Trends in der Beratung

Keine Chance für Blender

16.08.2013 von Joachim Hackmann
Die Zeiten, in denen Manager fasziniert an den Lippen externer Berater hingen, sind längst vorbei. Die Kunden sind kompetenter und kritischer geworden. Der gesamten Beratungsbranche steht ein tief greifender Wandel bevor.

Die Beratungsbranche entwickelt sich zurzeit mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Auf der Gewinnerseite stehen klassische IT-Berater, deren Ressourcen und Fähigkeiten derart stark nachgefragt sind, dass ein Projektstau in diesen Häusern nichts Ungewöhnliches ist. Auf der gegenüberliegenden Seite finden sich die Strategieberater wieder, die inmitten einer nicht enden wollenden Flaute stecken.

Betrachtet man die Branche als Ganzes, erkennt man dennoch eine enorme Dynamik: Auf sämtliche Anbieter wirken seit einiger Zeit Einflussfaktoren, die das gesamte Marktgefüge nachhaltig verändern werden. Ein wesentlicher Ausgangspunkt dafür ist das professionellere Sourcing auf Kundenseite. Dort sitzen kompetente Einkäufer und kritische Ex-Berater, die jeden Beauty-Contest zur Herausforderung für die Anbieter machen. Zudem wirbelt die digitale Transformation fast alle Branchen durcheinander, etwa indem sich Energieversorger mit Smart Grids, Autobauer mit In-Car-Vernetzung oder Handelshäuser mit Kundendatenanalysen beschäftigen müssen. Herkömmliche Beratungskonzepte helfen hier nicht weiter, neue Typen sind gefragt. Last, but not least verschärft sich der Wettbewerb, weil alle flexibler werden und in die lukrativeren Märkte drängen. Die wichtigsten Trends im Überblick:

Die Grenzen zwischen Beratungssegmenten schwinden

Eva-Maria Manger-Wiemann, Cardea: "Die Umsätze in der Management- und Organisationsberatung stagnieren.Die Beratungshäuser müssen sich neu positionieren."
Foto: Cardea

Den Strategieberatern wurde zum Verhängnis, dass ihre Kunden mehr Wert auf Umsetzungskompetenz legten. Das, und die gezielte Beratung in industriespezifischen Fragen, hat man ihnen häufig nicht zugetraut. Galten früher die Generalisten mit international strahlenden Marken stets als erste Wahl für umfangreiche Projekte, können sich nun seit einigen Jahren vermehrt spezialisierte, mittelgroße Häuser bei den Entscheidern durchsetzen. Ihre Fach- und Branchenkompetenz sowie die Bereitschaft, das Empfohlene auch tatsächlich in die Praxis umzusetzen, kommen gut an. Zudem sind sie häufig günstiger als die großen Organisationen.

"Die Umsätze in der Management- und Organisationsberatung stagnieren. Das ist ein gesättigter Markt, und die Unternehmen verzeichnen nicht mehr die Wachstums-raten von früher", beobachtet Eva-Maria Manger-Wiemann, Managing Partner bei der Meta-Beratung Cardea in Zürich. "Die Beratungshäuser müssen sich neu positionieren." Das tun sie, indem sie sich auf Branchen-, Fach- und IT-Themen spezialisieren oder sich dort verstärken und so in Domänen vordringen, die bereits von anderen Anbietern besetzt sind.

Beratertypen -
Berater ist nicht gleich Berater
In der Projektarbeit für Kunden übernehmen die einzelnen Consultants jeweils recht unterschiedliche Rollen. Manchmal sind Vordenker, manchmal Umsetzer und manchmal Fachexperten gefragt. Das Metaberatungshaus Cardea hat die diversen Rollen klassifiziert.
Der Vordenker
In einem Projektteam ist er derjenige, der neue Lösungen erkennt. Dafür benötigt der Vordenker ein Gespür für das Kundenunternehmen und den Markt . Seine Aufgabe ist es, das Potenzial neuer Produkte, Verfahren oder Organisationsformen für das Unternehmen zu heben. Er ist Berater für Innovationen.
Der Moderator
Nach dem Hilfe-zur-Selbsthilfe-Prinzip unterstützt er die Mitarbeiter darin, ihr Wissen und ihre Erfahrungen in neue Strategien, Organisationsstrukturen und Prozesse zu überführen.
Der Experte
Der Kunde kauft beim Berater Fach- und Erfahrungswissen ein, das im Unternehmen selbst nicht vorhanden ist.
Der Lösungslieferant und Umsetzer
Bei Aufgaben, für deren Lösung das Know-how oder die personelle Ressourcen fehlen, liefern Berater Lösungen, die sie anschließend gemeinsam mit dem Kunden auch umsetzen.
Der Trainer
Praxiserfahrene Spezialisten schulen die Mitarbeiter des Kunden in Methodentrainings, um Aufgaben selber lösen und umzusetzen zu können.
Der Outsourcer
Der Berater erledigt für das Unternehmen fest definierte Aufgabe als Dienstleister.
Der Methodenanbieter
Der Consultant stellt dem Unternehmen bereits entwickelte und in der Praxis getestete Methoden und Prozesslösungen zur Verfügung.
Der Lösungsanbieter
Sollen besonders komplexe oder kreative Fragen gelöst werde, steht der Berater den Unternehmen zur Seite, indem er seine analytischen Fähigkeiten oder seine langjährigen einschlägigen Industrieerfahrungen einbringt.
Der Umsetzungsbegleiter
Zusammen mit den internen Projektmitarbeitern begleitet, steuert und koordiniert er die Umsetzung von Vorhaben.
Der Interims-Manager
Der Berater übernimmt als Senior Projekt-Manager selbst weitgehend Führungs- und Umsetzungsfunktionen.

Erste erhebliche Marktverschiebungen sind bereits zu beobachten: Die Management-Consultants von Roland Berger haben erkannt, dass sie ohne einen starken weltweiten Partner mit Umsetzungskompetenz nicht mehr weiterkommen, und schlüpfen voraussichtlich bei Deloitte, PricewaterhouseCoopers (PwC) oder Ernst & Young unter (die Entscheidung wo, wurde gerade vertagt). Die IT-Consultants von Accenture wiederum haben ein Auge auf die Strategieberater von Booz & Company geworfen, um dem Zugriff der Management-Berater auf das IT-Geschäft etwas entgegenzusetzen. Und Organisationen wie PwC, Deloitte, KPMG und Ernst & Young wollen Wirtschaftsprüfung sowie Unternehmens-, Rechts-, Steuer-, Prozess-, IT- und Technologieberatung unter einem Dach vereinen. Deshalb hat beispielsweise KPMG den Lieferketten-Optimierer Brainnet übernommen. Cardea hat für diese neuen Mega-Beratungen den Begriff "umsetzungsorientierte Multispezialisten" geprägt. Mit dieser Strategie wollen sie den Spezialanbietern Aufträge wieder abjagen.

Michael Schulte, Capgemini: "Wir begegnen den indischen Providern nicht tagtäglich, wissen aber: Die Konkurrenz kommt irgendwann auf uns zu."
Foto: Capgemini

In diesen sich verschärfenden Wettbewerb greifen zudem die Offshore-Spezialisten massiv ein: "Die indischen Wettbewerber werden immer präsenter, unter anderem weil zwei Provider in Deutschland zugekauft haben", beobachtet Michael Schulte, Sprecher der Geschäftsführung der Capgemini Deutschland Holding, vor einer erstarkenden Konkurrenz vom Subkontinent, die neuerdings enorme Summen in den Aufbau des deutschen Geschäfts investiert: Infosys hat sich das schweizerisch-deutsche Beratungshaus Lodestone geschnappt und die amerikanisch-indische Cognizant hat sich Teile der Hamburger C1 Group einverleibt. Hinzu kommt, dass Wipro kürzlich angekündigt hat, 1000 Mitarbeiter in Deutschland einzustellen. "Noch begegnen wir ihnen nicht tagtäglich, wir wissen aber: Die Konkurrenz kommt irgendwann auf uns zu", warnt Schulte.

Kunden wollen weniger Masse und mehr Klasse

Hinzu kommt, dass die Unternehmen ihre internen Abläufe professionalisiert haben. Ihnen geht es immer weniger darum, Massen an Beratern zu verpflichten, sie wollen vor allem Experten, die ihnen in neuen Kompetenzfeldern wie etwa der Analyse unstrukturierter Kundendaten Anstöße und Hilfe bieten, wo sie selbst keine Erfahrung haben. "In den Unternehmen sitzen viele ehemalige Consultants beziehungsweise gut ausgebildete Mitarbeiter mit enormer Projekterfahrung. Sie benötigen für gewisse Aufgaben einfach keine externen Berater mehr", schildert Manger-Wiemann die Herausforderungen für Management-Berater. Um Fragen rund um die Unternehmensstrategie kümmern sich die internen Ex-Berater und Spezialisten lieber selbst. So wird die Strategieentwicklung, die früher häufig von externen Consultants unterstützt wurde, heute oft intern vorgenommen.

Gregor Pillen, IBM Global Business Services: "Kunden achten streng darauf, dass aufgebautes Wissen im Haus bleibt."
Foto: IBM

Inhaltlich verschieben sich die Vorhaben vom Backend zum Frontend und rücken viel näher an das Kerngeschäft der Kunden heran. "Dabei achten die Verantwortlichen streng darauf, dass sie das Geschaffene nach Projektende selbst betreiben können und das aufgebaute Wissen im Haus bleibt", sagt Gregor Pillen, Leiter der Beratungssparte IBM Global Business Services für Deutschland, Österreich und die Schweiz.

Gefragt sind vor allem erfahrene Consultants, die die Fäden in der Projektarbeit in der Hand halten und verschiedene Fähigkeiten sinnvoll zusammenführen. Die Bereitschaft, die Ausbildung unerfahrener Berater durch bezahlte Projektarbeit zu finanzieren, schwindet zusehends. "Der Beratungsmarkt geht in dieser Hinsicht zu dem zurück, wo er schon einmal war: Man rekrutiert junge, vielversprechende Talente und entwickelt sie selbst", sagt Cap-Gemini-Manager Schulte.

Das Vorgehen ist auf den ersten Blick schlüssig, doch unterliegt die Strategie auch wirtschaftlichen Zwängen. Die jungen Berater liefern geringere Tagessätze oder werden Projekten pro bono zugeteilt. Bedeutsam für das Funktionieren eines Beratungshauses sind sie, weil sie oft einfache Zuarbeiten für die Senior Berater erledigen und so in den Job hineinwachsen können. In global aufgestellten Organisationen werden diese Aufgaben mehr und mehr offshore erledigt, so dass dieses Konstrukt wackelt: "Die typische Beraterpyramide, in der viele junge Consultants unten die Arbeit machen und wenige Experten oben hochwertige und gut bezahlte Projekte einfädeln oder steuern, die wird nicht mehr lange überleben", vermutet Manger-Wiemann.

Beratergehälter 2013
Was Berater verdienen...
...hat der Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in seiner aktuellen Studie eruiert, für die er Gehaltsdaten aus 193 Unternehmensberatungen ausgewertet hat.
In großen Unternehmensberatungen,...
...die jährlich über 25 Millionen Euro Umsatz machen, verdienen vor allem die oberen Hierarchiestufen überdurchschnittlich gut.
Analysten dagegen....
steigen bei großen Unternehmensberatungen mit 43.800 Euro im Jahr ein, was einer durchschnittlichen Vergütung für die unterste Karrierestufe entspricht.
Consultants in großen Unternehmensberatungen...
.....machen schon einen deutlichen Gehaltssprung und kommen auf 62.700 Euro im Jahr. Hier ist auch bereits der variable Anteil höher.
Senior Consultants in Unternehmensberatungen der Umsatzklasse über 25 Millionen Euro...
...kommen auf ein Jahresgehalt von 81.400 Euro. Wie die Consultants werden sie am Unternehmensergebnis, ihrer Akquisitationsleistung, dem Honorarumsatz und Sonderaufgaben gemessen.
Mit dem Karrieresprung zum Manager....
...erhöht sich das Einkommen in großen Beratungen um knapp 25.000 Euro auf durchschnittlich 106.700 Euro im Jahr.
Senior Manager ....
...sind die zweite Führungsebene in großen Unternehmensberatungen. Ihr Jahreseinkommen beträgt im Schnitt 146.400 Euro.
Partner in großen Unternehmensberatungen...
.... verdienen 369.000 Euro im Jahr und damit neun Mal so viel wie ein Analyst. 42 Prozent der Vergütung sind variabel, die sich vor allem am Unternehmensergebnis bemisst.
Gute Verdienstchancen...
...eröffnen sich auch in Unternehmensberatungen, die zwischen fünf und 25 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaften.
Analysten erhalten....
...mit 46.100 Euro im Jahr sogar 3000 Euro mehr als ihre Kollegen in Beratungen der Umsatzklasse über 25 Millionen Euro.
Consultants ....
...in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro verdienen jährlich 57.100 Euro und damit rund 5000 Euro weniger als ihre Kollegen in großen Beratungshäusern.
Der Karriereschritt zum Senior Consultant...
.....rechnet sich in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro. Ein Senior Consultant bekommt 83.700 Euro oder 25.000 Euro mehr als ein Consultant.
Das Gehalt der Manager....
...in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro pendelt sich bei rund 100.000 Euro ein.
Ein Senior Manager....
...kommt in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro bereits auf 137.200 Euro im Jahr.
Partner....
... verdienen in Beratungen in der Umsatzklasse zwischen 5 und 25 Millionen Euro 215.600 Euro im Jahr und damit fünf Mal soviel wie Analysten.
Auch Unternehmensberatungen...
...in der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro vergüten ihre Mitarbeiter und Manager ansprechend. Im Vergleich zur Umsatzklasse von 5 bis 25 Millionen Euro sind hier kaum Abstriche festzustellen.
Analysten verdienen...
in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro 43.200 Euro im Jahr.
Der erste Karriereschritt zum Consultant...
schlägt in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro mit einem Plus von knapp 18.000 Euro zu Buche. Das Jahresgehalt beträgt 61.300 Euro.
Der nächste Schritt zum Senior Consultant...
...bringt in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro nochmal 23.000 Euro im Jahr. Ein Senior Berater kommt auf 84.600 Euro.
Manager erhalten....
....in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro eine Gesamtvergütung von 104.200 Euro.
Senior Manager kommen...
...in Beratungen der Umsatzklasse zwischen 2,5 und 5 Millionen Euro auf ein Jahresgehalt von 134.300 Euro.
Partner,.....
deren Gehalt zum großen Teil vom Unternehmenserfolg abhängt, können mit 213.200 Euro rechnen.
In kleineren Beratungshäusern....
....in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro vergüten nur die unteren Hierarchieebenen ähnlich hoch wie die größeren Unternehmen. Mit zunehmender Hierarchiestufe werden aber die Abstände deutlicher.
Ein Analyst kommt..
...in einer Beratung in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro auf 41.300 Euro im Jahr. Sein Kollege in großen Beratungen verdient nur 2000 Euro mehr.
Ein Consultant kann...
...in einer Beratung in der Umsatzklasse zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro mit einem Jahressalär von 51.100 Euro rechnen. Das sind 10.000 Euro weniger als Kollegen in großen Beratungen.
Ein Senior Consultant verdient...
...in einer Beratung mit einem Umsatz zwischen 1 und 2,5 Millionen Euro 73.500 jährlich 73.500 Euro und damit 10.000 Euro weniger als in großen Unternehmen.
Manager in kleineren Beratungen,,...
...kommen nur auf eine Gesamtvergütung von 78.300 Euro. Ihre Kollegen in großen Häusern erhalten 25.000 Euro mehr im Jahr.
Senior Manager in kleineren Beratungen....
...können eine Vergütung von 104.500 Euro im Jahr erwarten. Kollegen in großen Häusern erhalten bis zu 40.000 Euro mehr.
Partner in kleineren Beratungen...
...finden sich bei einem Jahresgehalt von 204.100 Euro wieder. Hier driftet die Schere zwischen den Vergütungen besonders auseinander. Der Partner in großen Beratungen kommt auf 369.000 Euro.
In kleinen Beratungen...
..mit einem Jahresumsatz zwischen 500.000 und 1 Million Euro werden auch kleinere Gehälter gezahlt.
Analysten...
...steigen mit 34.800 Euro ein.
Consultants...
erreichen 49.300 Euro im Jahr.
Senior Consultants...
verdienen 70.500 Euro im Jahr.
Manager in kleinen Beratungen...
...werden mit 86.700 Euro vergütet.
Der Schritt zum Senior Manager...
..bringt ein Plus von gut 6000 Euro oder eine Gesamtvergütung 93.500 Euro im Jahr.
Das Salär der Partner in kleinen Beratungen...
..bewegt sich mit 151.300 Euro auf dem Niveau der Senior Manager in großen Häusern.
In Beratungen der Umsatzklasse unter 500.000 Euro...
...sind Hierarchiestufen wie Gehaltsperpektiven begrenzt.
Analysten...
...beginnen mit 34.100 Euro im jahr.
Senior Consultants...
...kommen auf 67.600 Euro im Jahr.
Partner....
...erreichen eine Gesamtvergütung von 119.600 Euro im Jahr.

Die digitale Transformation verändert die Beraterbranche

Möglicherweise werden die Marktstrukturen, die sich gerade durch die Neuausrichtung vieler Beratungshäuser etablieren, künftig wieder hinfällig sein. Themen wie Social Media, Mobility, Big Data und die Datenanalyse werden viele Branchen verändern. Dafür ist zwar enormes Expertenwissen erforderlich, doch wie sich die Digitalisierung auf einzelne Unternehmen niederschlägt, ist nicht absehbar. Die Berater können in diesem Umfeld nicht ihr wertvollstes Gut, die Erfahrung, in die Waagschale werfen, weil völlig neue, bislang unbekannte Abläufe, Verfahren und Strategien entstehen.

Big Data: Neue Berufsbilder
Big Data: Neue Berufsbilder
In den teilweise euphorischen Einschätzungen von Markforschern und IT-Unternehmen ist immer wieder die Rede von neuen Berufsbildern, die Big Data mit sich bringen soll. Dazu zählen unter anderem folgende Tätigkeiten:
Data Scientist
Er legt fest, welche Analyseformen sich am besten dazu eignen, um die gewünschten Erkenntnisse zu erzielen und welche Rohdaten dafür erforderlich sind. Solche Fachleute benötigen solide Kenntnisse in Bereichen wie Statistik und Mathematik. Hinzu kommen Fachkenntnisse über die Branche, in der ein Unternehmen beziehungsweise tätig ist und über IT-Technologien wie Datenbanken, Netzwerktechniken, Programmierung und Business Intelligence-Applikationen. Ebenso gefordert sind Verhandlungsgeschick und emotionale Kompetenz, wenn es um die Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen geht.
Data Artist oder Data Visualizer
Sie sind die "Künstler" unter den Big-Data-Experten. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Auswertungen so zu präsentieren, dass sie für Business-Verantwortliche verständlich sind. Die Fachleute setzen zu diesem Zweck Daten in Grafiken und Diagramme um.
Data Architect
Sie erstellen Datenmodelle und legen fest, wann welche Analyse-Tools Verwendung finden und welche Datenquellen genutzt werden sollen. Auch sie benötigen ein umfassendes Know-how auf Gebieten wie Datenbanken, Datenanalyse und Business Intelligence.
Daten-Ingenieur
Diese Aufgabe ist stark auf die IT-Infrastruktur ausgerichtet. Der Dateningenieur ist das Big-Data-Analysesystem zuständig, also die Hard- und Software sowie Netzwerkkomponenten, die für das Sammeln und Auswerten von Daten benötigt werden. Eine vergleichbare Funktion haben System- und Netzwerkverwalter im IT-Bereich.
Information Broker
Er kann mehrere Rollen spielen, etwa die eines Datenhändlers, der Kunden Informationen zur Verfügung stellt, oder die eines Inhouse-Experten, der Datenbestände von unterschiedlichen Quellen innerhalb und außerhalb des Unternehmens beschafft. Außerdem soll er Ideen entwickeln, wie sich diese Daten nutzbringend verwenden lassen.
Data Change Agents
Diese Fachleute haben eine eher "politische" Funktion. Sie sollen bestehende Prozesse im Unternehmen analysieren und anpassen, sodass sie mit Big-Data-Initiativen kompatibel sind. Nur dann lässt sich aus solchen Projekten der größtmögliche Nutzen ziehen. Wichtig sind daher ausgeprägte Kommunikationsfähigkeiten, Verständnis für Unternehmensprozesse sowie Kenntnisse im Bereich Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement (Six Sigma, ISO 9000).

"Der Trend zur Digitalisierung betrifft viele Funktionsbereiche. Es geht nicht nur darum, in die IT-Landschaft einzugreifen, sondern beispielsweise auch um komplett neue Geschäftsmodelle und Formen der funktionalen oder länderübergreifenden Zusammenarbeit", erläutert Manger-Wiemann. Eine Prognose, ob IT-, Prozess- oder Strategieberater für die kommenden Aufgaben besser aufgestellt sind, wagt sie nicht. Entscheidend dürfte sein, dass die einzelnen Consultants oder Beratungshäuser ihre Kernkompetenzen in den verschiedenen Themen der Digitalisierung herausarbeiten und ihren Kunden damit einen Mehrwert anbieten.

Den großen Anbietern könnte zugutekommen, dass sie Wissen zu Themen wie Industrie 4.0, Smart Grids, Multichannel und Connected Vehicle theoretisch unter einem Dach vereinen. In der Praxis verhindern interne Befindlichkeiten und Verrechnungsregeln die Zusammenarbeit. "Wenn sie früher schon nicht über Practices hinweg kooperiert haben, dann wird das heute unter den neuen Bedingungen nicht anders sein", vermutet Manger-Wiemann.

Das HR-Beratungsmodell wackelt

Die Digitalisierung setzt auch der Beratungsbranche selbst zu. Offenkundig wird das bereits an den klassischen HR-Beratern wie etwa Kienbaum. Das Recruiting, das Onboarding, die Mitarbeiterführung und -Schulung laufen schon lange IT-gestützt, die Berater müssen folglich in der Lage sein, neben ihren klassischen Personalservices auch IT-Dienstleistungen anzubieten. Durch die soziale Vernetzung fällt es HR-Abteilungen heute leichter, in Portalen wie LinkedIn und Xing die passenden Kandidaten zu finden. Ergänzend bemühen sie externe Job-Portale sowie interne Stellenmarktplätze, um offene Stellen mit Experten aus den eigenen Reihen zu besetzen. Die dafür erforderlichen Prozesse und Systeme laufen allerdings nicht immer und vom Start weg reibungslos, so dass dort Nachholbedarf besteht. Im Markt für HR-Beratung verschiebt sich daher der Bedarf vom Recruiting neuer Experten zum Aufbau interner Strukturen und IT-gestützter Prozesse, die es Unternehmen ermöglichen, selbständig neue Mitarbeiter zu identifizieren und zu rekrutieren.

Alles wird schneller - auch die Veränderungen

Welche Strukturen sich in der Beraterbranche mittelfristig etablieren, ist heute noch nicht absehbar. Spannend wird sein, wie sich die großen Wirtschaftsprüfer und Strategieberater für die digitale Zukunft aufstellen und wie die IT-Beratungshäuser darauf reagieren. Der Markt war schon immer dynamisch, weil ständig neue Anbieter gegründet wurden und wuchsen, andere wiederum scheiterten oder übernommen wurden. Die derzeitigen Veränderungen durch die digitale Transformation werden vollkommen andere Beraterprofile erfordern und somit Neueinsteigern den Weg bahnen. Das wiederum erhöht den Veränderungsdruck auf die etablierten Anbieter. Die Markt- und Machtverhältnisse im Beratermarkt dürften sich künftig also viel schneller verschieben.