boco

Kleider in Service-Pakete

27.09.2006
Der Wäsche-Mietservice boco zerlegt die Unternehmensleistungen in Standard-Services wie Waschen, Bügeln und Abholen. Kern der Geschäftslösung sind standardisierte Prozessbausteine. Leistungspakete lassen sich individuell zusammenstellen.

Hartmut Strauß ist für eine IT-Infrastruktur verantwortlich, die ihresgleichen sucht. Es geht um Dienstleistungen wie den Fullservice für Arbeitsbekleidung unter der Marke boco, die zum Hamburger Haniel Textil Service HTS gehört. HTS versorgt Haustechnikfirmen und Werkstätten mit Latzhosen und Blaumännern oder Automobilhersteller mit maßgeschneiderten Lösungen. Darüber hinaus bietet HTS Waschraumdienste unter dem Label CWS an. Durch eine Neuordnung der IT hat HTS-IT-Chef Hartmut Strauß jetzt flexible Bausteine geschaffen, die das Geschäft erheblich vereinfachen.

Diese Service-orientierten Bausteine stehen seit kurzem allen Unternehmensteilen bei Bedarf zur Verfügung. Der so genannte eService etwa ist eine Funktion, mit deren Hilfe die Kunden wesentliche Serviceanfragen wie eine Trägeranmeldung über das Internet abwickeln können. „Wenn jemand drei neue Mitarbeiter hat, für die er Jacken braucht, loggt er sich ein und kann sie rund um die Uhr bestellen.

Und dabei natürlich auch die jeweiligen Namen und Größen angeben“, erklärt Strauß. Ein weiteres Beispiel für eine flexible einsetzbare Funktion ist ein neuer Abrechnungsbaustein namens eBilling. „Die Anregungen für die laufenden Prozessverbesserungen bekommen wir durch die Fachabteilungen der Tochtergesellschaften oder aus dem Management“, erklärt IT-Chef Strauß, aber auch IT versteht sich als Impulsgeber und Mitgestalter bei der Optimierung von Abläufen.

Strategie: den Servicesektor stärken

Das Ergebnis ist für einen Anbieter wie HTS, dass die kundenorientierte Lösungsvielfalt des Angebots in einem leistungsfähigen zentralen Steuerungssystem abgebildet ist. Damit wurde eine transparente und konsistente Informationsbasis für das weitere Wachstum des Unternehmens geschaffen. HTS gelingt ein kniffeliger Spagat, vor dem viele Dienstleistungsunternehmen stehen: Wer Kundenwünschen nicht entgegenkommt, kann im Servicesektor keinen Erfolg haben. Wenn jeder Kundenwunsch aber eine neue Prozessvariante erzeugt, entstehen keine Skaleneffekte.

Seit jeher haben bei HTS nicht nur Wäschereien und Auslieferungsfahrer viel Arbeit, es fallen auch ungeheure Datenmengen an. Der Grund: Trotz des Massencharakters des Geschäfts ist jedes Stück Berufsbekleidung individuell. Nicht nur die richtige Größe muss ein ausgelieferter Kittel haben, er muss in der Regel auch mit dem richtigen Firmenlogo und dem Namen des Trägers ausgestattetsein.DamitdiesesindividualisierteMassengeschäft funktionieren kann, sind die Bekleidungsstücke mit RFID-Transpondern versehen, die ihre automatische Identifikation ermöglichen – eine Technologie, auf die boco jenseits allen Hypes um die Transpondertechnologie bereits seit 1994 setzt.

Über fünf Millionen Einzelteile verleiht und pflegt HTS über seine Tochterunternehmen in der Berufskleidungssparte. „Wir lassen täglich allein in Deutschland weit über 100000 Berufkleidungsteile durch die Betriebe laufen“, sagt der IT-Verantwortliche Strauß. Es sind Kunden wie der Darmstädter Konditormeister Adolf Neuschäfer, der sein 45-köpfiges Team der Filialkette Conditorei Neuschäfer mit Hilfe von boco einkleidet. Einem Dienstleister die Pflege der Bäckerschürzen zu überlassen ist für ihn eine qualitätssichernde Maßnahme, was das Ambiente seiner Geschäfte angeht. „Wenn meine Mitarbeiter die Berufskleidung selber waschen würden, hätte ich keine Kontrolle über ein einheitliches Erscheinungsbild in fünf verschiedenen Filialen“, sagt der Konditor.

2001 mit dem IT-Umbau begonnen

Die Marke boco ist ein Teil von HTS, einem 8000 Mitarbeiter großen Unternehmen. Hinzu kommt das CWS-Geschäft. „Über 1,6 Millionen Handtuch- und Seifenspender sorgen bei unseren Kunden und deren Gästen für eine komfortable und hygienische Nutzung von Waschräumen“, sagt Strauß. HTS besteht aus mehr als 50 internationalen Tochterunternehmen in über 20 Ländern.

In einigen Märkten agiert der Dienstleistungsriese mit großen Tochtergesellschaften, in anderen, etwa neueren osteuropäischen Märkten, haben sie zum Teil Start-up-Charakter. „Europaweit haben wir es mit einem Mix aus großen und kleinen Unternehmen zu tun, die aufgrund der erforderlichen Kundennähe stark dezentral aufgestellt sind“, sagt Strauß.

Dennoch schafft es HTS, Synergien zwischen Unternehmensteilen zu erzeugen, die sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Historie stark voneinander unterschieden. Die Grundlage dafür ist eine gemeinsame, zentral vorgehaltene und gepflegte IT-Landschaft. Im Jahr 2001 hatte Strauß begonnen, sie neu zu gestalten.

HTS war ein Unternehmen im Umbau, die damaligen Entscheidungen bedeuteten Weichenstellungen, deren Auswirkungen noch heute spürbar sind. „Wir waren damals in der heißen Phase der Post-Merger- Integra tion, in der die Unternehmen CWS, ein Schweizer Traditionsunternehmen, und boco zu einem Unternehmensbereich des Haniel-Konzerns zusam men geführt wurden“, sagt IT-Chef Strauß. „Vor diesem Hintergrund stellen wir uns die Frage, wie wir als IT die Voraussetzungen schaffen können, ein Unternehmen zu werden“, sagt Strauß. „Die IT haben wir als Treiber der Integration verstanden.“

Die Folge war ein SAP-Projekt: Bis zum Juni dieses Jahres dauerte der unternehmensweite Roll-out von SAP R / 3 als zentralem System um Geschäftsprozesse zu vereinheitlichen und Unternehmensbereiche zusammenzuführen. Teil des Projekts war neben dem Roll-out auch das Erweitern der Funktionalitäten von R/3. „Das System ist im Standard nicht geeignet, unsere Prozesse abzubilden“, sagt Strauß. „Aber das wussten wir von Anfang an.“

Er betrachtete die Walldorfer Software als ein Gerüst, das er um spezifische Eigenentwicklungen ergänzte, um ihm die notwendige Stabilität für die anfallenden Datenmengen zu verleihen. „Wir haben zirka 150 000 Kunden in Deutschland, die wir Woche für Woche beliefern“, sagt Strauß. „So ein Massengeschäft sauber zu dokumentieren ist von der Leistung der Systeme und von der Performance der Prozesse her eine große Herausforderung.“

Fünf Millionen Kleidungsstücke

Die fünf Millionen Bekleidungsstücke beispielsweise so individualisiert zu verwalten, wie HTS es vorsah, sprengte das Mengengerüst der Software. Nachdem Strauß und seine Mannschaft dieses Problem durch selbst entwickelte Zusatzkomponenten gelöst hatten, machten sie sich an die Feinarbeit – das Entwickeln zusätzlicher, benötigter Komponenten wie beispielsweise einer Verwaltung von Namensemblemen auf den Kleidungsstücken. „Dafür gibt es in SAP keine Lösung“, sagt Strauß.

Den Betrieb des Systems übernimmt heute Hewlett-Packard (HP) als Outsourcing-Dienstleister. Strauß und sein Team haben damit den Kopf frei, um sich auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren: Ausgehend von den Geschäftsprozessen der einzelnen Unternehmensteile entwickeln die HTS-Spezialisten in Zusammenarbeit mit einem externen Partner Anwendungen, die diese unterstützen.

Drei Viertel des Geschäfts mit SAP

SAP R/3 fungiert dafür als Grundlage. Lediglich kleinere Tochtergesellschaften arbeiten noch mit anderen Lösungen, aber auch hier wurde mit der Wäschereisoftware ABSSolute des niederländischen Anbieters ABS Laundry Logic ein Unternehmensstandard gesetzt. Insgesamt drei Viertel des internationalen Geschäftsvolumens wird aber in SAP abgebildet.

Alle operativen Prozesse ins System integriert

Mit Ausnahme spezieller BDE-Systeme und betriebstechnischer Lösungen sind alle operativen Prozesse in das System integriert. Auch die klaren Vorgaben für die Unternehmenslogistik – inklusive der Steuerung, wann welcher Kunde mit welchen Produkten versorgt wird – kommen von dort.

Dank der unternehmensübergreifenden IT kann Strauß gewährleisten, dass die Unternehmensteile individuelle Dienste anbieten, ohne dass deren IT-seitige Begleitung den Rahmen sprengt. „Durch dieses einheitliche System können wir international Prozesse standardisieren“, sagt Strauß.

„Unterschiedliche Prozesse werden zu gemeinsamen Abläufen, und über beschleunige Best-Practice-Transfers können alle Unternehmensteile voneinander lernen“, so der IT-Chef weiter. „Durch die zentrale Bereitstellung der Systeme steht jede Änderung sofort allen Gesellschaften zur Verfügung.“ Alles im Sinne der Bausteinphilosophie.