Smart Grids und Smart Meter

Keine Energiewende ohne IT und TK

26.10.2011 von Joachim Hackmann
Die Wende zu erneuerbaren Energien ist ohne spezielle Informationstechnik nicht möglich. Erzeugung, Transport und Verbrauch von Energie müssen intelligenter werden.
Foto: Deutsche Telekom

Die Gesamtkosten der Energiewende beziffert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (DIW) auf rund 200 Milliarden Euro. Eine Erhebung, wie hoch die erforderlichen Investitionen in IT- und TK-Equipment sein werden, gibt es nicht. "Mir sind zu diesem Thema keine Forschungen bekannt", sagt Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung "Energie, Verkehr und Umwelt" am DIW. Ein analytischer Blick in die einzelnen Bereiche der Energieversorgung lässt erahnen, wie wichtig eine zuverlässige, schnelle und hochwertige IT- und TK-Infrastruktur im Energiemarkt künftig sein wird.

Smart Grids: Neue Wege in der Verteilung

Intelligente Stromnetze (Smart Grids) sind ein Kernelement der Energiewende. Das Energiekonzept der Bundesregierung sieht vor, bis 2050 vier Fünftel der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen zu beziehen. Das kann nur funktionieren, wenn die Stromtrassen ausgebaut werden und das Energietransportnetz ein leistungsfähiges IT- und Kommunikationsnetz an die Seite bekommt.

Der Ausbau drängt, weil das heutige Stromnetz für die zentrale Stromerzeugung ausgelegt ist. Es basiert auf einem dreistufigen Versorgungsnetz mit Hochspannungsleitungen für den Ferntransport beziehungsweise die Grobverteilung auf Ballungszentren, einem Mittelspannungsnetz für die Verteilung an regionale Transformationsstationen sowie einem Niederspannungsnetz, das Haushalte und gewerbliche Verbraucher versorgt. Die vielfältigen erneuerbaren Energiequellen fügen sich in diese Verteilstruktur nicht ein, da sie Energie an bisher nicht dafür vorgesehenen Orten erzeugen.

So fließt etwa auf Dächern gewonnener Strom entgegen der eigentlich vorgesehenen Richtung durch das Niederspannungsnetz in die Verteilnetze. Die Windkraftanlagen an der Nordsee erzeugen Energie in Gegenden, wo keine leistungsstarken Trassen zur Verfügung stehen. Zudem ist die Erzeugung nicht planbar. "Zurzeit liefern Photovoltaik-Anlagen rund 17 Gigawatt Energie, das entspricht etwa der Leistung von 17 Atomkraftwerken. Bildlich gesprochen bedeutet das: Die Sonne schaltet 17 Kraftwerke ein und aus, und die Energieversorger müssen diese Schwankungen ausgleichen", veranschaulicht Gabriele Riedmann de Trinidad, Leiterin Konzerngeschäftsfeld Energie bei der Telekom, die Volatilität der neuen Energiequellen.

Dezentrale Netzsteuerung

Bislang konnten die Versorger Energieangebot und -nachfrage aufgrund in Jahrzehnten gewonnener Erfahrungswerte zu Produkt und Verbrauch genau ausbalancieren. Erzeuger mit kurzen Anlaufzeiten wie etwa Gasturbinenkraftwerke werden entsprechend zu- und abgeschaltet, um Lastspitzen abzufedern. Die Grundlast liefern oft Kernkraftwerke. Zudem folgt die Stromlieferung dem linearen Prinzip vom Erzeuger über die Transport- und Verteilnetze zum Verbraucher. Im IT-Jargon lässt sich das Prinzip als Download-Netz beschreiben.

Dieses bewährte Modell funktioniert mit alternativen Quellen nicht mehr. Hier fließt die Energie zwischen Erzeuger, Transport- und Verteilnetz, Verbraucher und Speichersystemen in allen erdenklichen Kombinationen und Richtungen. Das neue Energienetz gleicht daher dem Internet mit seinen unzähligen Knoten und wechselnden Transportwegen, es wird zur Up- und Download-Infrastruktur. Eine zentrale Steuerung ist damit kaum möglich, Entscheidungen müssen mehr und mehr regional und lokal gefällt werden.

Energie speichern und umleiten

Aufgabe der IT in einem Smart Grid ist es, trotz Unwägbarkeiten in Erzeugung und Verbrauch einen stabilen Netzbetrieb und eine zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten. Dazu sind intelligente Mess- und Steuerkomponenten in allen Bereichen der Herstellung, Übertragung und des Verbrauchs erforderlich. In einem parallel zum Energienetz zu errichtenden Datennetz rasen unzählige aktuelle Mess- und Steuerdaten aus Erzeugung, Verbrauch, Auslastung, Netzqualität und Wetter.

Eine besonders anspruchsvolle Aufgabe liegt darin, große Datenmengen möglichst in Echtzeit auszuwerten. Bei übermäßiger Produktion in Solar-, Wind- und Strömungskraftwerken muss das intelligente Netz überschüssige Energie etwa in Pumpstationen, Batterien oder Druckluftbehälter umleiten. Bei Untervorsorgung müssen diese Speicher angezapft und möglicherweise Kraftwerke hinzugeschaltet oder Kapazitäten am Spot-Markt hinzugekauft werden.

In ferner Zukunft wollen die Energieversorger weitere Speicherquellen und Möglichkeiten zum Lastausgleich schaffen. Eine oft zitierte Idee lautet etwa, die Batterien von geparkten Elektro-Autos als Energiepuffer zu verwenden, zudem planen Kommunen, ihre Straßenlaternen um Autoladestationen inklusive Speicherkapazitäten zu erweitern. All diese neuen Geschäftsideen benötigen ausgefeilte Steuer- und Management-Instrumente. Kein Versorger wird es sich in einem liberalisierten Markt erlauben können, Kunden zu vergraulen, weil diese etwa vor einer morgendlichen Fahrt ins Büro vor einem entladenen Auto stehen.

Das Steuern von Energie, Verbrauchern und Transportwegen ist für die Netzstabilität wichtig. Unsaubere Quellen und Rückkoppelungen können die Netzfrequenz beeinflussen. Übersteigt oder unterschreitet sie den Normwert von 50 Hertz um lediglich 0,2 Hertz, kommt es zum Stromausfall. Die Versorger schalten ab, um angeschlossene Verbrauchsgeräte zu schützen. Zum Imageverlust gesellen sich wirtschaftliche Schäden für gewerbliche Kunden, Einnahmeausfälle für Energielieferanten sowie Strafzahlungen an die Bundesnetzagentur, die ab Herbst 2011 schlechte Netzqualität ahnden will.

Smart Meter: Trennung von Messung und Steuerung

In Zukunft wird sich das Smart Grid bis in die Haushalte, Büros und Unternehmen erstrecken. Eine wichtige Komponente wird der digitale Stromzähler beziehungsweise Smart Meter sein, wobei der Begriff streng genommen auch die intelligente Messung des Gas- und Wasserverbrauchs umfasst. Im Energiesektor löst der Smart Meter die bekannten analogen Ferraris-Zähler (Stromzähler) ab - und das ziemlich zügig. Seit 2010 müssen in Neubauten digitale Messgeräte installiert werden.

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Bis zum Jahr 2020, so eine Richtlinie der EU-Kommission, müssen 80 Prozent aller Haushalte mit den intelligenten Zählern ausgestattet sein. Für 2022 ist eine flächendeckende Versorgung angestrebt. Sollten die Energiekonzerne und Stadtwerke im Januar 2012 mit dem Rollout beginnen, müssten sie in rund 40 Millionen Haushalten in Deutschland täglich (inklusive Wochenende) fast 11 000 Geräte installieren, wenn sie die Vollversorgung innerhalb von zehn Jahren erreichen wollen.

Schleppende Fortschritte

Bislang sind in Deutschland geschätzte 100.000 Geräte zumeist im Rahmen von Pilotprojekten installiert. Die Fortschritte in der Smart-Meter-Versorgung sind dürftig. Selbst in Neubauten verläuft die Digitalisierung schleppend. Die örtlichen Versorger drängen nicht immer darauf, dass die neuen Geräte installiert werden. Angeblich gibt es Lieferengpässe, außerdem sind heutige Geräte zum Teil unzuverlässig.

Bei der Konstruktion der Smart-Meter-Architektur bilden sich zwei unterschiedliche Lager heraus. Die einen möchten ein möglichst einfaches und günstiges Gerät, das ausschließlich Strom misst und die erhobenen Daten der Messdatensammelstelle übermittelt. Die anderen plädieren für intelligente Smart Meter, die vor Ort Steuerfunktionen und das Energie-Management für Verbraucher übernehmen und nur auf Anfrage der zentralen Messstelle Daten senden.

Die Verfechter der einfachen Gerätevariante verweisen auf Erfahrungen in Ländern, in denen intelligente Geräte bereits installiert wurden und die Kosten für die Infrastruktur aus dem Ruder liefen. "Die Funktionsfülle macht Smart Meter teuer, sie wurden nicht aus IT-Sicht entworfen", warnt Telekom-Managerin Riedmann de Trinidad. "Man muss die Intelligenz im Backend bündeln und dort die Verbrauchsdaten mit Tarifinformationen zusammenführen." Das Verfahren habe sich seit mehr als 20 Jahren im Mobilfunk- und Telekommunikationsnetz bewährt.

Messgeräte verbrauchen Energie

Die Befürworter der intelligenten Lösungen verweisen auf Skaleneffekte. In Brasilien und China gibt es große Projekte mit intelligenten Strommessern. Absehbar ist, dass mit der Massenfertigung die Preise fallen. Ein Befürworter der Variante ist Martin Böttner, Director Sales bei dem amerikanischen Smart-Meter-Hersteller Echelon: "Die intelligenten Smart Meter sind mit einem Chip ausgestattet, der sich beispielsweise auch über Powerline ansprechen lässt.

Wir können eine zertifizierte Skalierbarkeit von fünf Millionen ansteuerbaren Smart Meters nachweisen." Der Anbieter hat unter anderem Großprojekte in Italien, Dänemark und Schweden betrieben. Das Konzept der einfachen Geräte trübe die Energiebilanz, weil die Smart Meter ständig Daten senden müssten und dadurch selbst erhebliche Menge Strom verbrauchten, kritisiert Böttner.

Trotzdem scheint sich in Deutschland eine Mehrheit für die einfache Variante herauszubilden. Bundeswirtschaftsministerium (BMWI) und Bundesumweltministerium fördern das Projekt "E-Energy" mit rund 140 Millionen Euro, das in sechs Modellregionen Lösungen für ein IT- und TK-basierendes Energiesystem der Zukunft erforschen soll. Projektkoordinator ist Ludwig Karg, Geschäftsführer der B.A.U.M Consult GmbH: "Es gibt Bestrebungen, die Smart Meter, die ja immer auch kleine Computer sind, auch zur Steuerung der Verbrauchsgeräte einzusetzen.

Davon distanzieren sich mittlerweile aber viele Experten. Die Mess- und Zählfunktion soll der Smart Meter übernehmen, die Steuer- und Management-Funktion sollte in einem weiteren Gerät stecken, das wir als Energie-Manager bezeichnen", schildert Karg die aktuelle Diskussion. Das digitale Messgerät müsse geeicht und über seine Kommunikationsschnittstelle, das Smart Meter Gateway, vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden. Dafür erarbeiten BMWI und das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) gerade ein Schutzprofil. Das sieht sehr restriktive Zugänge zu diesem Gerät vor.

Der intelligente Energie- Manager ist dagegen offen für neue Applikationen und damit Basis für neue Geschäftsmodelle. Hier lassen sich etwa Apps für Tarifprognosen installieren und Erzeugungs- und Verbrauchsgeräte in günstigen Zeiten zu- und abschalten. Dieses Gerät ist ein Schlüsselelement in einem Smart Grid, weil es die intelligente Energieverteilung und -nutzung erlaubt. "Die entscheidende Information für den Energie-Manager ist nicht, wie viel Strom ein Haushalt gerade verbraucht, sondern wie viel er gerade verbrauchen sollte - weil Strom zum Beispiel gerade günstig ist oder aus erneuerbaren Quellen zur Verfügung steht", erläutert Karg.

Der Smart Meter ist in diesem Szenario nur ein einfaches, digitales Messgerät, das Daten an eine Messdatenstelle sendet und es damit erlaubt, dynamische Tarife abzurechnen. "Beide Funktionen in einem Gerät zusammenzuführen kann die Entwicklung des Smart Grid behindern. Es würde schwieriger, innovative Funktionen und Applikationen aufzuspielen", warnt Karg. Vielmehr sollten für den Energie-Manager offene Schnittstellen geschaffen werden, wie sie etwa die OGEMA-Allianz anstrebt.

Energieversorger: Riesige Datenmengen fallen an

Unabhängig davon, welches Smart-Meter-Szenario sich durchsetzen wird, stehen die Energieversorger künftig vor der Aufgabe, Massendaten zu verarbeiten. "Die Menge der anfallenden personenbezogenen Daten wird exorbitant wachsen", prognostizieren etwa die Analysten von Deutsche Bank Research in dem Report "Smart Grids". Ein einfaches Rechenbeispiel veranschaulicht den erheblichen Mehrbedarf an Speichersystemen. Bislang erheben die Energieversorger einmal pro Jahr die Verbrauchsdaten der Kunden.

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Überträgt man den heute in der Energiebranche üblichen 15-Minuten-Takt zur Netzsteuerung auf die Smart-Meter-Erhebung, müssten die Versorger künftig mehr als 35.000 Daten pro Jahr und Kunde verarbeiten. Experten rechnen jedoch mit noch kürzeren Tariftakten, die minütlich den Verbrauch messen. Die heutigen IT-Systeme hiesiger Energieversorger sind auf die Massenverarbeitung nicht vorbereitet.

Vor besonderen Herausforderungen steht die Branche, wenn Energie mobil wird. Mit der Verbreitung von Elektroautos, die möglicherweise auch noch als Zwischenpuffer für überschüssige Energie dienen sollen, müssen sich die Versorger mit Themen wie Roaming beschäftigen. "Man benötigt einen zentralen Daten-Pool, auf den die verschiedenen Marktteilnehmer zugreifen können. Ziel muss es sein, dass Halter von Elektroautos, die Versorgungsgebiete unterschiedlicher Versorger durchfahren und dort Ladesäulen anzapfen, jeweils nur eine Rechnung von ihrem Provider bekommen.

Das muss ähnlich reibungslos verlaufen wie im Mobilfunk", nennt Johannes Viereck, Leiter des Geschäftsbereichs Energy & Utilities bei Logica in Deutschland, die zentrale Herausforderung. Der IT-Dienstleister betreibt dazu in Holland beispielsweise eine Data-Clearing-Plattform, die Finanz- und Energie-Datenströme für Ladesäulenbetreiber, Energieversorger und Elektromobilitäts-Dienstleister bündelt und steuert.

Die Energieversorger müssen ihre IT enorm nachrüsten und überarbeiten, um der Energiewende Herr zu werden. Insbesondere beim Billing besteht Nachholbedarf. Neue Tarifstrukturen und -einheiten sowie Pakete aus Erzeugung, Verbrauch, Speicherung und Elektromobilität sind mit den heutigen Systemen nicht machbar, zumal Branchenbeobachtern zufolge einzelne Anbieter noch mit Excel-Tabellen bei der Datenerfassung arbeiten. Auch die Rechnungsstellung muss den neuen Anforderungen gerecht werden, warnt Telekom-Managerin Riedmann de Trinidad: "Die Gesamtkosten für die Rechnungserstellung belaufen sich bei deutschen Energieversorgern auf bis zu 20 Euro. In der TK-Branche fällt nur ein Zehntel davon an."

Infolge der Digitalisierung und Energiewende rechnen Experten zudem mit einem sich verschärfenden Wettbewerb im Energiemarkt: "Es wird neue Marktstrukturen und Anbieter sowie veränderte Preisstrukturen geben", erwartet Logica-Manager Viereck. "Die Energieversorger müssen sich intensiver um ihre Kunden kümmern. Kundenbindung, -betreuung und -services sind in dieser Industrie nicht besonders ausgeprägt, sie hinken anderen Segmenten weit hinterher." Die Anbieter müssen noch erheblich in ihre IT-Ausstattung investieren, um Daten über die Bedürfnisse der Kunden zu erheben, zu erkennen und zu verstehen, damit sie ihnen mit ansprechenden Angeboten und Services entgegenkommen können.

Smart Home: Haushaltsgeräte werden intelligent

Foto: Miele

Mit günstigen Preisen werden die Energieversorger auf Dauer nicht bestehen können, sie müssen ihre Leistungen um Komfort und Services ergänzen, denn "Energie ist per se kein sexy Thema, die Versorger müssen ihr Angebot attraktiver machen", beobachtet Riedmann de Trinidad. Die Branche baut auf das vernetzte und intelligente Haus, in dem Verbrauchsgeräte remote zu- und abgeschaltet werden. Dazu kooperieren erste Energieversorger mit Geräteherstellern, die Partnerschaft von EnBW und Eon mit Miele und der Telekom ist ein Beispiel dafür.

Hochvolt-Chips steuern Geräte

In dieser Kooperation hat Miele bereits mit der in Haushaltsgeräten integrierten Technik "Miele@home" Vorarbeit geleistet. Via Smartphone, iPad-App und in Küchenzeilen integrierte Monitore lassen sich Backöfen und Kühlgeräte kontrollieren und steuern. Die Intelligenz liefern in die Geräte integrierte Hochvolt-Chips, die Datenübertragung erfolgt via Stromnetz und Powerline-Technik an ein zentrales Steuermodul, das wiederum den Zugang zum Internet oder zum WLAN herstellt.

Für die Energieversorger wird die Technik interessant, wenn Geräte zur Heimautomatisierung (etwa Rollläden-Steuerung) mit Funktionen für das Energie-Management gepaart werden, so dass sie etwa in Zeiten von Energieüberschuss zeitunkritische Verbrauchsgeräte zuschalten können. In Haushalten sind dies typischerweise Wärmepumpen, Wasch- und Spülmaschinen. In Produktionsfirmen können es etwa Druckluftspeicher, Galvanikbecken oder Kühlaggregate sein.

Offen ist der Datenschutz im vernetzten Haus. Die digitalisierte Echtzeitübermittlung von Energiedaten schafft neue Möglichkeiten zur Durchleuchtung. Die Verbrauchsprofile können Rückschlüsse auf die Zahl der Bewohner und ihre Lebensgewohnheiten ermöglichen. Die Fachhochschule Münster konnte beispielsweise erst kürzlich im Rahmen eines Forschungsprojekts anhand von Smart-Meter-Daten nachweisen, wann welches Gerät eingeschaltet wurde. Die Daten verrieten den Forschern sogar, welches Fernsehprogramm oder welcher Film am LCD-Fernseher lief.

Insofern haben die Initiatoren des deutschen Big Brother Award Weitsicht bewiesen. Sie haben den Energieversorger Yello bereits im Jahr 2008 mit dem "Oscar für Datenkraken" in der Kategorie Technik ausgezeichnet. Das Yello-Angebot sah vor, dass Kunden die Verbrauchsdaten einzelner Geräte auf einer Website des Versorgers einsehen können. Ein schlüssiges Datenschutzkonzept konnte die Jury damals nicht erkennen.

So funktionieren Smart Grids

Smart Grids sind nicht einheitlich definiert, so dass die Gestaltung der intelligenten Netze sehr unterschiedlich ausfallen kann. Es gibt aber einige Grundfunktionen und Komponenten, die beim Aufbau eines Smart Grid eine wichtige Rolle spielen:

Das Meter Data Management System (MDMS) ist wichtiger Bestandteil eines Smart Grid. Es sammelt, synchronisiert und verarbeitet erhobene Verbrauchs- und Steuerdaten und gibt sie an weiterführende Applikationen etwa für die Rechnungsstellung (häufig SAP IS-U) oder das Energie-Management weiter. Das MDMS ist die zentrale Datendrehscheibe der Energieversorger.

Aktive Netzkontrolle (Active Network Management = ANM): Im Zuge der verteilten Energieerzeugung ist eine genauere Kontrolle, Steuerung und Verwaltung des Stromnetzes erforderlich. Die aktiven Netze erweitern die Systeme zum Erzeugen und Übertragen von Energie um IT-Komponenten. Vor allem die bislang passiven Niederspannungsnetze werden damit intelligent, steuerbar und auf die Energieeinspeisung vorbereitet.

Virtuelle Kraftwerke: Mehrere kleinere Anlagen zur Stromerzeugung (etwa Windparks, Biogaskraftwerke, Solarpanels) werden zu einer "Virtual Power Plant" zusammengeschlossen. Die Bündelung soll ein großes Kraftwerk simulieren. Messdaten liefern Angaben über Zustand, Auslastung und Kapazität der kleinen Systeme sowie der gesamten virtuellen Anlage.

Phasenmessgeräte: So genannte Phasor Measurement Units (PMUs) sammeln an definierten Stellen im Netz Informationen über Spannung und Strom. Entscheidend ist, dass die Daten inklusive Angaben zu Ort und Zeitpunkt der Messung nahezu in Echtzeit einem Kontrollzentrum übermittelt werden. Dort müssen sie ebenso schnell ausgewertet werden, damit Nachfrage und Angebot abgeglichen werden.

Konzentratoren sammeln Daten und konzentrieren sie beispielsweise in Trafostatio-nen. Die Konzentratoren leiten die Daten einer zentralen Stelle zur Auswertung weiter etwa über das Handy-Netz (GPRS oder SMS), Powerline oder IP-Netz. In Deutschland gibt es laut Wikipedia rund 550 000 Trafostationen.

So kommunizieren Smart Meter

Ein Smart Meter sammelt Daten darüber, wie viel Energie Haushalte und Firmen verbrauchen beziehungsweise mittels Solaranlagen, Windrädern und ähnlichen Erzeugern einspeisen. Zur Übermittlung der Daten werden derzeit folgende Techniken diskutiert:

Powerline überträgt die Daten über die Stromnetze. Die Informationen mehrerer Haushalte werden in einem Konzentrator gebündelt, der sie wiederum dem eigentlichen Telekommunikationsnetz übergibt. Die Lösung ist recht einfach im Smart Meter zu implementieren, allein die Konzentratoren erfordern dezentrale Installationen. Allerdings ist das Stromnetz nicht für eine hochfrequente Datenübertragung ausgelegt. Störeinflüsse schaden der Datengüte, so dass fraglich ist, ob Informationen zuverlässig und schnell genug zur Verfügung stehen.

Das Handy-Netz ist ein ebenfalls diskutierter Kommunikationsweg. Dazu werden Smart Meter mit einem GSM- oder UMTS-Modul ausgestattet, so dass sie Daten via GPRS (General Packet Radio Service) oder SMS senden können. Die ersten Probleme tauchen mit der Frage nach der passenden SIM-Karte auf. Sie muss austauschbar sein, damit der Anwender den Provider wechseln kann. Zudem ist die Datenübertragung kostenpflichtig und der Empfang in Kellern mit Stahlbetondecken problematisch.

WLAN- beziehungsweise Wifi-Netze könnten Daten in großer Bandbreite transportieren und sie einem leitungsgebundenen IP-Netz übergeben. Die Smart Meter ließen sich recht günstig um entsprechende Module aufrüsten. Weniger günstig ist der Betrieb, weil WLANs verhältnismäßig viel Energie verbrauchen. Vorhandene öffentliche Hotspots bieten keine ausreichende Abdeckung, oft wären also Installationen in Haushalten erforderlich.

Abschreckende Tarife

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Die Preisgestaltung der Energieversorger ist bis dato nicht dazu angetan, den Kunden einen Smart Meter schmackhaft zu machen. Wir haben zwei Angebote für einen Vier-Personen-Haushalt in München mit einem Jahresverbrauch von rund 4000 Kilowattstunden (kWh) angefordert.

Eon: Im Normaltarif zahlt der Haushalt 23,23 Cent je kWh und einen Grundpreis von 85 Euro pro Jahr. Wählt die Familie den Smart-Meter-Tarif "EnergieNavi", steigt der jährliche Grundpreis auf 185,35 Euro. Der Verbrauchspreis liegt tagsüber bei 23,38 Cent je kWh, nachts sinkt er lediglich um drei Cent auf 20,38 Cent je kWh. Die Familie müsste über 3300 Kilowattstunden ihres Jahresverbrauchs in die Nachtzeit verlagern, um einen Spareffekt zu erzielen.

Yello bietet Kunden in München ein Smart-Meter-Paket mit einem Jahresgrundpreis von mehr als 240 Euro, wovon knapp 100 Euro explizit für die Nutzung des Smart Meter ausgewiesen sind. Der Verbrauchspreis beträgt 24,42 Cent je Kilowattstunde, während der Nachtzeit reduziert er sich lediglich um 1,2 Cent. Deutlich über 8000 Kilowattstunden pro Jahr müsste der Haushalt in der Nacht statt am Tag verbrauchen, um die Mehrkosten von 100 Euro für den Smart Meter einzusparen.

So kommunizieren Haushaltsgeräte

Für das vernetzte Heim gibt es verschiedene Protokolle der Datenübertragung. Physikalische Basis sind oft die vorhandenen Stromnetze, aber auch Funkstrecken:

digitalSTROM ist ein Bus-System zur Haushaltsvernetzung über das vorhandene Stromnetz. Dahinter steht die Non-Profit-Organisation digitalSTROM Alliance, die 2007 an der ETH Zürich gegründet wurde. Seit März 2007 gibt es erste Komponenten wie Gateways und Strommesser. Kernstück des Konzepts ist der Hochvolt-Chip.

LON (Local Operating Network) wurde von der US-Firma Echelon entwickelt und ist heute ein offener Standard. Der Feldbus fügt sich ebenfalls in ein durchgängiges Smart-Energy-Konzept vom Hochvolt-Chip im verbrauchenden Gerät über Smart Meter und Gateways bis zur zentralen Management-Konsole samt ERP- und Billing-Anbindung beim Energieversorger ein.

Das Bussystem KNX wurde für die Gebäudeautomatisierung entwickelt und als Europäische Norm (EN) übernommen. Firmen wie Siemens und Bosch unterstützen KNX, Weiße-Ware-Hersteller wie Miele und Liebherr haben sie integriert.

Zigbee ist ein Funknetzstandard mit einer Reichweite von maximal 100 Metern. Die mit Funkmodulen ausgestatteten Geräte funken in einem Personal Area Network (PAN).

Router und Koordinatoren steuern die Installation. Die Zigbee-Allianz gibt es seit 2002.

EEBus ist eine standardisierte Schnittstelle zu den Verbrauchsgeräten, die im Rahmen des Forschungsprojekts E-Energy entwickelt wurde. Einige KNX- und Zigbee-Implementierungen für Heimvernetzungen nutzen bereits das EEBus-Protokoll. (Computerwoche)