Der Deutschen liebstes Kind, nach zähen Verhandlungen mit beschlipsten Verkäufern in klimatisierten Showrooms ausgewählt, mit feuchten Händen gekauft, klopfenden Herzens in Empfang genommen und voller Besitzerstolz vom Hof des Autohauses gefahren - seit heute wechselt es mit einem profanen Mausklick den Besitzer: das Auto.
Autokauf ist Vertrauenssache, hieß es immer. In den 70er-Jahren reichte der Stoff für eine erfolgreiche Fernsehserie , in der die Schmittings mit ihrer neuen Renommierkutsche herzlich unglücklich wurde; Gerd Baltus glänzte als allzu vertrauensseliger Familienvater, Liane Hielscher als zackig-kühle Geschäftsführererin des Autohauses Neubert. In einer fiktiven Neuauflage des Epos' zu Internetzeiten würde Volker Schmitting nach den üblen Erfahrungen mit seinem neuen Amalfi 1800 CS sicherlich kein Auto blind online kaufen.
Angesichts ungewöhnlicher und deshalb anfangs belächelter Geschäftsmodelle, die sich mittlerweile off- wie online etabliert haben, ist die Quelle-Offerte heute jedoch alles andere als skurril. Das kann man von den geringschätzigen Reaktionen darauf nicht behaupten. Die lauten nämlich noch genauso wie 1973, als Tchibo erstmals nachwies, dass ohne merkantile Denkverbote und mit intelligentem Lieferketten- und Vertriebsmanagement Branchengrenzen im Handel kein Thema mehr sein müssen. Als wenn nichts gewesen wäre: Laut dem Onlinedienst Heise hält der Verband der Automobilindustrie (VDA) die Quelle-Aktion für eine pure Marketingmaßnahme. Der Gelsenkirchener Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer disqualifizierte sie laut dpa als "Werbegag", und sein Bamberger Kollege Wolfgang Meinig bezweifelt, dass Hersteller an Versandhäuser liefern werden.
Tchibo fing in den 70ern mit Fahrrädern an. Zuerst grinsten die Profihändler, dann liefen sie Sturm. Aber da war es schon zu spät. Die Kaffeeröster hatten eine Erfolgsgeschichte zu schreiben begonnen; mittlerweile machen sie mehr als die Hälfte des Umsatzes mit Non-Food-Artikeln - und sogar drei Viertel des Profits. Aldi , Lidl , Marktkauf und andere haben längst nachgezogen.
Über kurz oder lang werden auch Autos unter mehr als nur einer Adresse via Internet verkauft werden. Alle Argumente gegen den Quelle-Deal lassen sich entkräften:
Ja, die Quelle-Partnerschaft mit dem Verbraucherservice Carplus (ein Schwesterunternehmen des Beamten-Verbraucherservices BSW ; beide sind Töchter der VVS-Holding aus dem Besitz der DBV Winterthur und des BHW) bringt Rabatte, die zäh verhandelnde Kunden auch selbst herausholen können. Aber nicht jeder Autokäufer ist gewieft genug (fragen Sie Gerd Baltus).
Ja, Autokauf ist Vertrauenssache. Aber warum soll ein Händler weniger vertrauenswürdig sein, der zwar keinen Showroom mit beschlipsten Verkäufern, aber dieselbe Gewährleistung anbieten kann?
Ja, Autos müssen gewartet und repariert werden. Aber warum soll das eine Werkstatt eigener Wahl, deren Geschäftsmodell auf gutem Service zu guten Preisen beruht, nicht ebensogut können? Die Gruppenfreistellungsverordnung fördert diesen Trend ohnehin, indem sie die traditionell engen Bindungen zwischen Herstellern und Werkstätten lockert.
Ob schließlich die Vermutung von Wolfgang Meinig zutrifft, ist ebenfalls bezweifelbar. Laut dem für Marketing und Vertrieb zuständigen Carplus-Geschäftsführer Heiko Eich haben sowohl Vertragshändler als auch Hersteller zu der vierstelligen Anzahl von Fahrzeugen beigetragen, mit der sich das Unternehmen "bevorratet" habe.
Ob Quelle und Carplus jetzt eine Erfolgsgeschichte á la Tchibo schreiben werden, ist natürlich noch offen. Aber wenn sie keine groben Fehler machen, haben sie Chancen. Letztlich hängt der Erfolg von intelligentem Management der Lieferkette und von wirkungsvoller Kundenansprache ab.
Und selbst wenn sie scheitern sollten: Tchibo, Aldi, Lidl und andere könnten Autogeschäfte ebensogut ohne dazwischen geschaltete Verbraucherservice-Agentur abwickeln. Autohersteller und Händler werden sich auf eine neue Situation einstellen müssen.