Die EU-Behörden ermitteln derzeit gegen den Software-Hersteller, weil sich die britische Schulbehörde Becta bei der Europäischen Union beschwert hat. Microsoft setze zu stark auf sein eigenes Format und unterstütze die Kompatibilität mit konkurrierenden Produkten nicht ausreichend, lautete die Klage aus London.
Microsoft hat nun angekündigt, die Zahl der in Office unterstützten Dokumentenformate zu erhöhen. Das soll in der ersten Jahreshälfte 2009 geschehen, wenn das Service Pack 2 für Microsoft Office 2007 erscheint. Ab diesem Zeitpunkt soll unter anderem das Open Document Format for Office Applications (ODF) unterstützt werden. Der Hersteller verspricht Anwendern, damit direkt in Office-Programmen ohne zusätzliche Software auch ODF-Dokumente öffnen, bearbeiten und speichern zu können.
Die EU-Kommission teilte auf die jüngste Ankündigung von Microsoft hin mit, sie werde diese in ihre laufende Untersuchung einbeziehen. Elmar Geese, den Vorsitzenden des Linux-Verbands, bringt die Nachricht des Software-Konzerns indes zum Schmunzeln. "Zurzeit unterstützt Microsoft Office ja noch nicht einmal das hauseigene Format vollständig", sagt Geese auf Anfrage von CIO-Online.
Microsofts Format OOXML erregt schon seit einiger Zeit die Gemüter. Die Betreiber der eigens eingerichteten Homepage www.noooxml.org beispielsweise machen seit mehr als einem Jahr Stimmung gegen das Format von Microsoft. Mehr als 89.000 Computer-Nutzer haben sich den Angaben zufolge bisher an einer Petition unter dem Titel "Ich lehne die ISO-Normung des Microsoft Office Format ab" beteiligt. Nutzer tragen sich auch jetzt noch in die virtuelle Unterschriftenliste ein, auch wenn die Internationale Organisation für Standardisierung (ISO) das umstrittene Format mittlerweile unter der Bezeichnung ISO/IEC DIS 29500 angenommen hat.
Anfang April hatte die ISO mitgeteilt, die 6.000 Seiten lange Dokumentation von OOXML habe die erforderliche Stimmenmehrheit für die Annahme als internationaler Standard erhalten. 75 Prozent der Mitglieder des zuständigen Komitees votierten demnach für das Dokumentformat.
Zunächst durchgefallen
In einem ersten Standardisierungs-Verfahren im September war ISO/IEC DIS 29500 hingegen noch durchgefallen. Nach Angaben der ISO gingen damals 3.500 Kommentare zu der Spezifikation ein. Daraufhin fand Ende Februar eine einwöchige Beratung in Genf statt. Dabei wurden nach Angaben der Standardisierungs-Organisation die aus Sicht der ISO-Mitgliedsländer wichtigsten Kommentare diskutiert. Danach hatten die ISO-Mitglieder aus den einzelnen Staaten 30 Tage Zeit, ablehnende Stimmen gegenüber dem neuen Standard zurückzuziehen oder in positive Voten umzuwandeln.
Die Zahl derer, die ihre Meinung bis Ende März änderten, reichte für die Annahme des Standards aus. Negative Voten gaben schlussendlich 14 Prozent der ISO-Mitglieder ab - für die Billigung der Norm hätten es bis zu 25 Prozent Nein-Stimmen sein dürfen.
Angebliche Unregelmäßigkeiten
Unter Beschuss geriet indes das Zustandekommen der Entscheidung. So warfen Kritiker unter anderem auch dem Deutschen Institut für Normung (DIN) - das Deutschland in der ISO vertritt - Unregelmäßigkeiten bei der internen Abstimmung über OOXML vor. Das DIN hatte im September 2007 den geplanten ISO-Standard zunächst mit einigen Einwänden grundsätzlich gebilligt. Nach der Genfer Beratung im Februar tagte der zuständige DIN-Ausschuss am 11. März erneut. Mit 14 zu fünf Stimmen entschieden die Experten, das Ja-Votum aufrecht zu erhalten. Ein Lenkungsgremium billigte zwei Wochen später das Ja-Votum des Arbeitsausschusses.
Der Standardisierungs-Experte Andrew Updegrove behauptet in seinem Blog, die Stimmberechtigten hätten den Standard gar nicht ablehnen, sondern nur zustimmen oder sich der Stimme enthalten können. Das DIN bezeichnet derartige Vorwürfe in einer Pressemitteilung als "falsch und irreführend". Das Lenkungsgremium habe nur darüber zu urteilen gehabt, ob der Standardisierungsprozess aus seiner Sicht regelgerecht abgelaufen sei. "Wenn die Mehrheit des Lenkungsgremiums der Überzeugung gewesen wäre, dass der Prozess der Bearbeitung und der Abstimmung über ISO/IEC DIS 29500 regelwidrig verlaufen sei, dann wäre das deutsche Votum bei der ISO/IEC-Abstimmung auf Enthaltung geändert worden", betont das Institut.
Die EU-Kommission indes hat von mehreren europäischen Staaten Stellungnahmen zum Ablauf des jeweiligen nationalen Standardisierungs-Verfahrens angefordert, wie das Wall Street Journal berichtet. Geprüft werde eine mögliche Einflussnahme von Microsoft auf den Entscheidungsprozess.
Bessere Kontrolle gefordert
Eine bessere internationale Kontrolle des Normierungsprozesses hat unterdessen auf der Konferenz "Computers, Freedom, and Privacy 2008" in New Haven Gerry Lane gefordert, der bei IBM für Open Source und Open Standards zuständig ist. Wie der Branchen-Dienst Heise-Online meldet, gab sich Lane dabei durchaus selbstkritisch. IT-Konzerne hätten Gremien wie die European Computer Manufacturers Association (ECMA) ins Leben gerufen, um internationale Normen zu lancieren. Auch IBM habe sich an solchen Gremien beteiligt, die nichts weiter seien als Interessengruppen.
Die ECMA war es auch, die den Standard für Office Open XML bei der ISO einreichte. Vorher hatte das Bündnis von IT-Unternehmen OOXML auf Grundlage von Microsofts Entwicklung zunächst als eigene Norm veröffentlicht - unter der Bezeichnung ECMA Standard 376.
Image-Schaden für Microsoft
Äußerungen wie die von Lane scheinen Elmar Geese Recht zu geben. Mit der Annahme von OOXML als ISO-Standard habe der Software-Riese nur "einen Pyrrhus-Sieg errungen", so Geese. Der übergroße Druck, den das Unternehmen im Vorfeld der ISO-Abstimmungen aufgebaut habe, habe zu einem "großen Image-Schaden" geführt.
Zudem sieht Geese die Art der Auseinandersetzung als Indiz für die wachsende Bedeutung offener Standards. "Bisher wurden die Office-Formate von Microsoft wegen ihrer großen Verbreitung als De-facto-Standard angesehen", sagt der Verbands-Chef. Dass das Software-Unternehmen gleichwohl so sehr auf die internationale Standardisierung von Open XML hingearbeitet habe, zeige, "dass Open Source und Open Standards längst nicht mehr nur in einer kleinen Nische stehen".
Wichtig sei die ISO-Zertifizierung für Microsoft wohl vor allem, um bei öffentlichen Ausschreibungen bessere Chancen zu haben, erklärt Geese. Bei der öffentlichen Hand hätten Standards eine wachsende Bedeutung, bei Aufträgen aus der Privatwirtschaft hingegen gebe es hier noch Nachholbedarf auf Seiten der Auftraggeber.