Carsten Bange sieht die langen Gesichter schon vor sich. Am 25. und 26. November lädt der Geschäftsführer des Business Application Research Center (Barc) zur diesjährigen Olap (Online Analytical Processing) und BI (Business Intelligence) -Konferenz nach Würzburg. Wie in den Vorjahren werden rund 140 IT-Verantwortliche und 14 Anbieter kommen; und wieder wird sich bei denjenigen Ernüchterung breit machen, die ein Rundum-sorglos-Paket präsentiert bekommen wollen. "Wir werden oft nach Software für Reporting, Analyse und Planung gefragt - am besten noch mit einer Balanced Scorecard für den Vorstand", so Bange. "Da müssen wir dann sagen: Sorry, mit einem Werkzeug können Sie das nicht erledigen. Das Problem mit den Schnittstellen bleibt Ihnen erhalten."
Immerhin: Der Trend geht zu immer umfassenderen Lösungen. Anbieter kleinerer BI-Tools werden aufgekauft (Beispiel Acta, im Juni von Business Objects übernommen), erweitern ihr Angebot (Beispiel Informatica, kündigt mit Power Center RT zusätzliche Analysemöglichkeiten an) oder versuchen als Partner bei etablierten Unternehmen aufzuspringen (Beispiel Ascential, auf der Cebit mit am SAP-Stand). Derweil nehmen andere Wettbewerber für sich in Anspruch, End-to-End-Lösungen anzubieten. So erklärt Allan Russel, Chefstratege bei SAS International, man strebe an, die komplette Intelligence Value Chain zu unterstützen. Wer auf dem BI-Markt überleben wolle, brauche mehr als Olap-Tools, nämlich Werkzeuge, mit denen sich geschäftsstrategische Informationen über alle Unternehmensteile hinweg gewinnen lassen.
Vollmundig, was der SAS-Stratege da ankündigt, denn die komplette Intelligenzkette ist lang. "BI bezeichnet die Transformation operativer Daten in entscheidungs-relevantes Wissen", definiert Bodo Cramer, Senior Consultant der Meta Group. Sie umfasst also alle Techniken, durch die Informationen in ein Data Warehouse fließen, ebenso alle Ansätze, um die Halden von Terabytes zu pflegen, und schließlich jedes Analyse-Tool, das Daten für das Management aufbereitet. Cramer beeilt sich denn auch, die Unschärfe des Wortes BI zu bemängeln: "Besser, es hätte diesen Begriff nie gegeben."
300 bis 400 BI-Lösungen im Angebot
Doch die Kritik an der Nomenklatur kommt zehn Jahre zu spät. 1992 haben die Marktforscher von Gartner das Buzzword BI kreiert; mittlerweile steht es in den Werbebroschüren von 300 bis 400 Software-Lösungen, schätzt Bange. Um die Leistungen dieser BI-Werkzeuge unterscheidbar zu machen, teilt die International Data Corporation (IDC) sie in vier größere Segmente, um so auch gleich die Marktanteile in Westeuropa zu quantifizieren: 46 Prozent des BI-Umsatzes im Jahr 2001 wurden demnach mit Abfrage- und Reporting-Werkzeugen erzielt, die Endnutzer zu Ad-hoc-Analysen heranziehen. 29 Prozent des BI-Umsatzes steuerten Olap-Tools bei, also jene Werkzeuge, mit den Spezialisten mehrdimensionale Daten aufbereiten. 11 Prozent Umsatz entfallen auf das Data Mining, worunter Christina Steensboe, Program Manager von IDCs European Software Group, die Aufbereitung von Daten mittels statistischer Methoden versteht. Der Rest fällt in die Kategorie Sonstiges.
1,2 Milliarden Dollar Umsatz wurden in diesen vier BISegmenten im vergangenen Jahr in Westeuropa erzielt. Das klingt viel, doch die Anbieter können mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Das Wachstum 2001 betrug knapp 2 Prozent; im Vorjahr waren es noch 17 Prozent. Trotz dieses Einbruchs prognostiziert IDC bis 2006 ein jährliches Wachstum von durchschnittlich 15 Prozent. Schon in der zweiten Jahreshälfte soll der Markt anziehen.
Nachteil der Klassifizierung nach IDC: Die so genannten ETL-Tools sind nicht gesondert ausgewiesen. Das Extrahieren, Transformieren und Laden von Informationen aus den operativen Systemen für ein Data Warehouse gehört aber zu den elementaren Aufgaben, ohne die es gar keine Business Intelligence gäbe. "ETL ist die größte Herausforderung", betont Meta-Mann Cramer. Es bereite den Unternehmen reichlich Probleme, Daten von den unterschiedlichen Plattformen ihrer operativen Systeme zu ziehen. "Trotz guter Standardisierungsansätze werden Metadaten noch sehr individuell modelliert", so Cramer. Großunternehmen leisten sich angesichts des Wildwuchses lieber ETL-Werkzeuge, deren Lizenzen nicht selten 100000 Euro kosten, statt selbst unzählige Entwicklertage in die Datenfriemelei zu investieren. Auch Mittelständler dürfen auf diesen Lösungsweg hoffen: Neben den etablierten - und nicht ganz billigen - Herstellern wie Acta, Ascentia, Informatica oder Sagent bieten immer mehr Datenbankhersteller günstige und leistungsfähige Tools wie den Warehouse Builder (Oracle).
Ähnlich wie Microsoft bei den Olap-Tools mausert sich auch ein anderer alter Bekannter im Bereich Data Warehousing und sogar im Bereich Analyse: SAP. Das Business Information Warehouse (BW) erfreut sich zumindest bei den eigenen Kunden immer größerer Beliebtheit; gut 5000-mal ist das Programm weltweit bereits im Einsatz. "Es ist ja auch schwer zu kontern, wenn der CFO sagt: Wir haben gerade zehn Millionen Euro für SAP investiert, und nun sagen Sie mir, wir brauchen Cognos, Business Objects oder Microstrategy", erklärt Frank Buytendijk, BI-Spezialist beim Marktforschungsunternehmen Gartner. Da könne es zehnmal teurer sein, BW anzuwenden - der CFO werde dennoch immer fragen: Warum nutzen wir nicht das SAP-Produkt, das wir schon bezahlt haben?
Bange hat für diese Frage Antworten gesammelt, die CIOs ihren Finanzverantwortlichen geben können. Die im Sommer erschienene Studie "Frontends für SAP BW" zeigt, an welchen Stellen 13 zertifizierte Werkzeuge von Fremdanbietern eine sinnvolle oder sogar notwendige Ergänzung zur Standardausstattung von BW sind. Dabei stellten die Barc-Mitarbeiter in ihrem Würzburger Labor fest, dass die SAP-Lösung besser geworden ist. "BW 3.0 geht jetzt langsam", so Bange über die Integrations- und Analysefähigkeiten.
Das beliebteste Werkzeug: Excel
Für die 80 Prozent der Manager, die laut einer Studie des BI-Anbieters Cognos mit der Informationsgüte in ihren Unternehmen unzufrieden sind, erhöht sich so die Chance, künftig mit bereits vertrauten Mitteln Daten präsentiert zu bekommen. Den meisten dürfte das sehr recht sein. "Das beliebteste BI-Tool kommt von Microsoft und heißt Excel", sagt Bange. Vorstände und Geschäftsführer sollten sich von den Charts und Kreuztabellen allerdings nicht vorgaukeln lassen, die Informationskette in ihrem Unternehmen sei lückenlos. Irgendjemand muss zuvor Daten aus verschiedenen Quellen in die lieb gewonnene Desktop-Lösung umgeleitet haben. Dabei entstehen Fehler, weil Informationen unterschiedlicher Art und Aktualität häufig schlichtweg nicht in die Kreuztabellen passen.
Ab 2005 könnten diese Mängel eine noch fatalere Folge haben. Dann ändern sich mit Basel II die Richtlinien der Eigenkapitalvereinbarung. Grundsätzlich gilt: Wer in Controlling, Planung und Steuerung nicht für hinreichend Transparenz sorgt, für den verteuern sich die Kredite. Mittelständlern mag vor dieser Banker-Vision einer berechenbaren Welt grausen. BI-Anbieter wie Clemens Prändl, Geschäftsführer von Microstrategy, freuen sich: "Ich bin ein großer Fan von Basel II, seit ich gelernt habe, was für große Datenbanken das mit sich bringt."