Architektur für iPad & Co.

Kernfragen für die Mobility-Strategie

22.06.2011 von Rüdiger Spies
Obwohl zu SOA-Zeiten gepriesen, fand die Zusammenarbeit zwischen IT und Business zu selten statt. Bei der Mobil-Strategie muss das anders werden, fordert Rüdiger Spies von IDC in seiner Kolumne.
Rüdiger Spies, Independent VP Enterprise Applications bei IDC, bemängelt, die IT habe bei SOA die Zusammenarbeit mit den Geschäftsbereichen zu selten gesucht. Das müsse beim Thema Mobilität anders werden.
Foto: IDC

Die Smartphone-Umsätze der Hersteller und die Nutzung von Smartphones als Internet-Zugangsmedium erfreuen die Mobilfunk-Provider. Unternehmen als potenzielle Nutzer dieser Technologie tun sich derzeit aber mit einem koordinierten und zielgerichteten Einsatz noch etwas schwer. Die Hauptnutzung der neuen Möglichkeiten liegt bisher überwiegend im privaten Bereich.

Unternehmen müssen erst noch ihre Hausaufgaben machen. Dabei geht es primär darum, zu beantworten, was Mobilität für das Unternehmen jeweils bedeutet. Entscheidend für den Erfolg einer Mobility-Strategie ist, dass eine Reihe von Fragen, die sich auf eine konkrete Unternehmenssituation beziehen, zu beantworten sind. Dazu gehören: Sollen auch Feature-Phones oder nur Smartphones unterstützt werden? Werden Notebook-Computer und Netbook-Computer in eine Mobility-Strategie einbezogen oder als Legacy-Technologie betrachtet?

Hardware-Fragen

Sollen Pad-artige Geräte unterstützt werden (beispielsweise iPad und WebPad)? Werden Smart-Devices (wie Smart-Meter) und spezielle Geräte (wie zum Beispiel Geräte der Paketzusteller) in eine Mobility-Strategie einbezogen? Soll von Anfang an neben einer Sprach- und Datenunterstützung auch eine Videounterstützung (etwa für die Vertriebsunterstützung) vorgesehen werden? Kommt eine Bring-Your-Own-Device-Strategie im Unternehmen in Frage, und welche Implikationen wird das haben (zum Beispiel beim Betriebsrat)?

Software-Fragen

Neben diesen gerätespezifischen Fragen sind für die Unternehmen auch eine Reihe von Software-bezogenen Fragen relevant. Dazu gehören: Reicht es derzeit aus, nur auf kostengünstige SMS zu setzen? Reicht ein einfacher Web-basierter Zugriff auf Anwendungsklassiker wie E-Mail und Kalender aus? Oder soll auch auf Kernapplikationen des Unternehmens zugegriffen werden? Müssen dazu die Interfaces überarbeitet werden? Sollen bereits von Anfang an komplett neue Anwendungen mit einem ausschließlichen Mobilbezug genutzt werden? Wer entwickelt diese; oder sollen sie gekauft werden? Wie werden sie verteilt?

Betriebsrat einbeziehen

Welche Möglichkeiten ergeben sich durch eine zusätzliche Nutzung von Location-based-Services? Würde der Betriebsrat dabei mitspielen? Sollen nur eigene Mitarbeiter von den mobilen Services profitieren oder auch Kunden und Partner? Welche Auswirkungen hat eine umfassende Mobilität auf die Datensicherheit? Welches Device-Management-System wird favorisiert? Kann das vorhandene Service Management die zusätzlichen Anforderungen abdecken? Oder sind - parallel oder als Ersatz - neue Managementsysteme erforderlich?

Mobil-Welle sollte für CIOs keine Überraschung sein

Diese und weitere Fragen stellen CIOs vor ganz erhebliche Herausforderungen. Ein komplett neuer Fragenkomplex muss vor einer gewinnbringenden Nutzung neuer Mobility-Optionen adressiert werden. Allerdings - und das muss man den CIOs vorhalten, die sich bisher nicht ausreichend mit dem Thema beschäftigt haben - ist das Thema nicht wirklich neu. Bereits um die Jahrtausendwende, zu Zeiten der Internetblase, wurden praktisch alle Mobility-Szenarien, die heute wieder in aller Munde sind, diskutiert. Die IT-Verantwortlichen können also nicht wirklich von einer großen Überraschung der neuen Mobility-Welle sprechen. Sie haben sich vielmehr auf IT-nahe Themen, wie Service-oriented architecture (SOA) und Virtualisierung, konzentriert.

Zugegebenermaßen ist eine erfolgreiche Umsetzung der genannten Themen eine wichtige Voraussetzung für eine aussichtsreiche Umsetzung von Mobility-Szenarien. Leider ist es aber nicht so, dass das Thema IT-Architektur nun nach einer mehr oder weniger geglückten Einführung einer Service-orientierten Architektur für lange Zeit vom Tisch ist. Angesichts neuer Anforderungen aus Mobility-Sicht muss die IT-Architektur sofort wieder auf die Agenda.

Mobilität als Teil einer Innovationsinitiative

Und dieses Mal bedarf eine Überarbeitung einer wirklich engen Zusammenarbeit mit den Geschäftsbereichen und den Mitarbeitern. So eine Zusammenarbeit wurde zwar zu SOA-Zeiten immer wieder empfohlen und gefordert. Umgesetzt wurde sie aber leider zu selten. SOA-Projekte wurden meistens als Technikprojekte umgesetzt. Erforderlich ist jetzt, dass auf der Basis einer vorhandenen Service-orientierten Architektur - sozusagen als Zukunftsbewährungsprobe - eine Mobility-Architektur aufgesetzt wird. Hierzu müssen Geschäftsbereiche und IT Hand in Hand arbeiten, um ihre Mobility-Strategie zu formulieren, denn nicht technologische Machbarkeit definiert den technischen Rahmen, sondern eine neuerlich angepasste Geschäftsstrategie, die das Mobility-Element als Teil einer Innovationsinitiative für das Unternehmen begreift.

Dabei geht es nicht in erster Linie um Innovationen, bezogen auf die eigenen Angebote und Produkte des Unternehmens, sondern um neue Services und neue Geschäftschancen hinsichtlich des adressierten Marktes sowie um neue Organisationsformen und die Zusammenarbeit des Unternehmens mit den Mitarbeitern, den Partnern und Zulieferern.

Um es aber nochmals klar zum Ausdruck zu bringen: Die wichtigste Voraussetzung für eine erfolgreiche Mobility-Strategie von Unternehmen ist, für sich zu definieren, was Mobility im jeweiligen Industriesegment und insbesondere für das eigene Unternehmen bedeutet. Hierbei ist eine engere Abstimmung als üblich zwischen der IT und den Geschäftsbereichen erforderlich.

Mitarbeiter fühlen sich ausgebremst

Die Zeit, dieses Thema anzugehen, ist jetzt. Denn zum ersten Mal wird der Takt nicht durch Mitbewerber oder Kunden vorgegeben, sondern durch die eigenen Mitarbeiter, die die Technologie im Privatbereich uneingeschränkt nutzen können, innerhalb des Unternehmens aber im Moment noch häufig ausgebremst werden. Dieses Potenzial gilt es zu heben.

Rüdiger Spies ist Analyst und Independent Vice President Enterprise Applications bei IDC Central Europe GmbH.