Eine zu grosse Haftkraft hat die Ingenieure im Beiersdorf-Konzern schon vor 100 Jahren geärgert. Damals plagten sie neue Pflaster, die sich nur mit Gewalt von den Patienten abreißen ließen. "Daraus sind dann Fahrradflicken geworden", erzählt Barbara Saunier trocken. Sie selbst verdankt dieser Fehlentwicklung ihren Job. Aus den Fahrradflicken entstand ein Klebefilm, der 1936 um einen Abrollapparat ergänzt wurde und den Namen Tesa erhielt. Seit zwei Jahren ist die Tesa AG eine eigenständige Tochter des Beiersdorf-Konzerns. Folgerichtig, wie die IT-Leiterin des jungen Unternehmens findet: "Unser Geschäft ist überwiegend auf die Industrie ausgerichtet, im Gegensatz zum Consumer-Geschäft von Cosmed oder Medical."
Die Konzernspitze hängt denn auch nicht an Tesa, da Zulieferer und Kunden im Klebemarkt sowieso nichts mit Nivea-Duschöl oder Hansaplast anfangen können. Außerdem ist die 100-prozentige Tochter mit ihren 3700 Mitarbeitern und 693 Millionen Euro Umsatz längst groß genug, um eigenständig zu agieren. Der Gewinn lag im Gründungsjahr bei 20 Millionen Euro; ohne die Kosten für die Restrukturierung wäre er um ein Drittel höher gewesen. Für 2002 vermeldet der Beiersdorf-Vorstand und jetzige Tesa-Chef Dieter Steinmeyer einen Ebit von 26 Millionen Euro - trotz des rückläufigen Markts. Tesa kann gegen seine Hauptkonkurrenten 3M, Henkel und Nitto allein bestehen und soll sich deshalb jetzt noch stärker auf die Kernprozesse konzentrieren. Das nimmt die Informationstechnik nicht aus: "Wenn man eigene Strukturen aufbauen will, muss die IT dazugehören", meint Saunier, die mit dieser Position im Haus Anklang findet. "Rechtfertigungsdruck habe ich noch nie erlebt."
In der IT-Abteilung bei Beiersdorf mag das einige der ehemaligen Kollegen wenig freuen. 1984 hat Saunier dort als Programmiererin angefangen, schnell ist sie zur Projektleiterin und Länderkoordinatorin aufgestiegen; 1995 hat sie bei ihrem Wechsel in die Tesa-Sparte einige Mitarbeiter mitgenommen, und nun fühlt sie sich nicht mehr an ihre alte Abteilung gebunden. Wenn sie sich für die Dienste der Beiersdorf Shared Services entscheidet, dann nur, wenn es sich für Tesa lohnt. Beim Wide Area Network ist das der Fall; da konnte der Konzern gute Konditionen mit dem Provider Equant aushandeln. Beim Local Area Network ist es nicht der Fall. Das LAN hat Saunier genauso wie die Helpdesks an den externen Anbieter Hanseatische Datentechnik (HDT) ausgelagert. Das Rechenzentrum betreuen Mitarbeiter von Siemens Business Service und nicht die Ex-Kollegen.
Es muss nicht immer SAP sein
So weit ist es in den vier europäischen Produktionsstätten von Tesa dann doch nie gekommen. Immerhin setzt Saunier aber eine kleine ERP-Lösung ein, deren Hersteller nicht SAP oder Oracle heißt - mehr will sie im Augenblick nicht verraten. "Unsere IT-Strategie baut auf einer zentralen, standardisierten Systemarchitektur auf - nur muss diese nicht immer SAP heißen." Generell hält sie Best of Breed für einen guten Ansatz, besonders wenn er von Leuten kommt, die mit den Geschäftsprozessen besser vertraut sind als die Anbieter globaler Lösungen.
Das nimmt sie auch für ihre Abteilung in Anspruch: Anders als die meisten IT-Leiter ihrer Hierarchiestufe berichtet Saunier nicht an den Finanzvorstand, sondern an den Geschäftsführer des Tesa Supply Networks, so der Name der Abteilung, die für reibungsfreie Abläufe in der Versorgungskette sorgt. Auch hier war Saunier vor ihrer Beförderung zur IT-Leiterin keine Unbekannte: Vier Jahre lang hat sie dort Tesa-Prozesse optimiert, bevor sie ihr Chef auf den neuen Posten hob. Nicht zuletzt aufgrund dieser Vergangenheit schart sie jetzt Mitarbeiter um sich, die mehr als bloß Kistenschieber sind. "Wir begreifen uns nicht als reine Serviceabteilung", sagt die IT-Leiterin, die ihre Aufgabe im Managen und nicht im Fachsimpeln sieht. Wie kann es auch anders sein für eine gelernte Mathematik- und Philosophielehrerin? Saunier hat nach ihrem Examen sogar ein Jahr in diesem Beruf gearbeitet, bevor sie zur IT bei Beiersdorf wechselte. "Der damalige Leiter hat bewusst einige Lehrer eingestellt, um das Kommunikationsdefizit zwischen EDV und Fachbereichen auszugleichen", sagt Saunier, die dieses Vorgehen für klug hält. Informatik sei zu speziell, Wirtschaftsingenieure könne sie für ihre Abteilung besser gebrauchen.
Wirtschaftswissen - egal woher - braucht Saunier auf jeden Fall, um das Versprechen einzuhalten, mit dem sie im Jahr 2001 angetreten ist: Um 30 Prozent will sie die laufenden Kosten in der IT bis zum Jahr 2005 reduzieren. "Die Hälfte davon haben wir schon geschafft", sagt sie. Wenn alles glatt läuft, werden die IT-Ausgaben am Ende dieses Prozesses nicht mehr 4 Prozent des Gesamtumsatzes auffressen, sondern nur noch 2,5 Prozent.
Saunier könnte sich dann verstärkt um ein Projekt kümmern, das wieder mal gar nichts mit IT zu tun hat: An einer Wand ihres Büros hängt die Luftaufnahme eines Bauernhofs nördlich von Bordeaux. Die Sauniers haben das etwas klapprige Objekt vergangenes Jahr erworben. Irgendwann wollen sie sich im Heimatland des Gatten zur Ruhe setzen. Sauniers Tochter kann davon nicht mehr profitieren; sie geht längst eigene Wege. Aber der Labrador freut sich schon auf den Auslauf auf dem Gehöft.