Eine SMS nach Duisburg zu schicken ist kinderleicht - egal, ob man sie von Hamburg oder von Helsinki aus losschickt. Doch die Menge der Kurzmitteilungen, die Urlauber von dort oder anderswo an die Ruhr verschicken, ist nichts im Vergleich zu den SMS-Nachrichten, die seit einem Jahr im Servicezentrum der Railion Deutschland AG in Duisburg ankommen. 40 000 Stück gehen pro Tag ein, ohne dass ein Mensch die Tastatur bedient. Die Absender dieser Kurzmitteilungen sind Güterwagons.
Wolfgang Bauschulte, der Leiter der Datenverarbeitung im Kundenservicezentrum, ist der Mann hinter dem Projekt "eCargoService". Railion macht die Hälfte seines Umsatzes im Ausland, erklärt er. Um die Kunden informieren zu können, wo sich ihre Fracht gerade befindet, hat die Tochter des Bahn-Logistikunternehmens Stinnes 10 000 Wagons mit so genannten Satelliten-Ortungsgeräten ausgestattet. Sie verschicken nach Bauschultes Vorgaben über das GSM-Netz automatisch ihre Kurznachrichten: Statusberichte, die in den Datenbanken von Railion ausgewertet werden. Diese Kommunikation von Maschine zu Maschine (M2M) ist das Futter für Standortanalysen, die sich auf den Bildschirmen von Bauschulte und seinen Kollegen aufbauen und in Duisburg zur Disposition der 120 000 Wagon starken Güterwagenflotte genutzt werden.
Wenn der Wagon zweimal klingelt
Es sind Beispiele wie diese, die Analysten des Marktforschungsunternehmens Forrester Research zu der Überzeugung bringen, dass nicht japanische Multimedia-Kids oder Fußballfanatiker auf der Suche nach dem neusten Zwischenstand die eifrigsten Nutzer von Mobiltechnologie sein werden, sondern Maschinen. Das Volumen der so genannten Machine-to-Machine (M2M)-Kommunikation soll bereits im kommenden Jahr die durch Menschen verursachte mobile Datenkommunikation übertreffen.
M2M ist die ideale Lösung für ein Problem, das Railion schon seit langem umtreibt. Denn die nationalen Bahngesellschaften tun sich schwer, die Standortinformationen der Wagons ihren Partnern in anderen Ländern zur Verfügung zu stellen. "Die jahrelangen Bemühungen der europäischen Bahnen, zu einheitlichen Standards im Datenaustausch zu kommen und vor allem zu zeitnahen Statusinformationen, waren leider nicht erfolgreich genug", erklärt Bauschulte.
Dass ein deutscher Mobiltelefonierer mit seinem Gerät aus Spanien eine SMS nach Duisburg schickt, funktioniert dagegen wegen der Roaming-Vereinbarungen der europäischen Telekommunikationsunternehmen reibungslos. Die Bahnkonkurrenz auf der Straße nutzt schon lange das Handynetz GSM für Tracking- und Tracing-Dienste. Bei Railion müssen allerdings die Maschinen von sich aus kommunizieren können. "Wir haben keinen LKW-Fahrer an Bord, der uns benachrichtigen kann, wenn ein Wagon irgendwo stehen bleibt, und der dann sogar aktive Abhilfemaßnahmen einleiten kann", erklärt Bauschulte. Dazu kommt, dass ein Güterwagon anders als ein LKW nicht über eine eigene Stromversorgung verfügt. "Auch die mechanische Belastung ist extrem hoch. Das Gerät muss auch beim Kuppeln mal einen kräftigen Stoß vertragen können."
Stromzähler und Zapfsäulen
Zwar kommuniziert heute lediglich ein Bruchteil der derzeit rund 50 Milliarden Gerätschaften auf der Welt miteinander. Doch die Zahl der mit Mobilfunktechnologie ausgestatteten Wagons und der vernetzten Stromzähler, Fahrstühle, Zapfsäulen, Fahrzeuge, Spiele- und Getränkeautomaten steigt rapide an. "M2M-Kommunikation eröffnet unabsehbar viele Anwendungsmöglichkeiten, denn sie kann praktisch jeden Gegenstand per Mobilfunk in ein vernetztes Objekt verwandeln", sagt José Costa e Silva, Leiter des Geschäftsgebiets Wireless Modules bei Siemens ICN.
Kernstück der mobilen Sende- und Empfangstechnik sind winzige Funkmodule. Diese bestehen aus den gleichen Grundbausteinen wie Mobiltelefone, kommen aber ohne aufwendiges Design oder Tastatur aus. Sie lassen sich flexibel an praktisch jedes Gerät, jede Anlage oder Maschine anbauen und mit Sensoren verknüpfen.
Zu den wichtigsten Branchen, in denen Funkmodule zum Einsatz kommen, gehören die stromerzeugende und die Transportindustrie sowie bereits heute die Automobilbranche: Bis 2005 soll den Marktforschern der Londoner Arc Group zufolge ein wesentlicher Anteil der Autos mit mobiler Kommunikations-Technologie ausgestattet werden, vor allem, um Telematikdienste nutzen zu können. Seit 1995 baut Siemens Funkmodule für Kunden wie BMW, Panasonic und Casio, die sich nicht nur im Fahrzeuginnern, sondern auch in Parkuhren, Stromzählern und Notrufsäulen finden.
SMS zum Stromablesen zu teuer
Eine kritische Stimme zum Thema M2M ist allerdings beim Energieversorger EnBW zu hören. Das Unternehmen hat Verträge mit T-Mobile und Vodaphone, um mobil Zählerdaten auszulesen. "Die Technik ist extrem teuer und sehr störanfällig", erklärt aber ein Insider. Entgegen der Zusicherung der Netzbetreiber, den M2M-Mitteilungen genug Platz in ihren Netzen frei zu halten, sei es aussichtslos, tagsüber zwischen 11 Uhr und 14 Uhr Daten abrufen zu wollen. Überhaupt sei man skeptisch, ob sich diese Form der Fernabfrage rechnet. Solange in Deutschland die Zähler nur ein Mal im Jahr abgelesen werden, ist ein RoI nicht zu erzielen. Erst wenn ein Zweimonatsturnus Vorschrift wäre, könnte die Investition sinnvoll sein. Bis dahin ist es für die Stromversorger billiger, wenn die Kunden ihre Zählerstände per Postkarte übermitteln.
Ein Beispiel aus den Vereinigten Staaten zeigt dagegen, dass sich das Prinzip, durch die Fernabfrage Maschineninformationen zu generieren, auszahlen kann: Bei Packaged Ice, dem landesweit größten Her- und Aufsteller von Eismaschinen, entscheiden die Manager aufgrund von Informationen, die diese Maschinen an die Zentrale übermitteln, wann welcher Apparat gewartet und neu befüllt wird. PolarCast heißt das System, das dem Unternehmen einen Umsatzzuwachs von 2,7 Millionen Dollar pro Jahr beschert und die Wartungskosten eines jeden Eisautomaten um 194 Dollar gesenkt hat. "Die RoI-Kalkulationen sind in diesem Bereich zwingend notwendig, fasst Peter Neiken, M2M Business Manager bei Nokia Deutschland, die bisherige Entwicklung zusammen. "Vorzurechnen, dass sich M2M in bestimmten Szenarien lohnt, ist noch eine sehr komplexe Angelegenheit. Initiativen wie die M2M Community haben es sich zur Aufgabe gemacht, den RoI vorzurechnen.
E-Plus, Materna, Nokia, T-Mobile und andere haben die M2M Community als branchenübergreifenden Zusammenschluss gegründet, um zu gewährleisten, dass die Kunden nur einen Ansprechpartner haben und nicht mit dem Netzbetreiber, dem Anwendungsentwickler, dem Hersteller von Netzwerkkomponenten und so weiter jeweils individuell verhandeln müssen. Seit Dezember 2003 treibt der Verbund die gemeinsame Realisierung, Entwicklung und Vermarktung von Maschine-zu-Maschine-Lösungen voran.
Zudem bietet die neue GRPS-Mobilfunknetz-Generation eine technisch noch verlässlichere Infrastruktur für die Maschinendienste. Und seit Herbst 2003 bieten mit T-Mobile und Vodafone erstmals deutsche Netzbetreiber spezielle, günstige M2M-Tarife für den Massenversand von Maschinenbotschaften an. Wenn die Massenanwender ihre SMS zum Privatkundentarif abrechnen müssten, wäre die Technologie nicht finanzierbar.