DIE ZAHL DER SUCHMASCHINEN-BETREIBER, die sich für Dienstleistungen rund um die Suchfunktion entlohnen lassen, wächst. Andere Finanzierungsmodelle, die etwa auf Einnahmen aus Kooperationen und Werbung oder auf dem Ausbau zum Portal basieren, gelten inzwischen fast überall als gescheitert. Aber selbst wenn eine Suchmaschine das Ranking ohne direkten finanziellen Einfluss ermittelt, muss das nicht heißen, dass Geld bei der Rangfolge keine Rolle gespielt hat. Findige Unternehmer bieten als Suchmaschinen-Marketing einen Service an, der vor allem eines zum Ziel hat: eine Position unter den Top-Ten der jeweiligen Rangliste.
Fast hundertmal mehr Zugriffe auf die Site seines Handy- Versandhauses Tiptophandy.de in Solingen verzeichnet beispielsweise Joackim von Auw, seit er bei dem Hamburger Dienstleister 1aSuchmaschinen.de eine Optimierung seines Angebots in Auftrag gegeben hat. Ein Jahr nachdem er sich für das Optimieren entschieden hatte, stieg die Zahl der Page-Impressions von wenigen hundert wöchentlich auf heute knapp 30000. Überrascht hat ihn vor allem die enorme Eigendynamik: "Wenn man erst einmal gute Zugriffszahlen hat, taucht man als Betreiber eines begehrten Angebots plötzlich auch auf anderen Sites als Link auf, für die man sonst viel Geld hätte bezahlen müssen."
Wie ein Hase-und-Igel-Spiel
Wie wichtig Suchmaschinen als Fixpunkte im Datenmeer sind, zeigen alle Statistiken. So hat das Internet-Marktforschungs- Unternehmen Fittkau & Maaß ermittelt, dass mehr als achtzig Prozent der Internet-Surfer zur Orientierung Suchmaschinen nutzen. Sie liegen in den Umfragen der Hamburger regelmäßig weit vor Shopping-Sites und Unterhaltungsangeboten. Bei der Suche nach Dienstleistern, Lieferanten und Geschäftspartnern übernehmen Suchmaschinen immer häufiger die Aufgabe von Branchenbüchern. Aktuelle Untersuchungen zeigen auch, dass sich kaum jemand durch mehr als zwei oder drei Seiten einer Trefferliste blättert. Wer nicht ganz vorne dabei ist, der bleibt im Cyberspace unentdeckt. In den Ranglisten weit oben zu stehen kann deshalb zur Überlebensfrage werden. Bei der Platzierung helfen so genannte Optimierer -- einige davon Wohnzimmerfirmen, andere mittelgroße Unternehmungen mit speziellem Know-how und moderner Ausstattung. Der Markt ist unübersichtlich; keiner weiß genau, wie viele Anbieter es in Deutschland gibt, die mit dem Versprechen werben, die jeweilige Site ganz nach vorne zu bringen. Sie alle führen einen ständigen Krieg mit den Suchmaschinen- Betreibern -- und schrecken dabei auch vor unlauteren Methoden nicht zurück. "Wie ein Hase-und-Igel-Spiel ist das", findet Detlev Kalb, Herr über die Suchmaschine Fireball. de, die mit rund 2,5 Millionen Zugriffen täglich zu den beliebtesten deutschsprachigen Angeboten gehört. Von dunklen Machenschaften will Joachim Feltkamp, technischer Leiter von 1aSuchmaschinen.de, nichts wissen. "Wir haben noch nie Probleme gehabt", sagt er, "denn wir halten uns weitgehend an die Optimierungstipps, die die Suchmaschinen-Betreiber selbst veröffentlichen." Seine Erfolge basierten vor allem auf der genauen Kenntnis der Arbeitsweise von Suchmaschinen.
Deren Chefs hingegen können Geschichten von unterschiedlichen Manipulationen erzählen: Dass Begriffe, unter denen die Firmen gerne auftauchen wollen, in der Farbe des Hintergrunds -- dadurch für den Betrachter unsichtbar -- viele hundert Mal auf eine Seite kopiert werden, gilt schon als altbacken; die wenigsten Suchmaschine fallen noch darauf herein. Weniger leicht zu entdecken und rechtlich zweifelhaft sind unsichtbare Einträge, die auf populäre Ereignisse oder gar Namen von Wettbewerbern Bezug nehmen. Wenn ein BMW-Händler auch VW und Daimler-Chrysler in den so genannten Metatags unterbringt, hat er bei manchen Suchmaschinen gute Chancen, zusammen mit der Konkurrenz in der Trefferliste aufzutauchen. Beliebt bei Optimierern ist auch eine Methode namens Cloaking, bei der Gateway-Seiten eine zentrale Rolle spielen. Sie überlisten die Suchmaschinen mit Seiten, die kein Surfer je zu Gesicht bekommt; mit Tausenden von besonders beliebten Schlüsselwörtern täuschen sie Inhalte vor, um die Surfer so auf die Sites der jeweiligen Auftraggeber umzuleiten. "Wir wehren uns natürlich dagegen", sagt Kalb. "Würden wir tatenlos zusehen, würde die Qualität unserer Treffer schlagartig sinken." Besonders die Online-Schmuddelkinder des Erotik- Gewerbes gelten als wenig zimperlich, ebenso wie einige Vertreter anderer Branchen mit hohem Konkurrenzdruck, etwa Versicherungs- oder Reiseanbieter. Nicht selten beauftragen sie Dienstleister, die über ganze Server- Farmen verfügen, mit Großangriffen auf die Rechner der Suchmaschinen.
Für die Ranking-Optimierer ein gefährliches Spiel -- bei Fireball wie auch bei anderen Suchmaschinen drohen im Fall von Manipulation drastische Sanktionen. Wer erwischt wird, verliert alles: den Zugang zur Suchmaschine und sämtliche Einträge. Zwischen dem Platz an der Sonne und einem Rauswurf liegt ein knapper, zudem interpretationsfähiger Spielraum. Fireball-Chef Kalb berichtet von reuigen Sündern, die sich zunächst mit dem Konkurrenzdruck rechtfertigen, dann Besserung geloben und zuletzt um Wiederfreischaltung bitten. "Eine zweite Chance bekommt jeder -- zumal die Ertappten später nicht selten zu unseren Verbündeten werden." Da komme es vor, dass jemand mit dem Argument der Chancengleichheit einen Konkurrenten wegen eben der Methoden bei ihm denunziere, die er selbst gerade gezwungenermaßen aus seinem Repertoire gestrichen hat. Bedingt durch ihre Technik, sind besonders die klassischen Index-Suchmaschinen beeinflussbar -- im Gegensatz zu den von Redakteuren handgepflegten Katalogen wie Yahoo.de oder Web.de. Index-Suchmaschinen verlassen sich auf ein maschinelles Verfahren. Dabei durchpflügt ein Programm permanent das Netz nach neuen oder veränderten Seiten und bildet daraus den Datenindex. Diese Suchprogramme heißen "Crawler", "Robot" oder "Spider".
Metatags als Sortierkriterium
Bei der Sortierung der Treffer beeinflussen neben dem Titel der Seite, Überschriften und hervorgehobenen Passagen vor allem Metatags -- verborgene Informationen, die nur von Suchmaschinen ausgewertet werden -- das Ranking. Zusammen mit Häufigkeit und Position des Suchbegriffs errechnet die Software daraus eine Platzierung. Diese bewertet allerdings jede Suchmaschine unterschiedlich -- nach einem Geheimrezept, das streng gehütet wird. Das soll es den Optimierern nicht allzu leicht machen.
Eine Ausnahme bei den Index-Suchern bildet Google. de. Hier wird nach Beliebtheit gemessen. Das Ranking hängt vor allem davon ab, wie tief eine Site im Internet verlinkt ist. Auch Google ist jedoch nicht ganz gegen Manipulationen gefeit. Gut ausgestattete Online-Marketing- Dienstleister verfügen über Server-Farmen mit mehreren hundert Domains; eine intensive gegenseitige Verlinkung kann so Beliebtheit vorgaukeln.
Anders sieht die Sache bei Katalogen aus. Weil dort Redakteure jede Site prüfen, sind die Möglichkeiten zu tricksen gering. "Hier kann man nur durch geschickte Formulierung bei der Aufnahme ein wenig Einfluss nehmen", sagt Thomas Kaiser, Geschäftsführer des Freisinger Optimierers Cyberpromote. Doch nicht nur von außen wird ein Ranking beeinflusst. Bei einigen Suchmaschinen hängt die Platzierung inzwischen mehr oder weniger offen vom Zahlungswillen ab. Als Vorreiter gilt dabei die US-Suchmaschine Goto.com, bei der die Positionen durch Geldgebote festgelegt werden. Von einem Cent bis zu mehr als fünf Dollar reichen die bei jedem Link deutlich ausgewiesenen Beträge. An erster Stelle des Rankings steht derjenige, der am meisten zu zahlen bereit ist. Bei jedem Klick wird der entsprechende Betrag fällig -- und bei Goto klingeln die Kassen. Unter dem Stichwort "Investing -- Futures" etwa liefert die Suchmaschine an erster Stelle den Online-Broker Xpresstrade.com, dem ein Besuch auf seiner Website mehr als fünf Dollar wert ist. Erst nach den bezahlten Treffern folgt eine Liste der unbezahlten Links. Schon vor der geplanten Expansion von Goto nach Europa hat das Modell Nachahmer gefunden. In England bietet beispielsweise Espotting.com seine Dienste gegen Gebot an. Mit Qualigo.de und Cyfind.de sind in Deutschland gleich zwei Anbieter am Start. Derzeit liegen die meisten Gebote hier aber noch im Pfennigbereich. Der Tendenz, "das Inventar zu monetarisieren", wie es Fireball-Chef Kalb formuliert, können immer weniger Suchmaschinen- Betreiber widerstehen. Während man bei einigen Anbietern, etwa bei Altavista oder Yahoo, mit der Zahlung einer Gebühr die Frist für die Aufnahme verkürzen kann, sind andere Anbieter bereits dazu übergegangen, gleich für jeden Eintrag eine Bearbeitungsgebühr zu erheben.
Verbraucherschützer protestieren
Auch prominente Positionen sind nicht mehr tabu. Unter der Überschrift Sponsored Links oder Featured Sites kann der eigene Link vor der eigentlichen Trefferliste platziert werden -- gekennzeichnet und gegen Geld. Undurchsichtiger sind Banner, die sich thematisch am Suchbegriff orientieren und zusammen mit dem ersten Platz der Trefferliste auftauchen wie bei Web.de; oder vordere Plätze, die sich nicht mehr als gekauft zu erkennen geben, wie sie Acoon.de anbietet. Selbst Google, lange Zeit gefeierter Saubermann der Branche, bietet inzwischen hervorgehobene Links gegen Cash. Fireball verkauft neuerdings Katalogeinträge und wird künftig bezahlte Links von Espotting übernehmen -- allerdings deutlich gekennzeichnet. Hier verläuft für Kalb die Grenze des Zulässigen: Nur die Unterscheidung zwischen Trefferliste und bezahlten Links schaffe klare Verhältnisse. Bei der US-Kartellbehörde ist die Beschwerde einer Verbraucherschutzgruppe gegen die Betreiber von acht großen Suchmaschinen eingegangen. Ihnen wird Schleichwerbung vorgeworfen, weil sie sich Rankings bezahlen lassen,ohne den Nutzer darüber zu informieren.