Erst fühlen, dann denken

Körpersprache verrät Emotionen

02.11.2023
Anderen Lebewesen gegenüber drückt unser Körper aus, was in uns passiert und welche Gefühle wir hegen, sagt Karl Heinz A. Lorenz.
Körpersprache ist das ehrlichste Kommunikationsmittel überhaupt.
Foto: Laurent Hamels - Fotolia.com

Wir geben uns viel Mühe Sprachen zu erlernen- erst zu Hause, dann in der Schule und danach in Kursen oder im Selbststudium. Englisch steht als internationale Geschäftssprache hoch im Kurs, aber auch die Sprachen der Länder, die gerade wirtschaftlich boomen, verbreiten sich rasend schnell über die Kontinente. Eine Sprache allerdings verschwindet mehr und mehr ins passive Abseits, ohne dass wir dies bewusst wahrnehmen. Dabei hat sie völlig grenzüberschreitend für alle Menschen am meisten Bedeutung: die Körpersprache.

Spätestens die populäre Serie "Lie to me" hat es auf breiter Ebene deutlich gemacht: Es ist an der Zeit, dass wir die Körpersprache zurückholen in den alltäglichen Gebrauch. Was sich im Privaten bereits als spannend erweist, ist in professionellen Verhandlungssituationen mehr denn je unverzichtbar.

Schöne neue Welt

Kommuniziert wird viel und oft. Wir leben in einer Welt, in der Information und Kommunikation inzwischen eine außergewöhnlich hohe Dominanz in allen Lebensbereichen hat. Doch sind wir auch besser geworden im Verstehen dessen, was wir aufnehmen? Haben wir gelernt, uns deutlicher auszudrücken, damit unsere Botschaften wirklich ankommen? Vieles spricht dagegen. Gerade in modernen Unternehmen und Organisationen leiden Mitarbeiter und Führungskräfte unter der täglichen Informationsflut, die ein permanent überfüllter E-Mail-Eingang oder das Dauerpiepsen unserer Handys mit sich bringen.

Die Signale auf körpersprachlicher Ebene entsprechen nicht direkt unserer verbalen Sprache, die wir ja laufend benutzen. Sie ist sehr viel enger mit unseren Emotionen als mit unserem Verstand verknüpft. Samy Molcho, Pantomime und Lehrer, drückte das wunderbar aus: "Der Körper ist der Handschuh der Seele, seine Sprache das Wort des Herzens." Und unser Gefühl lügt nicht. Der Verstand mag planen, kalkulieren und bewusstes Verhalten an den Tag legen. Unser Gefühl findet jedoch im Hier und Jetzt statt, es ist akut und momentbezogen.

Körpersprache ist eine unmittelbare Reaktion auf alles, was in unserer direkten Umgebung für uns wahrnehmbar passiert - vor allem in direkten Kommunikationssituationen. Sie spricht und drückt aus, was in uns passiert, welche Haltung wir zu etwas einnehmen, welche Gefühle wir zu einer Sache oder einem Gesprächspartner hegen.

Diese Kommunikationsfehler sollten Sie vermeiden
Was Sie in Gesprächen und Debatten tunlichst unterlassen sollten, um Fehlinformationen, Konflikte und Imageschäden zu vermeiden.
Fachchinesisch benutzen
Mit technischem Fachjargon um sich zu werfen, ist der größte Fehler, den IT-Verantwortliche in Gesprächen mit Nicht-IT'lern machen können. Viele Experten können nicht richtig einschätzen, wie tief das eigene Fachwissen geht und wo im Gegenzug das Fachwissen des Gegenübers endet. Hier kann es schnell zu Missverständnissen und Kommunikationsstörungen kommen.
Technische Probleme beklagen
Wer in der Team- oder Vorstandssitzung über technische Probleme im Rechenzentrum oder anderen Unternehmensstellen klagt, darf sich nicht wundern, wenn diese Beschwerden Irritation und Unsicherheit auslösen. Kollegen, die nicht mit den beschriebenen Interna vertraut sind, verstehen in einem solchen Fall oft nur "Der hat massive Probleme, die er nicht in den Griff bekommt." Natürlich müssen IT-Probleme auch im großen Kreis thematisiert werden dürfen, das jedoch besser in einer sachlichen Art und Weise, die jeder verstehen und nachvollziehen kann.
Wie ein Verkäufer reden
Manager, die bislang mit einem Business-Hintergrund tätig waren, und IT-Führungspositionen übernehmen, sprechen ihre neuen Untergebenen in einem aufgeblasenen Ton an und wirken dabei häufig wie Verkäufer, die die neueste Kollektion heiße Luft präsentieren.
Keine Fragen stellen
Gute CIOs stellen sinnvolle Fragen und hören auf die Antworten. So gelangen oft neue Aspekte in die Diskussion. Dazu werden die Kollegen eingebunden und die Beziehung zwischen Manager und Team gestärkt. Warum viele IT-Verantwortliche anders vorgehen? Sie haben (meist unbegründet) Angst, als unwissend und inkompetent dazustehen.
Niemanden einbinden
Gut ausgebildete CIOs sind überzeugt von ihren eigenen Ideen, welche Techniken sich wie am besten implementieren lassen. Viele vergessen darüber jedoch, dass auch die gesamte IT-Abteilung und der Vorstand womöglich noch eigene Ideen haben. Wenn CIOs ihre eigenen Vorstellungen ohne Rückfrage durchdrücken, verärgern sie deshalb viele Kollegen - selbst, wenn es die beste und richtige Wahl war.
Ängste schüren
Wenn der Vorstand überzeugt werden muss, das IT-Budget aufzustocken, diese oder jene Anschaffung oder Migration vorzunehmen, neigen manche CIOs dazu, in ihrer Argumentation zu übertreiben oder zu simplifizieren. Wenn neue Server angeschafft werden sollen, hört sich das dann so an: "Wenn wir bis kommende Woche nicht zehn neue Server im Schrank stehen haben, bricht der ganze Laden zusammen!"
Den Wertbeitrag nicht herausstellen
Viele CIOs betonen, wie wichtig die Unternehmens-IT ist. Die Vorstände verstehen aber häufig nicht, was die IT konkret zum unternehmerischen Erfolg beiträgt. Deshalb sollten IT-Verantwortliche in Präsentationen und Diskussionen immer noch einen Schritt weitergehen, als nur in den eigenen Grenzen zu argumentieren.
Mit PowerPoint einschläfern
Zu viele Folien, zu viele Nichtigkeiten. Effiziente Präsentationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie sich auf die wichtigsten Infos konzentrieren, die das zuhörende Publikum direkt betreffen. Im besten Fall kann gänzlich auf PowerPoint verzichtet werden - gute Präsentationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie von selbst im Gedächtnis haften bleiben und nicht durch eine Armada von Aufzählungspunkten.

Erst Kontext schafft Klarheit

Wichtig in diesem Zusammenhang: Wir fühlen, noch bevor wir denken! Daher zeigt Körpersprache oft sehr viel mehr und sehr viel deutlicher, was unser Mund verkündet. Gelegentlich sagen wir sogar das Gegenteil von dem, was wir eigentlich fühlen, denken oder anstreben. Wie nun können wir diese Signale entschlüsseln, für uns verständlich machen und nutzen? Dazu sollten wir schon einmal zwei Richtungen an Signalen unterscheiden.

Es gibt Signale, die eine Art bewusste Vereinbarung sind. Beispielsweise, wenn wir mit Händen und Fingern zählen: Eins, zwei, drei.. Dann weiß unser Gesprächspartner recht genau, dass es sich hier um einen Zahlencode handelt. Von diesen Signalen gibt es viele und sie sind mit dem Kulturkreis, in dem sie angewandt werden, verbunden.

Beispiel: Während wir in Deutschland von der geschlossenen Hand einen Finger nach dem anderen ausstrecken, um hochzuzählen, findet das in Süditalien die genau umgekehrte Entsprechung: Dort wird von den ausgestreckten Fingern einer nach dem anderen geschlossen, um hochzuzählen. Für all diese bewusst vereinbarten Signale brauchen wir also den "ortsüblichen" Code, der sich aus der jeweiligen Kultur heraus ergibt. Die dem Menschen angeborenen Signale sind dagegen über Kulturgrenzen hinweg verständlich. Sie leiten sich im Wesentlichen von unseren Körperfunktionen ab bzw. von den Körperteilen, die damit verbunden sind.

Beispiele: Fassen wir uns während eines Gesprächs auf eine Äußerung des Gegenüber als direkte Reaktion hin ans Ohr, so kann das bedeuten: "Ich habe das noch nicht ganz verstanden." So, als würden wir die Funktionstüchtigkeit unseres Ohres überprüfen. Fassen wir uns dagegen bei gleicher Situation an die Nase oder kneifen sie sogar zu, so kann das bedeuten: "Das, was du mir gerade sagst, stinkt mir. Ich kneife mir die Nase zu, damit ich es nicht riechen muss."

Doch ist das immer so? Klares Jein. Körpersprache findet stets im Kontext des sonstigen Geschehens statt. Unsere Nase kann also auch gejuckt haben, weil wir gerade Schnupfen haben und ans Ohr haben wir gefasst, weil uns dort die halblangen Haare kitzelten. Haltung, Mimik und Gestik sind gekoppelt an alle anderen Vorgänge und Ereignisse während eines Kommunikationsvorgangs. Daher werden sie erst dann "sprechend", und aussagekräftig, wenn diese kombiniert wahrgenommen und interpretiert werden.

Offen oder verschlossen, wahr oder falsch?

Grundlegende körpersprachliche Elemente sind das Öffnen und das Schließen. Eine entgegengestreckte, offene Hand bietet an, verschränkte Arme dagegen wehren eher ab. Ein offener Gesichtsausdruck signalisiert: "Ich bin offen für deine Ideen und Gedanken." Zusammengekniffene Augen machen Skepsis deutlich. Die Kombination dieser Signale zeigt dem bewusst Wahrnehmenden recht deutlich an, ob sein Gegenüber die Wahrheit erzählt, mit seiner Meinung hinter dem Berg hält oder sogar lügt. Einfach zu erkennen? Nein, auf keinen Fall. Aber mit Fachwissen und gutem Training durchaus erlernbar.

Spannende Einsatzmöglichkeiten

Für Professionals in Wirtschaft und Gesellschaft, aber auch für kommunikationsstarke Privatpersonen bildet die Entschlüsselung der Körpersprache ganz hervorragende Möglichkeiten, die Kommunikations- bzw. die Verhandlungskompetenz zu erweitern. Gesprächspartner können besser verstanden und die eigenen Botschaften klarer, wirkungsvoller mitgeteilt werden. Ob in politischen Begegnungen oder in Gesprächen zwischen Unternehmern und Betriebsräten, ob in Verkaufssituationen oder in Auseinandersetzungen mit Menschen, mit denen wir Wichtiges zu klären haben - wir sind als Menschen darauf angewiesen, eine gut funktionierende Kommunikation zu erreichen.

Wir wollen wissen, ob unsere Gesprächspartner tatsächlich meinen, was sie sagen. Wir wollen wissen, woran wir sind und klarer fühlen, wie wir selbst zu den Dingen stehen, die erörtert werden. Eine gute Nachricht: Vor allem das Lesen und Verstehen körpersprachlicher Informationen lässt sich in recht kurzer Zeit erlernen und trainieren.

In ganz besonderen Situationen und bei wichtigen Verhandlungen werden heute immer öfter Körpersprache-Coaches hinzugezogen, zum Beispiel als Kommunikationsbegleiter in Wirtschaft und Politik. Sie übernehmen die Aufgabe, parallel zur verbalen Auseinandersetzung, mit einer Analyse der körpersprachlichen Signale der Verhandlungspartner mehr Klarheit zu erhalten: Wer spricht über Reales, wer konstruiert sich etwas zusammen, wer hat noch Zweifel, wer kann sich bereits anfreunden mit den erreichten Gesprächsergebnissen?