EZB-Studie

KI ist kein Jobkiller - aber die Gehälter könnten leiden

01.12.2023 von Heinrich Vaske
Laut der Europäische Zentralbank (EZB) wird künstliche Intelligenz (KI) wohl keine Arbeitsplätze vernichten. Allerdings sei ein Automatisierungswelle zu erwarten, die sich auf die Löhne auswirken könne.
Die EZB erwartet nicht, dass KI im großen Stil Arbeitsplätze vernichten wird. Europäische Beispiele zeigten, dass Automatisierung sogar den Bedarf an ungelernten Kräften erhöhe.
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In ihrem Forschungsbericht stützt sich die EZB auf Daten, die über neun Jahre hinweg in 16 europäischen Ländern erhoben wurden. Die Banker kommen zu dem Ergebnis, dass hochqualifizierte Arbeitsplätze in Bereichen, in denen KI Einzug hält, um 2,6 bis 4,3 Prozent zunehmen werden. Hier gebe es einen positiven Zusammenhang zwischen KI-gestützter Automatisierung und dem Entstehen neuer Jobs, so die Studie (PDF).

Auch gering qualifizierte Arbeitsplätze seien in Europa vergleichsweise sicher. In der Gruppe der Gering- und Mittelqualifizierten mit "durchschnittlichem Bildungsniveau" werde KI voraussichtlich nicht viel verändern. Die Autoren wundern sich, dass ihre Ergebnisse hier den Erkenntnissen aus der Geschichte der Automatisierung widersprechen. Automatisierungsschübe haben eigentlich immer zu einem Abbau von Arbeitsplätzen mit einfacher Qualifikation geführt, da manuelle Aufgaben durch Technologie ersetzt wurden.

Neutrale bis leicht negative Auswirkung auf Löhne

Was die Auswirkungen von KI auf die Löhne abgeht, kann die EZB zwar kein "klares Signal" feststellen, kommt aber aufgrund der gesammelten Daten zu dem Schluss, dass KI "neutrale bis leicht negative Auswirkungen" auf die Löhne haben werde. Wie die Autoren zu dieser Annahme kommen, wird in der Untersuchung allerdings nicht deutlich.

Ein weiteres Ergebnis ist, dass qualifizierte Arbeitnehmer und jüngere Fachkräfte am stärksten von der zunehmenden Verbreitung der KI am Arbeitsplatz profitieren werden. Die Wissenschaftler weisen allerdings mehrfach darauf hin, dass ihre Erkenntnisse mit Vorsicht zu genießen seien und potenzielle Gefahren, die KI für die Zukunft der Arbeitswelt bedeuten könnten, möglicherweise nicht erfasst wurden.

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Es handele sich um eine junge Technologie, die sich in großen Schüben auf unbekanntem Terrain weiterentwickele. "Die Auswirkungen auf Beschäftigung und Löhne - und damit auf Wachstum und Gleichheit - müssen sich erst noch zeigen", so die EZB-Forscher. Auch ließen sich die Schlussfolgerungen für den EU-Arbeitsmarkt nicht auf andere Länder übertragen, vor allem nicht auf die USA. Die Analysten weisen explizit darauf hin, dass ihre Ergebnisse nicht im Einklang mit denen US-amerikanischer Wissenschaftler stünden.

Europa und USA nicht vergleichbar

Untersuchungen über die Auswirkungen der KI auf die Arbeitsplätze in den USA hatten ergeben, dass insbesondere Generative AI bis 2030 zu einem Verlust von bis zu 2,4 Millionen Arbeitsplätzen führen könnte. Auch hatten große Technologieunternehmen, allen voran IBM, KI als Grund für die zu erwartende Entlassung Tausender von Mitarbeitern genannt. Viele Arbeitsplätze könnten zukünftig durch Software ersetzt werden, hieß es.

Aufgrund ihrer Daten glaubt die EZB schließen zu können, dass die Jobs gering qualifizierte Arbeitnehmer in den USA nicht so sicher seien wie in Europa. In den Staaten deute mehr darauf hin, dass KI "die Zahl der gering qualifizierten Arbeitsplätze tendenziell verringert". Die Autoren sehen indes mit Blick nach Frankreich einen gegenläufigen Trend: In den vergangenen Jahren sei dort ein positiver Zusammenhang zwischen der Automatisierung und der Beschäftigung ungelernter Industriearbeiter zu beobachten gewesen.

Abschließend warnt das Forschungsteam noch einmal ausdrücklich davor, dass die eigenen Untersuchungsergebnisse mit Vorsicht zu genießen seien. Viel hänge davon ab, ob sich intelligente Automatisierung ausschließlich auf vorhandene Aufgaben konzentriere oder ob auf diesem Wege ganz neue Arbeitsfelder erschlossen würden. Vor allem letzteres könne eine positive Auswirkung auf den europäischen Arbeitsmarkt haben. (hv)