Konflikte gehören zum Leben wie das Salz in die Suppe. Doch was ist überhaupt ein Konflikt? Um das zu erklären, schildere ich Ihnen eine Situation: Zwei Mitarbeiter arbeiten in einer Abteilung. Andreas Neumann macht oft Überstunden bis spät abends, Sebastian Huber hingegen geht stets um 16 Uhr nach Hause. Das ist kein Konflikt, so lange beide Kollegen dies in Ordnung finden.
Angenommen Neumann möchte auch früher heim. Er kann dies aber nur, wenn Huber länger bleibt. Darauf angesprochen reagiert dieser abweisend: "Geht leider nicht. Ich muss wegen meiner Tochter um 16 Uhr zuhause sein." Auch jetzt besteht noch kein Konflikt, sofern Neumann diese Begründung akzeptiert und seine Interessen zurückstellt. Erst wenn er sich denkt: "Immer soll ich Rücksicht nehmen. Was ich will, ist diesem Egoisten egal - das mache ich nicht länger mit", wird der Interessengegensatz zu einem Konflikt. Denn jetzt fühlt Neumann sich und seine Interessen nicht ernst genommen. Er ist verletzt und lässt das seinen Kollegen spüren. In Folge dessen sinkt die Stimmung auf den Nullpunkt, was Auswirkungen auf die Arbeitsergebnisse haben kann, wenn sie von der Zusammenarbeit der beiden Kollegen abhängen.
Einen Konflikt kennzeichnen also drei Elemente:
eine Nichtbeachtung gegenseitiger Interessen,
eine wechselseitige Abhängigkeit der Beteiligten und
Verletzungen auf der Beziehungsebene.
Hier liegt auch der Ansatzpunkt für Führungskräfte zur Früherkennung von Konflikten. Wichtig ist, wer von wem abhängig ist und ob es Signale für eine mangelnde Wertschätzung gibt.
Nicht bei jedem Konflikt intervenieren
Führungskräfte sollten aber nicht bei jedem Konflikt eingreifen. Sie müssen primär dafür sorgen, dass die Leistung ihrer Mitarbeiter stimmt. Also sollten sie vor allem bei Konflikten intervenieren, die die Leistung schmälern.
Zuweilen können Führungskräfte Konflikte entkräften, indem sie die Abhängigkeit zwischen den Beteiligten lösen. Zum Beispiel, indem sie deren Arbeitsgebiete stärker voneinander abgrenzen. Wenn dies auf Grund der gegebenen Strukturen nicht möglich ist, liegt der Königsweg im Auflösen der Blockaden, die die "Kontrahenten" am Erreichen ihrer Ziele hindern - zum Beispiel im Rahmen einer Konfliktmoderation.
Es muss allerdings darauf geachtete werden, dass eine Führungskraft nicht jeden Konflikt moderieren kann. Ist sie emotional beteiligt, dann sollte eine neutrale Person die Moderation übernehmen. Dasselbe gilt, wenn sie eine bestimmte Lösung erwartet - zum Beispiel, um übergeordnete Ziele zu erreichen. Dann ist keine Konfliktmoderation angesagt, sondern ein Anwenden der klassischen Führungsinstrumente wie Anweisung oder Leistungsvereinbarung.
Zustimmung für Moderation einholen
Erwägen Sie als Führungskraft eine Konfliktmoderation, sollten Sie vorab das Problembewusstsein der Beteiligten klären. Zuweilen können Mitarbeiter verwundert reagieren, wenn man sie auf Konflikte anspricht. Also sollten Sie zunächst klären, ob den Beteiligten der Konflikt bewusst ist und ob ihr Leidensdruck so groß ist, dass sie bereit sind, Zeit und Energie in eine Lösung zu investieren. Holen Sie erst danach die Zustimmung zu einer Konfliktmoderation ein.
Lassen Sie sich hierfür zum Beispiel den Konfliktverlauf schildern und verzichten dabei auf eine Wertung. Fragen Sie nach den Auswirkungen und ob die Situation für die Beteiligten zufriedenstellend ist. Antworten die Konfliktparteien mit "nein", sind sie vermutlich bereit, einen neuen Weg zu gehen. An dieser Stelle können Sie eine Konfliktmoderation vorschlagen.
Stellen Sie es den Konfliktbeteiligten frei, sich den Moderator selbst zu suchen. Bieten Sie sich erst als Moderator an, wenn die Mitarbeiter dies wünschen. Erläutern Sie ihnen auch, warum Sie bereit sind, den Konflikt zu moderieren - zum Beispiel weil Sie möchten, dass beide wieder in einer entspannten Atmosphäre effektiver arbeiten.
Der mögliche Ablauf einer Konfliktmoderation
Sollten die Konfliktbeteiligten Sie als Moderator wählen, ist es angebracht, ihnen zunächst den Ablauf der Moderation zu schildern. Bitten Sie beide Konfliktparteien außerdem, sich vorab zu überlegen, welche Verhaltensweisen sie sich vom jeweils anderen wünschen, um besser arbeiten zu können. Eine Konfliktmoderation zwischen zwei Mitarbeitern besteht aus mehreren Schritten.
Das Ziel klären
Die Mitarbeiter kommen oft voller Emotionen zur Konfliktmoderation und zuweilen ist ihnen die Situation peinlich. Sagen Sie deshalb zu Beginn einige Worte zum Thema Konflikte. Zum Beispiel: Konflikte gibt es überall - nicht nur im Betrieb. Außerdem: Konflikte entstehen stets aufs Neue. Möglicherweise, weil Aufgaben anders gelöst werden müssen. Deshalb sind Konflikte oft Auslöser von Innovationen.
Erklären Sie den Konfliktparteien nochmals, dass es bei der Konfliktmoderation darum geht, den Konflikt zu lösen. Dies geschieht allerdings nicht in der Form, dass alle Emotionen und Erfahrungen in der Vergangenheit aufgearbeitet werden. Nein, die Arbeitsbeziehung soll neu ausgehandelt und so geregelt werden, dass beide Mitarbeiter gut damit leben und ihren Job besser machen können.
Regeln festlegen
Definieren Sie mit den Konfliktpartnern Regeln für die Moderation. Zum Beispiel, dass beide Forderungen an das Verhalten des jeweils anderen stellen, die nach dem Prinzip "Geben und Nehmen" ausgehandelt werden. Am besten ist es, solche Absprachen schriftlich zu fixieren.
Vereinbaren Sie mit den Konfliktpartnern auch, worüber Vertraulichkeit gewahrt und worüber mit Dritten gesprochen werden darf. Klären Sie zudem Ihre Aufgaben als Moderator. Diese besteht darin, dass Sie sich neutral verhalten und auf die Einhaltung der Regeln achten. Außerdem sollten Sie einschreiten, wenn einem Beteiligten von der Gegenseite schlechte Absichten unterstellt werden. Sie sollten verhindern, dass über Undiskutierbares, wie zum Beispiel allgemeine Unternehmensziele, verhandelt wird.
Wünsche und Bedürfnisse sammeln
Sind die Formalien geklärt, können Sie die Beteiligten bitten, auf einem Formblatt Antworten auf verschiedene Fragen zu geben, die die konfliktfördernden Verhaltensweisen betreffen. Die Beteiligten sollen sich darüber Gedanken machen, was ihnen dabei helfen würde, effektiver zu arbeiten.
Verständnis klären
Die ausgefüllten Formblätter können Sie entweder kopieren oder so aufhängen, dass sie jeder lesen kann. Bitten Sie die Konfliktpartner, die Forderungen und Wünsche des jeweils anderen mit eigenen Worten laut zu formulieren. "Sie wollen, dass ich ..." Der andere soll die Aussage entweder bestätigen oder korrigieren. Bitten Sie als Moderator, sofern nötig, um Beispiele für das gewünschte Verhalten, um das Verständnis sicherzustellen.
Gemeinsam Lösungen suchen
Hier empfiehlt sich ein Brainstorming. Es ermöglicht allen Beteiligten, Vorschläge zur Konfliktlösung beizutragen. Das Suchen und Sammeln der möglichen Elemente einer Lösung sollte frei von (vorschnellen) Bewertungen erfolgen.
Lösungen bewerten und aushandeln
Nach dem Sammeln können beide Konfliktparteien anhand ihrer Forderungen die Lösungsvorschläge markieren, die ihnen am geeignetsten erscheinen. Bitten Sie die Konfliktparteien anschließend, sich wechselseitig Angebote zu machen. Zum Beispiel: "Wenn Sie mich detaillierter informieren, würde ich ...." Achten Sie als Moderator darauf, dass das Aushandeln ein wirkliches Geben und Nehmen ist. Die Erfahrung zeigt, dass die ausgehandelten Lösungen häufig weit über die vorangegangenen Streitpunkte hinausgehen und so eine echte Win-Win-Situation schaffen.
Absprachen treffen und Protokoll erstellen
Notieren Sie alle Absprachen. Zuweilen kochen beim Aushandeln der künftigen Arbeitsbeziehung die Emotionen hoch und es werden schmerzhafte Erlebnisse geschildert. Das sollten Sie zulassen, damit der Druck aus dem Kessel weicht. Dabei müssen Sie aber Fingerspitzengefühl zeigen und darauf achten, dass sich kein zusätzlicher Druck aufbaut. Konstatieren Sie nach dem Gefühlsausbruch zum Beispiel ruhig, dass dieser zeigt, wie viel Emotionen im Spiel sind und solche Verletzungen sicher auf beiden Seiten existieren. Und schlagen Sie danach vor, wieder zu den Verhaltensweisen zurückzukehren, die sich die Beteiligten wünschen.
Abschließen und Folgetermin vereinbaren
Die bei Konfliktmoderationen getroffenen Vereinbarungen erscheinen Außenstehenden oft unbedeutend. Für die Beteiligten sind sie aber wichtig, weil Emotionen daran hängen. Deshalb muss das Umsetzen der Abmachungen sichergestellt werden, damit alte Wunden nicht erneut aufreißen. Vereinbart werden sollte auch, was geschieht, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Das müssen keine Sanktionen sein. Eine Vereinbarung kann lauten: "Dann sprechen wir uns künftig darauf an, statt den Ärger hinunter zu schlucken." Vereinbaren Sie aber auf alle Fälle einen gemeinsamen Folgetermin, um zu überprüfen, ob die Absprachen eingehalten wurden oder eventuell neue Konfliktpunkte entstanden sind.