Der Stellenwert von maschinellem Lernen (ML), Deep Learning und Künstlicher Intelligenz (KI) wächst. Immer mehr Anwenderunternehmen diskutieren darüber, wie sich Machine Learning nutzbringend im Business-Alltag einsetzen lässt und welche Rolle KI bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen von Unternehmen und öffentlichen Einrichtungen spielen kann.
Dass sie sich mit KI und Co. auseinandersetzen müssen, ist den Verantwortlichen in den deutschen Betrieben durchaus bewusst. Mehr als 25 Prozent wollen in den kommenden zwölf Monaten prüfen, wie sie diese Techniken nutzen können. Das ergab die Studie "Machine Learning / Deep Learning", die IDG Research Services im Auftrag der COMPUTERWOCHE erstellt hat. Damit rangieren KI und maschinelles Lernen fast auf Augenhöhe mit Ansätzen wie IT-Service-Management (27,5 Prozent), IT-Sicherheit (28 Prozent) und Cloud-Computing (30 Prozent).
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IT-Führungskräfte übernehmen die Chefrolle
Keine Überraschung ist, dass vor allem CIOs und IT-Leiter in der Pflicht sind, wenn Feldversuche mit künstlicher Intelligenz und ML anlaufen. In 58 Prozent der Fälle übernehmen Führungskräfte aus dem IT-Bereich die Federführung bei solchen Vorhaben. Dazu zählen neben CIOs die Leiter der Technologieabteilung (Chief Technology Officer) und, sofern diese Position bereits geschaffen wurde, der Chief Digital Officer (CDO).
Ein möglicher Stolperstein ist jedoch, dass die Fachabteilungen nur in geringem Maße eine Rolle beim Test und der Nutzung von KI und ML spielen. Schließlich sind sie es, die mit entsprechenden Applikationen arbeiten sollen, etwa im Bereich Big Data & Analytics oder bei der vorausschauenden Wartung von Maschinen (Predictive Maintenance). Vor allem in kleinen und mittelständischen Unternehmen bleiben Fachbereichs-Verantwortliche außen vor.
Nur 18 Prozent sind nach eigener Einschätzung in Entscheidungsprozesse im Zusammenhang mit Machine-Learning-Projekten involviert. Dies kann dazu führen, dass eine Kluft zwischen Technikspezialisten in den IT-Abteilungen und den Anwendern in den Fachabteilungen entsteht, die sich negativ auf KI- und ML-Projekte auswirkt.
Wissen und Best Practices sind Mangelware
Vor allem kleinere Unternehmen sehen sich mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert, hat die Studie der COMPUTERWOCHE gezeigt: Es fehlt an Informationen darüber, in welchen Bereichen und auf welche Weise sich KI- und Machine-Learning-Applikationen am besten einsetzen lassen. Dies beklagen fast 44 Prozent der kleineren Firmen und mehr als Drittel der Unternehmen mit über 1000 Beschäftigten. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass IT-Spezialisten und Geschäftsführer gleichermaßen ein hohes Interesse an Erfahrungen und Best Practices haben, die Vorreiter im Bereich KI und ML bereits gesammelt haben.
Speziell auf der Führungsebene, sprich bei Geschäftsführern und Abteilungsleitern, herrscht Verunsicherung. Rund 60 Prozent der CEOs und Vorstände sehen einen hohen Nachholbedarf, was Informationen über den Einsatz von KI-Verfahren in einzelnen Branchen betrifft. Vor diesem Hintergrund kommt Fachkongressen, Gründer- und Innovationsplattformen eine wichtige Rolle zu - als Kommunikationsdrehscheibe für den Erfahrungsaustausch.
Erste Gehversuche
Positiv ist, dass laut der Studie immerhin mehr als 47 Prozent der deutschen Unternehmen bereits punktuell Machine-Learning- und KI-Verfahren einsetzen. Die Schwerpunkte bilden dabei die Analyse von Daten und das Aufbereiten von Reports. Diese Informationen dienen dazu, Entscheidungen des Managements zu unterstützen. Rund jedes zehnte Unternehmen gab sogar an, dass Machine Learning ein fester Bestandteil ihres Geschäftsmodells ist. Solche Firmen setzen ML im Zusammenspiel mit mehreren Live-Datenströmen ein. Zudem haben diese Vorreiter Entscheidungsprozesse auf Basis dieser Daten automatisiert.
Vor allem Unternehmen mit großen IT-Budgets von zehn Millionen Euro und mehr haben ML und KI bereits in Geschäftsprozesse eingebunden. Dies ist bei 15 Prozent der Firmen der Fall. Mittelständler und Kleinunternehmen können da nicht mithalten. Von ihnen haben bislang nur sechs Prozent diesen Integrationsschritt gewagt. Ein Grund dafür ist vermutlich, dass Großunternehmen schlichtweg mehr Geld in neue Technologien wie maschinelles Lernen investieren können. Kleinere Unternehmen haben es zudem schwerer als "Große", das notwendige Fachpersonal für die neue Technik zu finden. Vor allem junge IT-Spezialisten bevorzugen häufig größere Firmen als Arbeitgeber. Der Grund: Von einem Großunternehmen erhoffen sie sich bessere Aufstiegschancen und höhere Sozialleistungen.
Zu den Branchen, die besonders große Hoffnungen auf maschinelles Lernen setzen, zählen die Logistik sowie Produktion und Fertigung. So können sich 44 Prozent der IT-Führungskräfte und Geschäftsführer von Unternehmen aus dem Transportgewerbe vorstellen, dass Machine Learning Vorteile für ihr Geschäft bringt. Diese Meinung teilen auch rund 40 Prozent der CIOs und CEOs von Fertigungsunternehmen. Interessanterweise legen vor allem kleinere und mittelständische Firmen aus diesen Branchen eine positive Haltung gegenüber ML-Anwendungen an den Tag. Dagegen sehen Großkonzerne auch in anderen Sparten Potenzial für den Einsatz von Machine Learning, beispielsweise in der Pharmaindustrie, der Medizin und im Dienstleistungssektor.
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Abteilungsübergreifende Abstimmung gefragt
Allerdings zeigt sich auch bei der Diskussion über Anwendungsbereiche eine gewisse Diskrepanz zwischen Fachabteilungen und IT-Fachleuten. Ein Beispiel ist der Groß- und Einzelhandel. Die Studie der COMPUTERWOCHE ergab, dass 38 Prozent der Fachbereichsleiter in dieser Branche ML als vielversprechend einstufen, dagegen aber nur etwas mehr als ein Viertel der IT-Experten. Offenkundig besteht Gesprächs- beziehungsweise Abstimmungsbedarf zwischen beiden Bereichen.
Solche Meinungsunterschiede sind aber nicht nur im Handel anzutreffen. Auch in der Finanzbranche schätzen Fachabteilungen, IT-Führungskräfte und Geschäftsführung den potenziellen Nutzen von maschinellem Lernen unterschiedlich ein. Einigkeit herrscht dagegen darüber, dass die Mehrzahl der implementierten IT-Plattformen bereits heute für den Einsatz von KI und Machine Learning gerüstet ist. So seien entsprechende Schnittstellen und Algorithmen sowie KI- und ML-Module verfügbar. Nur neun Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Plattformen nicht KI- und ML-tauglich sind.
Viele unterschiedliche Bezugsquellen
Zu den bevorzugten Lieferanten von Lösungen für KI und ML zählen in erster Linie IT-Service-Provider (39 Prozent) und Generalisten wie IBM und HPE (35 Prozent). Die Studie machte jedoch deutlich, dass Anbieter aus unterschiedlichen Sparten zum Zuge kommen. Dazu gehören Vollsortimenter wie Bosch, Siemens und NTT Data, aber auch Netz-Provider wie BT und die Deutsche Telekom. Hinzu kommen Anbieter von IoT-Plattformen sowie Unternehmen, die sich auf Data-Sciences-Dienste konzentrieren, beispielsweise Alexander Thamm.
Anwender können zudem auf die Hilfe von Unternehmen zurückgreifen, die sich auf Felder wie die Prozess- und Strategieberatung spezialisiert haben. Dazu zählen beispielsweise das Technologiehaus Reply und Lufthansa Industry Solutions. So setzt Reply maschinelles Lernen und KI-Algorithmen unter anderem in Lösungen für die Prozessautomatisierung ein. Lufthansa Industry Solutions integriert ML in Big-Data-Lösungen, die Rechnungen prüfen oder die Unternehmen eingesetzt werden um personalisierte Angebote für Kunden zu erstellen. Auch wer IT-Sicherheitssoftware verwendet, dürfte bereits in etlichen Fällen KI-Funktionen verwenden. Denn etablierte Anbieter wie NTT Security nutzen künstliche Intelligenz in ihren Produkten und Managed Services, um komplexe Sicherheitsrisiken und Angriffe proaktiv zu erkennen und zu unterbinden.
Die Tatsache, dass Unternehmen auf eine Vielzahl von Lieferanten von KI- und ML-Lösungen zurückgreifen, mag damit zusammenhängen, dass viele Firmen derzeit noch auf der Suche nach der richtigen Strategie sind. Eine Rolle spielt zudem das Branchen-Know-how, über das ein Anbieter verfügt: An KI und Machine Learning im Finanzbereich werden andere Anforderungen gestellt als an vergleichbare Produkte, die in Produktionsumgebungen oder der Forschung im Pharmasektor Verwendung finden.
Aus der Studie geht dagegen klar hervor, dass hauseigene IT-Dienstleister und Systemhäuser schlechte Karten haben, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt. So beziehen nur sechs Prozent der befragten Unternehmen ihre Machine-Learning-Lösungen aus dem eigenen Hause, rund fünf Prozent von einem Systemhaus oder Systemintegrator. Das bedeutet, Firmen wie Bechtle, Cancom, Computacenter und T-Systems müssen die Ärmel hochkrempeln, damit sie in diesem Marktsegment den Anschluss halten können.
Nicht allein eine Frage des Preises
Wichtig für Anbieter von KI- und Machine-Learning-Plattformen ist, dass Anwender bei der Wahl einer Lösung nicht nur den Preis im Blick haben. Vielmehr spielen fachliche Kriterien wie die Skalierbarkeit (35 Prozent) eine zentrale Rolle. Für jeweils etwa ein Drittel der Nutzer sind zudem die Erweiterbarkeit des Algorithmus und die Option von Bedeutung, die Plattform an die jeweiligen Anforderungen des Unternehmens anpassen zu können.
Somit haben diese Punkte in etwa dieselbe Priorität wie niedrigere Anschaffungs- und Betriebskosten. Allerdings zeigt die Untersuchung der COMPUTERWOCHE, dass durchaus eine tiefer gehende Analyse der Anforderungsprofile notwendig ist. So ist nicht recht nachvollziehbar, dass bei der Auswahl Faktoren wie die Offenheit einer KI- und ML-Lösung sowie Schnittstellen zu Drittanwendungen eine geringe Rolle spielen. Denn ohne Anbindung an Produktionsanlagen und IT-Systeme in der Logistik und dem Handel bleiben KI- und Machine Learning-Plattformen Insellösungen. Und das ist sicherlich nicht im Sinne des Erfinders und der Nutzer.
Studiensteckbrief Herausgeber: COMPUTERWOCHE, CIO, TecChannel und ChannelPartner Studienpartner: Platin-Partner: Siemens AG Gold-Partner: Lufthansa Industry Solutions GmbH & Co. KG, Reply Deutschland AG, SAP Deutschland AG & Co. KG Silber-Partner: NTT Data Deutschland, GmbH NTT Security Bronze-Partner: Alexander Thamm GmbH Grundgesamtheiten: Oberste (IT-) Verantwortliche von Unternehmen in der D-A-CH-Region: strategische (IT-)Entscheider im C-Level-Bereich und in den Fachbereichen (LoBs), IT-Entscheider und IT-Spezialisten aus dem IT-Bereich Teilnehmergenerierung: Stichprobenziehung in der IT-Entscheider-Datenbank von IDG Business Media; persönliche E-Mail-Einladungen zur Umfrage Gesamtstichprobe: 345 abgeschlossene und qualifizierte Interviews Untersuchungszeitraum: 15. bis 19. Februar 2018 Methode: Online-Umfrage (CAWI) Fragebogenentwicklung: IDG Research Services in Abstimmung mit den Studienpartnern Durchführung: IDG Research Services |