CIO.de: Herr Peuker, setzen Sie in der Berliner Charité eher auf das iPad oder auf andere Tablet-PCs?
Martin Peuker: Wir werden wohl mit unterschiedlichen Plattformen arbeiten. Dabei ist der Typ des Endgeräts gar nicht entscheidend. Bei uns sind nach dem Hype um das iPad im vergangenen Jahr bereits viele Ideen und innovative Gedanken entstanden, die wir aber im harten Klinikalltag nicht alle verfolgen konnten, weil viele Architekturfragen noch gar nicht geklärt sind.
Dazu zählen, um mal zwei Beispiele zu nennen, vor allem die Sicherheits- und Integrationsfragen.
Wir haben in der Charité versucht, die Defizite der ersten Lösungen abzuschalten und Szenarien zu finden, die unseren klinischen Alltag möglichst schnell und ohne großen administrativen Aufwand unterstützen können.
Dennoch bedarf es dafür einiger organisatorischen Voraussetzungen: Wir müssen Sicherheitsarchitekturen schaffen, die es uns ermöglichen, mobile Endgeräte im Patientenkontext einzusetzen. Das betrifft Netzwerkarchitekturen ebenso wie Anwendungen, die es uns erlauben, Daten ohne Offline-Haltung performant darzustellen - etwa in der elektronischen Patientenakte. Daran arbeiten wir in gemeinsamen Entwicklungsprojekten zum Beispiel mit SAP.
CIO.de: Und welche Anforderungen müssen die Geräte erfüllen?
Peuker: Neben der einfachen Bedienbarkeit mobiler Endgeräte setzen wir auf eine einfache Wartbarkeit der Geräte durch die IT. Hier gibt es zwar Ansätze, aber die unterstützen einen flächendeckenden Roll-out der Geräte in einer Universitätsklinik noch nicht.
Ein letztes Thema, wo sich mobile Endgeräte im Klinikalltag noch beweisen müssen, ist die Displaygröße und deren Auflösung. Hier stehen wir in der Charité gerade vor der zweiten Evaluierungsrunde.
"Wir evaluieren unterschiedliche Geräte und Plattformen"
CIO.de: Wie führen Sie die Evaluierungen der Tablet-PCs konkret durch?
Peuker: Wir evaluieren unterschiedliche mobile Geräte und Hardwarelösungen. Einerseits testen wir mobile Visitenwagen, andererseits auch immer mehr "echte" Tablets wie das Galaxy Tab und diverse Smartphones von Blackberry und natürlich von Apple das iPhone und das iPad. All diese Geräte beurteilen wir passend zu den Szenarien, etwa für die Unterstützung der mobilen Visite, der Bettenaufbereitung, der Speisenversorgung oder des Patiententransports. Die Evaluationen finden derzeit in Pilotbereichen statt - Neurologie, Administrative Dienste, ausgewählte Pflegebereiche -, um alle Facetten aus der Sicht der Anwender und der Unternehmens-IT betrachten und erfassen zu können.
CIO.de: Welche Ergebnisse haben Ihre Tests?
Peuker: Die Evaluation ist noch nicht vollständig abgeschlossen, was zum Teil an der mangelnden Verfügbarkeit der Hardware liegt, zum anderen aber auch am Entwicklungsstatus der Applikationen. Allerdings können wir schon heute detailliert Vor- und Nachteile der einzelnen Plattformen beschreiben. Wenn ich hier alle aufzählen wollte, würde das Stunden dauern. Daher nur diese: Aufgrund der vielen adressierbaren Protokolle bieten alle Plattformen softwaretechnisch eine ausreichende Basis für die Integration aller Applikationen.
Hardwareseitig stoßen wir im klinischen Alltag dagegen an viele Grenzen. So sind zum Beispiel Displaygrößen und die Auflösung sowie die oft unzureichende Ausstattung im klinischen Alltag durchaus problematisch. RFID-Reader oder Kameras müssen als Barcodescanner sowie bei der Wunddokumentation einsetzbar sein. Es muss möglich sein, die Geräte zu desinfizieren und sie müssen sich auch mit Handschuhen bedienen lassen.
Mit der Evaluierung in der Charité verfolgen wir das Ziel, am Ende eine Plattform auszuwählen. Der Grund: Die Applikationsentwicklung lässt auf Grund der knappen Ressourcen keine Heterogenität zu.
CIO.de: Werden Sie in der Charité Geräte zulassen, die Ihre Mitarbeiter selber mit zur Arbeit bringen - gemäß der Devise "Bring your own device"?
Peuker: Nein, das werden wir nicht tun. Die TCO-Berechnung für die Prozesse, die wir mit mobilen Endgeräten unterstützen, sieht nur den Erwerb unterschiedlicher Modelle und die Integration der registrierten Geräte vor.
Nach erfolgreichen Tests Einsatz von bis zu 1000 Tablet-PCs geplant
CIO.de:Wie schützen Sie im mobilen Betrieb die vertraulichen Daten Ihrer Patienten?
Peuker: Das ist ein mehrstufiges Verfahren, das für den flächendeckenden Roll-out auch noch einer entsprechenden Datenschutzfreigabe bedarf. Grundsätzlich gilt: Alle Daten im Patientenkontext werden nicht auf den Endgeräten gespeichert. Alle Sicherheitsvorgaben verlangen nach einer sicher ausgelegten Netzwerkinfrastruktur. Das betrifft die W-LANs, aber auch eine enge Abstimmung und Registrierung der einzelnen Geräte bei den Mobilfunkanbietern. Hier geht es um eigene APN-Services und um das vollständige Löschen der Geräte bei Verlust und Diebstahl.
CIO.de: Wie viele mobile Geräte haben Sie denn schon im Einsatz, wie viele sollen es werden? Und: Wie richten Sie Dutzende oder gar Hunderte von Geräten ein. Einzeln?
Peuker: Derzeit sind bei uns in unterschiedlichen Pilotprojekten und in produktiven Szenarien rund 110 Geräte im Einsatz. Davon sind zirka 25 echte Tablet-PCs. Wenn die Test erfolgreich laufen, sehen wir in den nächsten Jahren einen Rückbau fester PC-Arbeitsplätze und einen entsprechenden Ausbau mobiler Endgeräte. Das würde dann bis zu vierstellige Stückzahlen bedeuten.
Die Evaluierung beschäftigt sich auch mit der Frage, welche Geräte sich hinsichtlich zentraler Services ideal in unsere Infrastruktur integrieren lassen. Nur wenn das ausreichend bestätigt wurde, werden wir eine Freigabe erteilen. Einzeln ist so etwas gar nicht mehr zu machen. Wenn das so wäre, würde das einen Stopp oder zumindest einen stark eingeschränkten Gebrauch mobiler Endgeräte mit extrem eingeschränkten Services bedeuten.
CIO.de: Egal, wie viele es am Ende werden: Was machen Ihre Mitarbeiter eigentlich genau mit den mobilen Endgeräten?
Peuker: Das ist ganz unterschiedlich, und hängt auch an der persönlichen Bindung der Geräte an den Anwender. Alle Geräte sind in unsere Exchange-Infrastruktur eingebunden und haben so Zugriff auf E-Mail, Global Adressbook, Kalenderfunktionen.
Die weiteren Dienste orientieren sich an den konkreten Tätigkeiten im Prozess. Das kann sein: Bestätigung von Patiententransporten und Bettenreinigungen. Das Abrufen von Positionsdaten für den nächsten Einsatz. Das Aufrufen der mobilen Patientenakte am Bett durch den Arzt. Oder der Zugriff auf Finanz- und klinische Daten bei Besprechungen. Wenn die Architektur steht, sind viele weitere Aufgaben möglich. Wir haben die Tür bis jetzt nur ein Stückchen geöffnet. Aber wir sind uns sicher, dass sich da eine ganze Reihe weiterer Anwendungsszenarien entwickeln lassen.
Eigene Apps entwickeln
CIO.de: Werden Sie eigene Anwendungen für die mobilen Geräte entwickeln? Oder werden Sie Standard-Apps anpassen. Wie werden Sie die Apps vertreiben?
Peuker: Ja, wir entwickeln schon jetzt erste eigene Anwendungen auf zwei Softwareplattformen. Bei Standardapplikationen geben wir im Rahmen der Evaluation Rückmeldungen an die Hersteller und beeinflussen so indirekt die weiteren Entwicklungen. Vertreiben tun wir die Apps selber nicht, sehen das aber als Option für die Zukunft.
CIO.de: Herr Peuker, vielen Dank für das Gespräch.