahlen nennen, wie viele Nutzer gibt es?
Zeiler: Es gibt mehr als eine Million Privatkunden, mehr als 100 große Kunden und 4000 Mittelständler, die sich bei uns registriert haben.
CIO.de: Sind Sie damit zufrieden?
Zeiler: Ich persönlich bin nie zufrieden, weil ich glaube, dass deutlich mehr geht. Wir wollen noch deutlich mehr große Kunden gewinnen und den Mehrwert des E-Postbriefs heben. Dafür braucht man die Integration in die Geschäftsprozesse der Kunden. Das dauert seine Zeit. Dem Kunden ein Massenkommunikations-Gateway hinzustellen, das ist eine Sache von wenigen Stunden. Schwieriger und viel interessanter für den Kunden ist aber die Integration in seine Geschäftsprozesse, damit er den Mehrwert tatsächlich spürt. Wir haben gesehen, dass das Monate dauern kann. Wir haben noch viele große Pläne, die wir umsetzen wollen.
CIO.de: Sie wollen in diesem Jahr noch einen Identitätsdienst und das Zahlen von Rechnungen per E-Postbrief ermöglichen.
Zeiler: Der Ident-Service wird im April live gehen, die Fachabnahmen haben bei uns schon stattgefunden. Er wird jetzt noch in der Produktion auf Herz und Nieren getestet. Das Payment werden wir noch in diesem Jahr einführen, spätestens im dritten Quartal. Ich habe da ehrgeizige Zeitpläne. Das liegt daran, dass ich frisch reingekommen bin. Es wird noch nicht die allumfassend glücklich machende Lösung sein, wir werden zunächst klein anfangen.
Wir werden verschiedene Rechnungstypen nehmen, mit Kunden gemeinsam identifizieren, wie diese am besten präsentiert werden können, und dann dort den Workflow austesten. Wenn wir feststellen, dass der Privatkunde dieses Payment akzeptiert, wenn also etwa 25 Prozent aller Kunden, die eine Rechnung bekommen, auch über dieses Verfahren zahlen, dann wissen wir, dass wir richtig liegen. Das ist das normale Verfahren im Internet-Umfeld: Sie müssen sehr schnell das Feedback Ihrer Kunden einsammeln, um zu merken, dass Sie nicht auf dem Holzweg sind.
"Wir werden uns mit dem E-Postbrief nicht für De-Mail akkreditieren."
CIO.de: Herr Lemke, auf der Cebit war die De-Mail-Akkreditierung das große Thema. Werden Sie das auch anbieten?
Harald Lemke: Wir haben den E-Postbrief. Er ist vom BSI sicherheitszertifiziert, vom Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein und vom TÜV Nord hinsichtlich des Datenschutzes. Dabei werden wir es belassen.
Wir werden uns mit dem E-Postbrief nicht für De-Mail akkreditieren lassen. Das hat zwei Gründe: Das De-Mail-Gesetz sagt zum einen, dass bei Mehrwertdiensten eine eindeutige Unterscheidbarkeit von De-Mail-Diensten erforderlich ist. In der Konsequenz heißt das, dass sich eine richtige Integrationslösung aufgrund dieser Vorgabe nicht realisieren lässt. Wenn ein Gewerbekunde eine Rechnung verschickt, wollen wir für diesen eine integrierte Rechnungsfunktion implementieren. Er drückt auf den Knopf „Versenden" und der Kunde, der noch keinen elektronischen Anschluss hat, bekommt das Dokument dann als Hybridbrief zugestellt. Ein anderer bekommt es als E-Postbrief, ein dritter Kunde wie Edeka bekommt es direkt als Business-Integration, so dass die Rechnung gleich gebucht werden kann. Mit einem Knopfdruck sind drei verschiedene Transaktionen möglich. Diese Form der Integration will das De-Mail-Gesetz aber nicht.
Punkt zwei ist die Internationalität. So etwas wie das Projekt E-Postbrief finden Sie in fast allen großen Postunternehmen, die in der Weltpostorganisation UPU organisiert sind. In dem Zirkel der International Post Corporation haben wir vereinbart, dass die Deutsche Post gemeinsam mit der italienischen Post in einem Pilotprojekt die Interoperabilität herstellt für andere, damit man elektronische Post weltweit versenden kann.
Auch das geht mit dem De-Mail-Gesetz nicht, da es ausländische Dienste ausschließt. Sonst müsste jedes andere Land auch ein De-Mail-Gesetz haben. Deshalb war für uns die Frage: Machen wir ein nationales „Silo", oder schaffen wir ein integriertes Produkt, das wir auch international im Verbund einsetzen können? Wir haben uns für letzteres entschieden, weil sowohl Mehrwertdienste als auch die Internationalität für unsere Kunden sehr wichtige Anforderungen sind. Um aber den deutschen Behörden eine De-Mail-Funktionalität anzubieten, werden wir im Laufe des Jahres einen solchen Service schaffen, jedoch funktional getrennt vom E-Postbrief.
CIO.de: Das ist etwas verwirrend für den Kunden. Kann man da noch was machen?
Lemke: Was ist daran verwirrend?
"Die Menschen können mit der Komplexität umgehen"
CIO.de: Der Kunde muss dann mehrere Dienste nutzen. Die Endungen der Domainnamen der verschiedenen Dienste sind schon verschieden. Ein Produkt, das alles kann, wäre schöner.
Lemke: Das ist immer schöner, wenn man alles zusammen macht. Aber wir sind ja auch im Wettbewerb um das beste Produkt. Wahlmöglichkeiten hat der Kunde ja aber auch bei der Konkurrenz. Wir gehen davon aus, dass es auch nach De-Mail weiterhin E-Mails geben wird. Die Menschen sind bei der E-Mail mit mehreren Domains glücklich. Es wird sie nicht in Verwirrung stürzen, wenn es in ihrem Browser dann zwei Reiter gibt, einmal für E-Mail und einmal für De-Mail. So etwas haben sie dann bei uns auch: einen für den E-Postbrief, den anderen für De-Mail. Die Menschen, die wir adressieren, können mit diesem Maß an Komplexität umgehen.
CIO.de: Die genannten Preise für De-Mail sind niedriger als beim E-Postbrief. Bleiben Sie bei dem hohen Preis für den E-Postbrief?
Lemke: Man darf hier keine Äpfel mit Birnen vergleichen. Sie bekommen bei uns ein integriertes Produkt mit Hybrid-Fähigkeit. Das ist etwas, das die anderen überhaupt nicht haben. Wenn Sie die nächsten fünf bis sechs Jahre betrachten, dann wird ein signifikanter Anteil der Empfänger noch nicht elektronisch erreicht werden können, sondern nur per normalem Brief. Da übernehmen wir mit unserem Preis das Drucken, Falzen, Kuvertieren, Frankieren und Versenden. Wie sich das entwickelt, muss man sehen. Sie können aber den nationalen De-Mail-Dienst nicht mit einem integrierten Dienst vergleichen, der diese Hybridfunktionalität hat. Der Vergleich hinkt.
CIO.de: Der E-Postbrief ist also besser, hat mehr Funktionen, und ist deswegen teurer?
Lemke: Nicht teurer, er ist seinen Preis wert. Aber sonst haben Sie das genau richtig verstanden.
CIO.de: Im Behördenumfeld tut man sich schwer damit, die Post an seine Server zu lassen, Stichwort Datenschutz. Wie geht der Post-Vertrieb damit um?
Lemke: Wir nehmen die Kunden als unterschiedlich wahr. Wir haben ein Segment von Kunden, die von der Idee begeistert sind, mit denen arbeiten wir intensiv zusammen und sind dabei, das Leistungsangebot für den öffentlichen Sektor zu verfeinern. In Sachsen arbeiten wir mit zwei Landkreisen und dem Zweckverband Kommunale Informationsverarbeitung Sachsen an einer integrierten Lösung für den öffentlichen Sektor. Das machen wir auch in enger Abstimmung mit dem sächsischen Justizministerium.
3 Gruppen von Kunden
Auch mit dem Rechenzentrum Ostwestfalen-Lippe und der Stadt Bonn arbeiten wir eng und engagiert zusammen. Es gibt andere, die ein großes Interesse haben, die aber erst einmal auf andere Vorreiter warten wollen. Dann gibt es eine dritte Gruppe, die grundsätzlich noch rechtliche Bedenken hat. Viele der Bedenken werden mit dem E-Government-Gesetz, das gerade bearbeitet wird, gelöst werden. Das De-Mail-Gesetz ist ein reines Technologie-Gesetz. Es definiert eine Plattform und Möglichkeiten, aber keine rechtlichen Einsatzszenarien. Das macht dann das E-Government-Gesetz, das noch diese Legislaturperiode in Kraft treten soll. Viele warten darauf.
CIO.de: Dann wird sicherlich auch auf Ihrem Portal mehr los ein. Da passiert ja derzeit noch nicht besonders viel.
Zeiler: Das stimmt so nicht. Es ist genauso viel los, wie wir geplant haben. Die mehr als 100 größeren Geschäftskunden beginnen langsam, Sendungen im großen Stil zu verschicken. Vodafone hat uns gestern die Abnahme erteilt, wir erwarten jetzt signifikante Postströme über unser Portal. Wir haben auch andere Kunden, die eine größere Anzahl an Sendungen über unser Portal verschicken. Ich kann nicht klagen.
Lemke: Der öffentliche Sektor macht im Briefvolumen nur acht Prozent aus. Er hat die schwierigsten Anforderungen und die komplizierteste Governance. Nur dafür ein solches System zu bauen, macht aber keinen Sinn. Der eigentliche Nutzen liegt in der Wirtschaft. Der normale Durchschnittsbürger hat 1,6 Behördenkontakte im Jahr. Und die internetaffine Gruppe zeichnet sich nicht durch besonders viele solcher Kontakte aus. Selbst wenn alle Behörden elektronisch erreichbar sind, heißt es noch lange nicht, dass dann auf dem Portal die Post abgeht.
Wo die E-Post bei der Deutschen Post abgehen soll
Die Post geht ab im Bereich Finanzdienstleistungen, bei den Versicherungen, im E-Commerce, beim E-Business und B2B, wie in unseren Projekten mit Edeka und der Datev. Zusammen mit der Datev haben wir ein rechtskonformes Ablagesystem entwickelt. Das sind die Sendungsanlässe, die das Geschäft bringen. Damit ich Bußgeldbescheide oder Strafbefehle bekomme, dafür wird sich keiner den E-Postbrief oder De-Mail anschaffen.
CIO.de: Sie haben sehr viel Geld für Werbung ausgegeben. Die Menschen kennen es, werden sie es aber auch nutzen? Oder war das nur ein Strohfeuer?
Lemke: Der Dienst hat eine Hürde zu nehmen: Das ist der Medienbruch bei der Anmeldung. Der First Mover kann nicht einfach nur zwei Klicks machen, und ist dann drin. Man muss sich erst einen Zettel ausdrucken und zu einer Postfiliale gehen oder auf den Briefträger warten. Dieser Umstand erfordert einen gewissen Werbedruck. Wenn ich einen Massenmarkt erschließen will, muss ich Massenkommunikation machen. Das werden wir auch weiterhin tun. Ohne Werbung verkauft sich so ein Produkt nicht.
CIO.de. Wann wird der E-Postbrief zum Alltag gehören? In drei bis fünf Jahren?
Lemke: In fünf bis sechs Jahren nach dem Start. Wir sind vor anderthalb Jahren gestartet. Das ist ein dickes Brett, was man da bohrt.
CIO.de: Wen wünschen Sie sich noch als Kunden?
Zeiler: Es geht dabei immer um die Sendungsanlässe. Wo sind die größten Anlässe, die einer sicheren Kommunikation bedürfen? Wo ist der größte Mehrwert? Da kann es auch um sensible Daten wie Gesundheitsthemen gehen. Das sind unterschiedliche Industrien, die wir parallel angehen, wo wir lernen, wie wir den E-Postbrief optimal in deren Geschäftsprozessen einsetzen können.
"Die großen Internetfirmen haben auch Jahre gebraucht"
Lemke: Wir konzentrieren uns in den ersten Jahren auf netzwerkbildende Kunden. Wie bei Edeka und ihren Lieferanten. Solche Netzwerke initiieren wir, darauf bauen wir auf. Das geht nicht auf Knopfdruck, das braucht seine Zeit. Die großen Internetfirmen haben auch Jahre gebraucht, bis sie zu größeren Netzwerkeffekten gekommen sind. Die reale Welt kennt keine Sprungfunktion, da geht alles in Kurven.
CIO.de. Hat die Post die nötigen IT-Leute, um den E-Postbrief auszurollen? Das ist ja gar nicht so einfach.
Zeiler: Diesen Herausforderungen begegnen wir mit dem Aufbau des Technical-Sales-Bereichs. Das sind Leute vom Vertrieb mit einem tiefen technischen Knowhow. Branchenspezifisch ist die Prozess- und Tool-Landschaft sehr unterschiedlich. Es wird deswegen Technical-Sales-Leute für die verschiedenen Bereiche geben. Sie kommen aber alle aus der Technik. Denn man kann eher einem Techniker Vertrieb und Kundenorientierung beibringen als umgekehrt einem guten Vertriebsmann das technische Knowhow. Wir sind hier auf einem guten Weg.