Im Land der aufgehenden Sonne herrscht der Ausnahmezustand. Das Erdbeben und der nachfolgende Tsunami vom 11. März dieses Jahres haben verheerende Schäden hinterlassen. Die Zahl der Todesopfer ist offiziellen Angaben zufolge inzwischen auf rund 14.000 gestiegen, mehr als 12.000 Menschen gelten nach wie vor als vermisst, und die Zahl der Obdachlosen schätzen die offiziellen Stellen auf rund 500.000. Hinzu kommt der GAU im Atomkraftwerk Fukushima, der weite Teile des umliegenden Gebiets unbewohnbar macht. Weitere Folgen der freigewordenen Radioaktivität lassen sich noch gar nicht absehen.
Unter den Folgen der Katastrophe leidet auch die japanische Industrie. Viele Produktionsstätten wurden zerstört, Zulieferketten unterbrochen. Für den Monat März brach die Industrieproduktion um mehr als 15 Prozent gegenüber dem Vormonat ein. Besonders empfindlich hat es die Automobilindustrie getroffen. Doch auch die IT- und Elektronikbranche spürt die Folgen.
Japan spielt auf dem Weltmarkt für PCs, Server, Storage oder mobile Geräte weniger für die Produktion von Endprodukten, sondern in erster Linie als Lieferant von Vorleistungen eine wichtige Rolle. Die Japaner entwickeln und produzieren Schlüsseltechniken für Chips und Displays, und das in einem respektablem Ausmaß: Das Land deckt Schätzungen zufolge rund ein Fünftel der weltweiten Halbleiterproduktion und knapp 70 Prozent des Weltmarkts für Silicium-Wafer ab. Eine wichtige Rolle spielen außerdem Chemikalien für die Herstellung von Displays sowie Handybatterien.
Engpässe nur schwer vorhersagbar
"Was die Direktimporte betrifft, ist Japan kein Schwergewicht für den deutschen IT-Markt", sagt Axel Pols, Chefvolkswirt beim Bitkom. "Allerdings fließen viele der dort hergestellten Teile in Endprodukte, die in anderen Märkten wie China oder Taiwan hergestellt und dann wiederum nach Deutschland exportiert werden." Wie diese verschlungenen Wege genau aussehen und wie hoch das Volumen ist, das schließlich auf dem deutschen Markt landet, lässt sich schlecht nachvollziehen. Es bedeutet jedoch, dass Lieferengpässe nur schwer vorhersagbar sind und, wenn überhaupt, dann erst mit einigen Monaten Verzögerung eintreten dürften.
Die Panik nach dem Erdbeben hat sich inzwischen gelegt. Kaum jemand rechnet noch damit, dass durch die Verknappung der Bauteile die Preise von PCs, Servern oder Storage explodieren. "Im Gegenteil: Die Preise für Hardware sinken kontinuierlich weiter", beobachtet Rüdiger Spies von IDC. Die meisten Chip-Fabriken liegen abseits der Erdbebenregion, von den betroffenen Unternehmen haben viele ihre Kapazitäten an anderer Stelle hochgefahren. Taiwan Semiconductor oder Samsung Electronics erklärten bereits offiziell, dass sie mittelfristig keine Probleme aufgrund von Schäden in den Wafer-Werken erwarten. Einerseits seien noch ausreichend Lagerbestände vorhanden, andererseits helfen auch die Distributoren mit ihren Vorräten aus.
Der CIO wird den derzeitigen Preisanstieg an den Spot-Märkten für Chips kaum bemerken, ist sich Spies sicher. Diese Erhöhungen beziehen sich auf Einzelstücke oder kleine Chargen am Spot-Markt. Die Hersteller kaufen jedoch meist in großen Mengen ein. Außerdem handeln sie die Konditionen für einen langen Zeitraum aus, um nicht von solchen kurzfristigen Schwankungen erwischt zu werden. Hinzu kommt: "Memory Chips machen nur einen geringen Anteil an den Gesamtkosten eines Servers aus", so Spies. Ein Anstieg schlägt sich daher nicht im Kaufpreis des gesamten Gerätes nieder. Anders verhält es sich bei Displays, die mehr zu den Gesamtkosten des Endproduktes beitragen. Doch angesichts des starken weltweiten Wettbewerbs ist nicht mit einer Verteuerung, sondern nur mit langsamer sinkenden Preisen zu rechnen.
Schneller Preisverfall verzögert sich
Gleiches dürfte am Markt für Solid State Discs (SSD) zu beobachten sein. "In diesem Bereich herrschte die große Erwartung, dass die Preise sehr schnell fallen und vielleicht sogar in die Nähe der klassischen mechanischen Platten kommen werden", sagt der IDC-Analyst. Die Technologie kann unter anderem in den jüngst von SAP und anderen Anbietern gepriesenen In-Memory-Systemen zur schnellen Datenanalyse zum Einsatz kommen. Im Vergleich zu herkömmlichen Festplatten glänzen SSDs durch Robustheit, kurze Zugriffszeiten und weniger Energieverbrauch. Ihr Hauptnachteil war bislang der erheblich höhere Preis bei gleicher Kapazität. "Diese Festplatten werden aller Wahrscheinlichkeit nach noch länger auf dem höheren Preisniveau verharren", schätzt Rüdiger Spies.
"Die Preise für Endprodukte sind bislang nicht gestiegen, und wir erwarten dies auch in absehbarer Zeit nicht", pflichtet Bitkom-Experte Axel Pols bei. Beim IT-Budget besteht kein Grund zur Sorge. Dennoch kann es in Einzelfällen zu Verzögerungen kommen. Steht der Kauf größerer Mengen von PCs, Servern oder Storage an, empfiehlt Pols, früh genug die Lieferzeiten zu klären: "Der CIO sollte sicherstellen, ob und wann geliefert werden kann." Treten tatsächlich Terminprobleme auf, bleibt ihm immer noch die Zeit, sich nach Alternativen umzuschauen.