Wie dringend es ist, AI in den Griff zu bekommen, erklärte Professor Russell, der seit 40 Jahren das Thema erforscht: "Wir sind nicht mehr in den 60er Jahren, wo die Erwartungen groß, aber die Forschung noch lange nicht so weit war. Wir wissen jetzt schon, was passiert, wenn wir gegen Maschinen Schach spielen." Um nicht dauerhaft zu den Verlierern zu gehören und um Roboter nutzvoll zu machen, drängt Russell darauf, sich noch einmal genau zu überlegen, was wir von ihnen wollen: "Wenn nichts im Kühlschrank ist, möchte ich nicht, dass der Roboter die Katze kocht."
Ein Kuka-Roboterarm schenkt formvollendet ein Weißbier ein
Klingt überzogen. Aber draußen im Foyer der Infosys-Veranstaltung zeigt gerade eine Maschine, was für tolle, aber sinnfreie Dinge sie tun kann: Ein Kuka-Roboterarm schenkt formvollendet ein Weißbier ein. Er greift das Glas, spült es und hält es schräg. Er nimmt die Flasche aus der Kiste, öffnet sie und lässt das Bier behutsam am Glasrand einlaufen. Er schwenkt sogar noch die Flasche, um die Hefereste ausschenken zu können. Einziges Problem: Es ist sieben Uhr morgens und wirklich niemand im ganzen Auditorium mag jetzt Bier trinken.
Was wollen wir wirklich von Maschinen? Der Kuka-Mitarbeiter erzählt, dass es tatsächlich schon Anfragen amerikanischer Kneipiers gebe, den rund 70.000 Euro teuren Roboterarm im Ausschank einzusetzen. Er betont, dass es natürlich ein Leichtes wäre, den Roboter alkoholfreies Bier einschenken zu lassen. Mit ein bisschen AI könnte er vor vier Uhr nachmittags immer alkoholfreies Bier ausschenken. Mit ein bisschen mehr AI würde er dem Besteller des fünften Weißbieres immer alkoholfreies Bier einschenken. Notorische Trinker würde er gar nicht bedienen. Wollen wir das?
"Wir kreieren mit AI gerade eine zweite Rasse"
Schlauer wäre es natürlich, wenn ein AI-System dafür sorgt, dass Alkoholiker in Kneipen nicht mehr bedient werden. Wenn der Mensch es selbst nicht hinbekommt, unvernünftige Dinge sein zu lassen, überlässt er es vielleicht besser einer anderen Spezies. Professor Illah R. Nourbakhsh von der Carnegie Mellon University spitzt ebenso zu wie sein Vorredner: "Wir kreieren mit AI gerade eine zweite Rasse. Das wird unseren Umgang mit anderen Menschen ändern." AI wird Denkarbeiten erledigen, die aufgrund ihrer logischen Konsequenz von keinem Menschen mehr hinterfragt werden. Es sei denn, AI wird dazu missbraucht, Betrug auszuüben. Auch das sei denkbar, sagt Nourbakhsh: "Privatheit und Vertrauen werden deshalb wichtiger", betont der Professor aus Amerika.
EU-Kommissar Günther H. Oettinger steigt auf diese Bedenken nicht ein. Als der Moderator ihn fragt, ob es nicht mehr Regulierung im Bereich AI brauche, antwortet Oettinger: "Forschung und Moderation sind wichtiger." Damit meint er, dass europäische Forscher erst einmal mehr eigene Kompetenz entwickelt müssten. Und dass diese dann besser moderiert gehört. Bei Letzterem sieht sich Oettinger selbst in der Pflicht: "Nehmen Sie den Bierroboter: Kuka ist eine bayrische Firma. Ich muss sie mit anderen europäischen Unternehmen zusammenbringen. Regulierung kommt erst danach."
Jugendliche fürchten Jobverlsut durch Roboter
Vishal Sikha, CEO von Infosys, geht auf die Bedenken der 9000 Jugendlichen ein, die Infosys zu ihren persönlichen Erwartungen an AI und an Industrie 4.0 befragt hat: "Roboter, die Bier servieren, werden den Job des Bier-Servierers wegnehmen." Natürlich belastet das die Menschen, die von solchen Dienstleistungen leben. Sikha betont aber auch, dass AI zwar die Jobs von heute zerstört, aber nicht die von morgen. Nur helfe das niemandem, der sich auf die Zukunft schlecht vorbereitet fühlt - und genau das ist bei Jugendlichen der Fall (siehe Seite 2).
Vor allem Jugendliche aus den entwickelten Ländern äußern die Kritik, dass sie von Schulen und Universitäten unzureichend auf AI und Industrie 4.0 vorbereitet wurden. Jugendliche aus "Emerging Markets" wie China, Indien oder Südafrika scheinen diese Erwartung weniger zu haben. Vielleicht ist sie auch schlicht überzogen. "Ein Gorilla kann sich nicht vorstellen, wie es ist, wenn eine andere Art vorbeikommt, die schlauer ist. Wir wissen auch noch nicht, wie es sein wird, wenn AI wirklich vorbeikommt", resümiert Professor Russell von der University Berkeley. Also kommen am Ende alle Diskutanten überein, dass Forschung und Bildung die einzigen Schlüssel seien, um AI wirklich für den Menschen nutzbar zu machen.
Jugend-Studie: Unvorbereitet in Industrie 4.0
Für die Studie "Amplifying Human Potential: Education and Skills for the Fourth Industrial Revolution" hat das Marktforschungsinstitut Future Foundation im Auftrag von Infosys 9000 junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren befragt. Die Jugend in Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Indien, Südafrika, den USA und im Vereinigten Königreich ist sich über die Bedeutung von Technologie für ihre Karriere zwar einig. Bei Karriereaussichten und dem Vertrauen in Technologie bestehen zwischen den Industrienationen und Schwellenländern klare Unterschiede:
Anerkennung der Bedeutung von Technologie: Die Befragten pflichten der Sicht bei, dass technologische Kenntnisse wichtig für die berufliche Entwicklung sind. Im Gegensatz zu 63 Prozent in Deutschland, 60 Prozent in Frankreich und 59 Prozent im Vereinigten Königreich gab in Indien mit 74 Prozent und China 71 Prozent eine klare Mehrheit an, dass Fächer in Verbindung mit Computerwissenschaften wichtige Schlüsselelemente in der Bildung darstellen.
Besorgnis hinsichtlich technologischer Kenntnisse und Selbstvertrauen: In Schwellenländern wie China und Brasilien fürchten 68 Prozent der Befragten, dass fehlende technologische Kenntnisse Karrieren verhindern. Dieser Fakt könnte Jugendliche dazu motivieren, sich ganz gezielt die erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Immerhin sind sich aktuell 78 Prozent der Teilnehmer in Brasilien und Indien sicher, dass sie die nötigen Fähigkeiten für eine erfolgreiche berufliche Zukunft besitzen. Im Gegensatz dazu ist die Stimmungslage in den Industriestaaten mit 53 Prozent in Frankreich und 51 Prozent in Australien deutlich schlechter (Deutschland: 47 Prozent).
Wachsende technologische Fähigkeiten in Schwellenländern: Die Daten zeigen weiterhin große Unterschiede zwischen Schwellenländern und den Industrienationen. Es gibt beispielsweise eine Differenz von 30 Prozent zwischen jungen Indern (81 Prozent) und Amerikanern (51 Prozent); Deutsche liegen hier bei 49 Prozent. Bei den Frauen besteht ein Unterschied von 28 Prozent zwischen Inderinnen (70 Prozent) und Amerikanerinnen (42 Prozent) beziehungsweise 37 Prozent zwischen Inderinnen und Britinnen (33 Prozent). Deutsche Frauen liegen 26 Prozent.
Karriere-Druck: In Industriestaaten fühlen sich die jüngsten Arbeitnehmer am stärksten unter Druck gesetzt. Laut Studie glauben 76 Prozent der jungen Arbeitnehmer in Frankreich, dass ihre Karriereaussichten schlechter sind als die der Generation ihrer Eltern (Deutschland: 56 Prozent). In starkem Kontrast dazu stehen die Angaben der Befragten in den Schwellenländern: Hier ist nur eine Minderheit, wie etwa 49 Prozent in Indien, der Meinung, dass ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt schlechter ausfallen als die der vorherigen Generationen.
Potenzial bestehender Bildungssysteme: In den USA bewerteten 45 Prozent der Befragten ihre akademische Bildung als sehr oder ziemlich veraltet und glaubten nicht, dass sie ihre beruflichen Ziele unterstützt. In China etwa entsprach dieser Wert 37 Prozent. Im Vereinigten Königreich und Australien mussten sich 77 Prozent der Teilnehmer eigenständig Fähigkeiten aneignen, um die Aufgaben in ihrem Beruf meistern zu können - weder Schule noch Universität hatten sie darauf vorbereitet. In Indien lag dieser Wert bei 66 Prozent, in Deutschland bei 73 Prozent.
Weitere Informationen und die vollständige Studie erhalten Sie unter: www.infosys.com/humanpotential