Welche Impulse lösen Schlagworte wie "Künstliche Intelligenz" oder "Artificial Intelligence" aus? Das wollte Accenture zum Auftakt des diesjährigen Innovationsforums in München wissen. Die Teilnehmer der Veranstaltung - Informatiker, Business-Entscheider, Datenspezialisten - sollten per Smartphone kurz ihre Gedanken an eine virtuelle Wand werfen. Die Ergebnisse reichten von "scary" über "human-centric" und "ease" bis "Girlpower". Keine Rede von einheitlichem Verständnis also.
Eine der Fragen auf der Veranstaltung drehte sich denn auch um die Veränderungen, die die menschlichen Kollegen der immer smarteren Maschinen bewältigen müssen. So betonte Wolfgang Wahlster, CEO und Scientific Director des deutschen "Research Center for Artificial Intelligence", dass KI-Systeme künftig auch geistige Leistungen ersetzen. Roboter verdrängen den Menschen nicht nur in der Fabrik und am Fließband. Wahlster will Künstliche Intelligenz - lieber spricht er von "künftiger Informatik" - deshalb auch unter philosophischen Aspekten diskutiert sehen.
Damit rennt er bei Björn Theis offene Türen ein. Der Zukunftsforscher und Foresight Manager bei Evonik koppelt KI an die soziale Verantwortung der Unternehmen. Grundsätzlich sei das aber nichts Neues, betont Theis - der erbitterte Widerstand gegen automatisierte Webstühle Ende des 18. Jahrhunderts ist nur ein Beispiel aus der Geschichte des technologischen Wandels und den sozialen Folgen.
Der Diskurs über Sinn und Zweck der Arbeit wird rationaler
Die künftige Zusammenarbeit intelligenter Roboter auch in den Büros des mittleren Managements sieht Theis entspannt. Seine These: Der Diskurs über Sinn und Zweck der Arbeit wird rationaler. Denn erstens bringt der Roboter keine emotionale Last mit. Maschinen haben keine Erfahrung mit Mobbing oder beruflicher Unzufriedenheit, die sie unbewusst ins Team einbringen.
Zweitens haben Roboter keinen Ehrgeiz. Sie werden also nicht versuchen, auf der Karriereleiter am menschlichen Kollegen vorbeizuziehen. Damit stößt Theis ins gleiche Horn wie der Futurologe Matthias Horx. Der stellt in seinem "Zukunftsreport 2017" fest, dass sich Roboter in Entscheider-Positionen niemals zu Diktatoren entwickeln können: "Der Roboter-Diktator wäre ein Versager. Er wüsste gar nicht, aus welchem Wahn, aus welchem Zorn, aus welcher Kompensation und Kränkung her er seine Gegner und Feinde ins Gefängnis werfen sollte."
Was Horx einen "ewigen humanen Minderwertigkeitskomplex" gegenüber dem "Angstfreund Roboter" nennt, umreißt Volker Tresp mit einem Schmunzeln als den schmerzhaften Abschied vom Dasein als "Krone der Schöpfung". Der Informatikprofessor ist Principal and Research Scientist bei Siemens. Zwar sieht er die Vorstellung von Robotern "mit zwei Armen und einem netten Gesicht" im Büro am Schreibtisch gegenüber noch in weiter Ferne. "Bis zum ,Kollegen Roboter' ist es noch ein langer Weg, nicht aber zum Kollegen Künstliche Intelligenz", sagt er. Tresp erkennt jedoch an: "Der Gedanke an die künftigen Möglichkeiten der KI-Systeme kann zu Selbstzweifeln führen."
Dem Menschen noch bei Weitem unterlegen
Tresp will Artificial Intelligence nicht überhöht sehen. "Heutige Industrie-Roboter sind unglaublich präzise, aber auch inflexibel und können auf unvorhergesehene Ereignisse nicht sinnvoll reagieren", betont er. Der Experte führt aus: "Von haptischer Wahrnehmung bis hin zu motorischen Fähigkeiten sind sie dem Menschen noch bei Weitem unterlegen. Schauen sie sich nur an, wie weit laufende Roboter noch entfernt sind von der Eleganz der Bewegung eines Menschen."
Die möglichen sozialen Folgen von Arbeitsplatzverlusten durch die Digitalisierung blitzte beim diesjährigen Innovationsforum immer wieder kurz auf. Konkret fiel das Stichwort vom bedingungslosen Grundeinkommen. Dessen entscheidender Aspekt ist für Evonik-Manager Theis das Abkoppeln von Arbeit und produktiver Erwerbstätigkeit im herkömmlichen Sinn. Auf keinen Fall will er größere Mengen arbeitslos gewordener Menschen den ganzen Tag sich selbst überlassen. "Ohne Struktur geht das nicht", sagt er. Aber warum sollte soziale Anerkennung nicht an soziale Arbeit geknüpft sein?
So sieht es auch Tresp. Der Siemens-Manager erkennt Potenzial beispielsweise in der Arbeit in Umweltprojekten oder mit behinderten Menschen. Er sagt: "Hier erwartet uns noch eine spannende Diskussion!"
Dem Roboter "fliegen sowieso alle Herzen zu"
Martin Wild ist einer, der den "Kollegen Roboter" bereits auf Mitarbeiter und Kunden losgelassen hat. Der Chief Digital Officer der MediaMarktSaturn Retail Group berichtet von "Paul", einem Service-Roboter in einer Ingolstädter Filiale. "Paul begrüßt die Kunden am Empfang und führt sie zum gewünschten Produkt. Wenn der Kunde dort eine Kaufberatung wünscht, zieht Paul einen Mitarbeiter über VoIP hinzu", erklärt Wild.
Von Problemen innerhalb der Belegschaft spricht Wild nicht. Im Briefing der Mitarbeiter hat das Unternehmen die Vorteile kommuniziert: Paul entlaste sie von Routineaufgaben, damit sie sich auf ihre Kernkompetenz, die Kundenberatung, konzentrieren können. "Wir haben die Mitarbeiter im Saturn Ingolstadt von Anfang an miteinbezogen, sie haben sich für den Namen Paul entschieden und unterstützen uns auch bei der Weiterentwicklung", sagt Wild.
Und wie managt man ein Team aus Menschen und Robotern? Diese Frage stellt sich Wild gar nicht - er findet die Formulierung "hochgegriffen". Er sagt: "Letztlich ist Paul ein technisches Hilfsmittel, das unsere Mitarbeiter entlastet." Es sei nicht schwer gewesen, die Mitarbeiter von Pauls Mehrwert zu überzeugen: Dem Roboter "fliegen sowieso alle Herzen zu", beobachtet der CDO.