Die letzten Quartale der wirtschaftlichen Turbulenzen haben eine gewisse Dissonanz zwischen den CIOs, den CEOs und den CFOs erkennen lassen. Während einerseits die CFOs in Richtung Kostensenkung gedrückt und dabei auch geringere Service-Levels in Kauf genommen haben, erwarten auf der anderen Seite die CEOs von den CIOs einen erhöhten Beitrag zur Unternehmensleistung. In diesem Spannungsfeld bewegen sich derzeit sehr viele CIOs ohne einen wirklichen Lösungsansatz des Dilemmas erkennen zu lassen.
Gerade sind SOA-Initiativen zu Ende gegangen, die nicht immer den versprochenen Erfolg für die Fachabteilungen gebracht haben. Das lag sicher auch daran, dass sie als Einmalprojekt gestartet wurden und nicht wirklich die Architekturperspektive im Vordergrund stand. Diese ist aber für eine langfristige, erfolgreiche SOA-Strategie unerlässlich. Denn im Moment ist keine wirkliche Alternative für eine SOA-Strategie erkennbar.
Alle Hersteller nutzen inzwischen standardbasierende Web-Service-Interfaces als Grundlage für ihre eigenen Produkte und schaffen somit die Voraussausetzungen für eine einfachere Integrierbarkeit ihrer Produkte in eine wirklich Service-orientierte Architektur.
Die von IDC erwarteten Ausgaben der Anwenderunternehmen belegen außerdem klar, dass SOA alles andere als ein vorübergehender Trend ist: So werden die Ausgaben für SOA-basierte Produkte weiterhin mit einem durchschnittlichen, jährlichen Wachstum von 24% (Durchschnitt zwischen 2008 und 2013) steigen. In realen Ausgaben bedeutet das eine Steigerung von knapp 2 Mrd. Dollar (2008) auf über 5,5 Mrd Dollar (2013).
BPM-Anbieter bedrängen CIOs
Zusätzlich sehen sich die CIOs den vielen BPM-Initiativen der Hersteller ausgesetzt. Die Fachabteilungen fordern außerdem eine höhere Flexibilität der durch IT unterstützten Geschäftsprozesse. Insbesondere ist eine höhere Anpassungsfähigkeit gefordert. Und weiterhin bietet gerade der BPM-Ansatz ein wesentlich besseres Alignment zwischen IT und den Fachbereichen.
Dabei müssen die Unternehmen den Herstellern bei ihrem Marketing allerdings genau auf die Finger schauen. Denn nicht alles enthält Business Process Management, wo BPM draufsteht. So gilt die Abkürzung BPM außerdem mindestens noch für Business Process Modelling, Business Process Measurement, Business Performance Measurement sowie für Business Performance Management.
Also ein heilloses Durcheinander, so mag es scheinen. Der Leser erkennt allerdings, dass die Begriffe irgendwie zusammen zu passen scheinen. Und in der Tat: Gutes Business Process Management erfordert zunächst einmal ein Analysieren der Geschäftsprozesse mit Hilfe von Business-Process-Modelling-Tools. Darauf aufbauend wird ein Business Process Measurement möglich, das wiederum die Voraussetzung für gutes Business Process Management ist. Damit wird ein Betrag für das Business Performance Measurement geleistet, was wiederum eine Basis für Business Performance Management darstellt.
Dabei wird Business Process Management immer als "ein holistischer Management-Ansatz verstanden, der geschäftliche Effektivität und Effizienz verfolgt und dabei nach Innovationen, Flexibilität und Integration mit neuer Technologie strebt", wie es schon 2008 im British Journal for Management in einem Online-Artikel von Smart, Maddern und Maull formuliert wurde.
Tatsächlich kommt BPM nicht ohne Technologie aus. Diese wird dann letztlich unter anderem zum Automatisieren von Geschäftsprozessen eingesetzt, wodurch Kosten für Standardprozesse gesenkt werden können. Eine Tatsache, die den CFO glücklich macht. Andererseits können sich die entlasteten Mitarbeiter nun besser auf die Nicht-Standard-Prozesse konzentrieren, wodurch mittelbar wiederum ein besserer Beitrag der IT zur Unternehmensleistung dargestellt werden kann.
CIO muss Marketing beherrschen
Dies erfordert allerdings ein wenig Marketinggeschick vom CIO, der seine Leistung immer auch vermarkten muss. Gelingt es ihm, wird auch der CEO über seinen unermüdlich wirkenden CIO glücklich sein und ihn hoch schätzen. Auf diese Weise lässt sich die beobachtete Dissonanz zwischen dem CIO einerseits und dem CFO und dem CEO andererseits sehr gut mildern, wenn nicht sogar gänzlich auflösen.
Die zusätzliche Bedrohung durch Cloud Computing, die häufig von den Fachbereichen meist in Form von Software-as-a-Service (SaaS) in Stellung gebracht wird, sollte den CIO auch nicht aus der Ruhe bringen. Denn richtig eingesetzt stellt sich Cloud Computing nur als eine weitere Form des Sourcing dar. Beispielsweise können gut automatisierte Geschäftsprozesse (siehe oben unter BPM) ausgelagert werden, so dass die Kosten potenziell weiter sinken; der CFO wird‘s danken.
Gleiches gilt aber auch für Plattform-as-a-Service- oder Infrastructure-as-a-Service-Komponenten. Auch sie können – richtig eingesetzt – für eine weitere Senkung der IT-Kosten sorgen. Auch darüber wird der CFO glücklich sein. Allerdings setzt ein gelungener Einsatz der "-as-a-Service"-Technologien voraus, dass sie sich in die unternehmenseigene Architektur, die vereinbarungsgemäß eine Service-orientierte sein sollte, nahtlos integrieren können.
Hier kommen die Dinge endlich zusammen: Der CIO darf nie die "Lufthoheit" über seine Architektur zugunsten kurzfristiger Vorteile aufgeben. Eine Architektur durchzieht die IT wie ein roter Faden, der richtig gesponnen sowohl zur Kostensenkung beiträgt als auch seinen Beitrag zur gesamten Unternehmensleistung beisteuert. Um das aufzuzeigen muss der CIO allerdings sein Marketinghandwerkzeug, das ihm nicht im Informatikstudium beigebracht worden ist, gelernt haben. Also dann – let‘s go for it!
Rüdiger Spies ist Independent Vice President, Enterprise Applications bei IDC in München.