Wenn Peter Sany in Basel rot sieht, ist das ein gutes Zeichen; dann läuft das Geschäft. Färben sich einzelne Regionen seiner Information-Orientation-Landkarte blau, wird es brenzlig. Mit der Einführung des Information-Orientation-Modells beim schweizerischen Pharmakonzern Novartis hat der CIO einen großen Schritt in Richtung Business Performance Management (BPM) gemacht.
Dabei soll es dem Management möglich sein, Daten über Abteilungsgrenzen hinweg zu analysieren - und zwar nicht nur im Finanzbereich, so die Meta Group in ihrer Definition des Entwicklungsfelds BPM, das 2003 zu den wichtigsten Trends zähle. Nicht immer kennen CIOs etwa die genauen Kosten für ihre Projekte. Bei Novartis lagen die Budgets für IT-Projekte in der Vergangenheit regelmäßig um rund 20 Prozent daneben. Das soll nun anders werden, verspricht Sany - sowohl in der IT als auch in den anderen Geschäftseinheiten. Der gelernte Computerkartograph und Informatiker setzt seit vergangenem Jahr konzernweit auf Business Performance Management. Wenn die IT das Gefäßsystem der Firma ist, wie Sany sagt, dann sei BPM das große Blutbild.
Aufschluss über Business Performance
Wichtigstes Werkzeug des CIOs ist das vom International Institute for Management Development (IMD), Lausanne, entwickelte Information-Orientation-Modell. Es bildet das Rückgrat für eine neue Art der Leistungsübersicht im Unternehmen. Hier fließen über eine Reihe von Parametern technische Aspekte, die organisatorische Fitness und der Umgang mit Informationen ein.
Die konzernweite Beschaffung bei Novartis hat Sany bereits mithilfe des Managementwerkzeugs untersucht. Gerade liegt der "Diagnostic Report" der globalen Beschaffungsgruppe auf seinem Schreibtisch. 89 Manager waren zwei Tage lang mit der Erstellung beschäftigt. Jede einzelne Abteilung wurde dafür in drei Bereichen nach je vier bis sechs Kriterien beurteilt, darunter das Sammeln von Informationen und das Innovationsmanagement. "Das ergibt den Information-Orientation-Wert", erklärt Sany. Dieser IO-Wert lasse Rückschlüsse auf die Business Performance zu. Immerhin geht es bei Novartis um ein Einkaufsvolumen von einer Milliarde Franken (660 Millionen Euro) pro Jahr.
Interner Benchmark an den Besten
Auf Sanys Flachbildschirm schlägt das Bild nach rechts von rot in blau um. Auf dem blauen Balken steht "Bottom 20", auf dem roten "Top 25". "Die Roten machen ihre Sache gut, die Blauen weniger", sagt Sany. Ziel sei es, dass die Blauen von den Roten lernen; so entstehe ein internes Benchmarking. "Die Management Practices, die in diesem Cluster vorkommen, propagiere ich auch für den Rest der Firma", sagt Sany und tippt auf einen rot gefärbten Sektor. Welche Abteilungen sich dahinter verbergen, möchte der CIO nicht verraten. Ein wichtiger Nebeneffekt des neuen Instruments: "Sie brauchen keine Berater oder etwas anderes, um zu benchmarken; Sie müssen nichts Neues erfinden. In einer so großen Firma gibt es immer rote Spots, egal um welches Thema es geht."
So leicht, wie es Sany gern hätte, lassen sich Modelle aus der Managementwissenschaft allerdings nicht in die Praxis übertragen. Auch das IO-Modell brauchte Zeit. Seit Sany bei Novartis ist, leistet er dafür Überzeugungsarbeit. "Der Beginn war subtil, eine Art Bewusstseins-umkehr bei den Mitarbeitern." Denn das Management erfährt augenblicklich, in welchen Abteilungen die Zahlen nicht stimmen. Viele Mitarbeiter hätten Entlassungen befürchtet - nach dem Motto: "Du bist blau, also raus mit dir", so Sany. Dabei gehe es ihm vor allem darum, von der Angst vor einer negativen Erfahrung hin zum schnellstmöglichen Lernen von den Besten zu gelangen; das sei ein wichtiger Schritt. "Erst wenn eine gewisse Reife erreicht ist, können Sie mit Modellen reingehen, Tools und Leute einsetzen."
Balanced Scorecard im Intranet
Dabei ist Leistungskontrolle für die Novartis-Mitarbeiter nichts Neues. Das Managementinstrument der Balanced Scorecard (BSC) ist hier bereits seit 1998 im Einsatz - und sogar für jeden Mitarbeiter im Intranet einsehbar. Die BSC ist für ein ganzheitliches Performance Management ebenso erforderlich wie das IO-Modell. Permanent kann jeder Kennzahlen über die Arbeit der Abteilungen abrufen - das "kleine Blutbild" des Unternehmens online. Für jeden Bereich innerhalb der IT, also von der Infrastruktur über die Forschung und Entwicklung bis hin zum Marketing und Verkauf, werden ständig die Finanzsituation, der Kundenbezug, der Bereich Lernen und Wachsen sowie die IT der internen Prozesse beurteilt. "Nach sechs bis acht Monaten haben sich die Mitarbeiter an die neue Transparenz gewöhnt", meint Sany, der allerdings froh darüber ist, dass Betriebsräte in der Schweiz nicht so stark sind wie in Deutschland.
Auch die verantwortlichen Manager, die beim BPM im Mittelpunkt der Leistungskontrolle stehen, könnten sich nun nicht mehr hinter verschlossenen Türen verschanzen. Sany sieht es als selbstverständlich an, Informationen im Unternehmen zirkulieren zu lassen. "Vielen großen Firmen gehen oft vollkommen natürliche Reaktionen verloren. Dabei hat jeder Bäcker mit zwei Gesellen einen Business-Plan, um zu wissen, wofür er sein Geld ausgibt und wie viel er verdienen muss", so der CIO des 77000-Mann-Unternehmens. Heute wisse er genau, wo sich Investitionen lohnen, betont Sany. Diese Daten hat der CIO für jedes seiner Projekte und für jede Abteilung auf dem Schirm. "Denn man ist enorm verwundbar, wenn man seine Zahlen nicht beieinander hat."
Nur ein Detail hat der CIO nicht bedacht: Sowohl sein Projektmanagement-Tool Crystal als auch die Balanced Scorecard funktionieren nach einer ganz anderen Farbenlehre als das Information-Orientation-Modell - nach der Ampellogik grün, gelb und rot. Die ist jetzt auch für das IO-Modell geplant. Sany wird sich also abgewöhnen müssen, bei Rotlicht zu entspannen.